Es ist Donnerstagmittag, kurz vor halb eins. Die Gänge der Claude-Dornier-Schule sind ruhig, gar verlassen, denn die meisten Schüler sitzen noch im Unterricht. Nähert man sich allerdings der Berufsschulklasse der angehenden Zerspanungsmechaniker, bricht die Stille. Rufe wie etwa „Tor!“ oder „Los, noch eine Minute!“ schallen hinter der Tür. Denn in dieser Doppelstunde sitzen die Schüler nicht etwa an ihren Tischen und büffeln – sie haben Sportunterricht. Im Klassenzimmer.
Das hat einen Grund: Die Turnhalle des Berufsschulzentrums (BZS) kann schon seit einer Weile nicht mehr genutzt werden, weil sie für den Einzug geflüchteter Menschen aus der Ukraine vorbereitet wird. Insgesamt 100 Klassen des BZS, die sonst regulär Sportunterricht hätten, sind davon betroffen. Sportlehrer Jens Hartmann hat sich deshalb etwas einfallen lassen: „Ich mache alternativen Sportunterricht – zum Beispiel Gymnastik, Übungen mit Eigengewicht, Spiele oder Pilates“, erzählt er gegenüber dem SÜDKURIER. Wenn das Wetter es zulasse, gehe er auch manchmal mit der Klasse nach draußen. Zudem sei ein Teil des Unterrichts Theorie. Da gehe es etwa um Anatomie, Schmerzkunde oder Gesundheitsbewusstsein.

Heute allerdings wird Hockey gespielt. Mit einer provisorischen Abgrenzung aus Tischen hat die Klasse zuvor ein Spielfeld geschaffen, auf dem verschiedene Teams gegeneinander spielen. Um das Feld herum sitzen diejenigen, die gerade nicht aktiv sind. Einer von ihnen ist Justin Altug. Anfangs sei er nicht besonders begeistert davon gewesen, dass in der Halle kein Sportunterricht mehr stattfinde, so der 19-Jährige. „Aber Herr Hartmann hat das gut geregelt.“ Auch den Theorieunterricht findet Altug sinnvoll: „Es hilft mir auch fürs Gym, wenn ich weiß, auf was ich achten muss.“

Auch wenn es für Lehrer und Schüler schwierig ist, die Turnhalle nicht nutzen zu können, findet Jens Hartmann doch etwas Positives an der Situation: „Ich finde es schön, mal die Routine zu brechen und mir etwas Neues einfallen zu lassen.“ Auch andere Kollegen hätten kreative Alternativen zum Sportunterricht gefunden. „Einer spielt zum Beispiel regelmäßig Tischtennis mit seinen Schülern.“
Doch was ist mit dem Sport-Abi?
Die Berufsschulklassen sind also erst einmal versorgt. Bei den Abiturklassen des BZS ist die Situation allerdings etwas komplizierter, erklärt Abiturient und Schülersprecher Lukas Weise. Denn im Abitur sei Sport strenger reguliert und prüfungsrelevant – es müssen also bestimmte Disziplinen, wie zum Beispiel Leichtathletik oder Turnen, benotet werden. Und das gehe ohne Halle eben nicht.

Schon vor einigen Wochen begannen die Schulleiter des BZS deshalb, umliegende Schulen um die Mitnutzung ihrer Hallen zu bitten. Lukas Weise: „Das Hauptproblem ist, dass es keine Langzeitlösung gibt.“ Bei ihm und seinen Mitschülern herrsche eine große Unsicherheit. „Man fragt sich, ob man Sport im Abi überhaupt wählen kann,“ sagt der Schülersprecher. Auch befürchte er, dass der Unterricht in den fremden Hallen dann auf Freitagnachmittag oder gar auf Samstag fallen wird. Eben dann, wenn sie nicht anderweitig belegt sind. Trotzdem verstehe er aber, dass die Situation schwierig sei und alle Verantwortlichen sehr kurzfristig darauf reagieren mussten.
Doch es gibt auch gute Nachrichten. Daniel Grupp, stellvertretender Schulleiter der CDS, verkündet: „Für alle Abiturienten der Hugo-Eckener-, der Droste-Hülshoff- und der Claude-Dornier-Schule haben wir jetzt eine Lösung gefunden.“
So dürfen die elften Klassen der CDS die Kletterhalle sowie die Aula der Droste-Hülshoff-Schule nutzen, sagt Grupp. Im Januar sollen sie drei Tage lang Blockunterricht im Skifahren haben. „Und ab April können sie wieder unsere Außenanlagen nutzen.“
Die Zwölfer werden laut Grupp im Sportbad und in der Halle der Bodensee-Schule untergebracht.“ In Letzterer sollen auch die aktuellen Abiturklassen unterrichtet werden. Es gebe daher kein Grund zur Annahme, dass das Abitur nicht gemacht werden kann.
Stundenplan wurde zur Herkules-Aufgabe
Daniel Grupp: „Den Stundenplan so umzustellen, dass alles zusammenpasst, war eine Herkules-Aufgabe.“ Trotzdem konnten laut Grupp alle Klassen unter der Woche untergebracht werden – samstags werden sie also nicht zum Unterricht kommen müssen. Der stellvertretende Schulleiter freut sich: „Die Kommunikation mit den städtischen Schulen war wirklich toll, dafür sind wir sehr dankbar.“
Der einzige Haken an der Sache: Laut Grupp sei derzeit noch ungeklärt, wie die Schüler zur Ersatzhalle gelangen. „Es gibt einen Schulbus mit neun Sitzen, der vom Förderverein der CDS bezahlt wird.“ Neun Plätze? Wie soll das gehen, will der SÜDKURIER wissen. Grupp: „Zur Not muss der eben mehrmals fahren. Wir können aktuell keinen öffentlichen Bus chartern, weil die Finanzierung nicht geklärt ist.“