Die Stadt Friedrichshafen muss bis zum Jahresende eine Wärmeplanung vorlegen. Diese Pflicht wurde den Kommunen vom Land Baden-Württemberg auferlegt. Konkret sollen die Gemeinden auf dieser Grundlage eine klimaneutrale Wärmeversorgung konzipieren. Nun gibt es auch für Friedrichshafen entsprechende Analysen – und die haben im Bauausschuss für ordentlich Gesprächsstoff gesorgt.
Klimaneutral im Jahr 2040
Die einleitenden Worte zur entsprechenden Präsentation fand Stefanie Fritz: „Friedrichshafen hat das Stadtwerk am See beauftragt, die kommunale Wärmeplanung vorzunehmen.“ Klimaneutralität bis 2040 sei das Ziel, so die Leiterin des Amtes für Stadtplanung. Anschließend lauschten die Ratsmitglieder aufmerksam dem Vortrag von Andreas Bachmaier. Er ist beim Stadtwerk Bereichsleiter für Energiesysteme. Sein Auftrag ist es, einerseits zu prüfen, wo im Stadtgebiet Energie eingespart werden kann. Andererseits geht es bei seiner Evaluation um die Frage, wo künftig welche Wärmeträger genutzt werden könnten.
Die Frage der Einsparung ist demnach eng verknüpft mit Sanierungsmaßnahmen. Konkret gebe es im Stadtgebiet gut 23.000 Gebäude, sanierungsbedürftig seien davon gut 10.600. Momentan verbrauchen alle Gebäude – die Industrie nicht mitgerechnet – gut 505 Gigawattstunden im Jahr. Bei einer jährlichen Sanierungsrate Höhe von 6,5 Prozent sei eine Einsparung von 43 Prozent des Energiebedarfs möglich. Um dieses Ziel zu erreichen, würden allerdings 1140 Millionen Euro an Investitionen nötig sein – über eine Milliarde Euro. „Ich gehe davon aus, dass die Sanierungsrate der Haushalte nicht so hoch sein wird“, so Bachmaier. „Die müssen das finanziell auch stemmen können.“ Bachmaier empfahl, entsprechende Sanierungsgebiete auszuweisen, um durch Förderungen die Renovierungsbereitschaft der Eigentümer zu erhöhen.
Es muss ordentlich saniert werden
Realistischer in seinen Augen ist eine Sanierungsrate von lediglich einem Prozent im Jahr. Bachmaier: „Der Ausbau der Wärmenetze bei gleichzeitiger Sanierungsrate von einem Prozent ist der volkswirtschaftlichste Weg.“ Um bei dieser Sanierungsrate Klimaneutralität zu erreichen, sind demnach andere Maßnahmen notwendig. Laut dem Gutachten bieten sich unterschiedliche Möglichkeiten, um erneuerbare Energien zu nutzen. Das größte Potenzial wird hierbei der Seewärme zugeschrieben, die am Uferbereich genutzt werden könnte. Doch auch Abwasserwärme aus dem Klärwerk, Biomasse für Einzelheizungen, grüne Gase wie Biomethan oder Wasserstoff, Außenluft und Solarthermie spielen in der Kalkulation eine Rolle. Von der MTU erwartet sich Bachmaier etwa 10 Gigawatt als Abwärme. Die ZF habe demnach noch keine Bereitschaft signalisiert, Abwärme zur Verfügung zu stellen. Bezüglich der Kosten setzt er insgesamt 686 Millionen Euro an: 228 Millionen entfallen auf Sanierungen, der Rest auf den Ausbau von Nahwärme und Einzelheizungen.
Unterschiedliche Versorgung
Konkret wird es demnach eine unterschiedlich gelagerte Versorgung in Friedrichshafen geben. Diese könnte zu 65 Prozent aus Nahwärme bestehen. Hinzu kommen Einzelheizungen, die vor allem Biomasse, Solarthermie und grüne Gase verwenden. Der Ausbau von Wärmepumpen solle sich verdreifachen.
Eigentümer von Immobilien sollten die Planung der konkreten Vorhaben gut im Auge behalten. Denn je nachdem, welche Energieträger an ihrem Standort vorgesehen sind, müssen sie künftig ihre Heizung planen. Dort, wo eine Versorgung mit Nahwärme geplant ist, dürfte die Notwendigkeit entfallen, eigene neue Heizanlagen zu installieren. Das trifft vor allem auf Gebäude in dicht besiedelten Gebieten zu. So etwa im Stadtzentrum, aber auch etwa Fischbach, Ailingen, Wiggenhausen oder Manzell.
„Fast dreist“
Letztlich kam es noch zum Schlagabtausch im Ausschuss. Denn nicht jeder der Zuhörer zeigte sich absolut überzeugt von Bachmaiers Vorschlägen. Ulrich Heliosch (Grüne) monierte: „Schon in der Vorberatung hatten wir viele Fragezeichen, was diese Planung betrifft.“ Nicht konkret genug seien ihm die vorliegenden Pläne. „Wir wollten ganz konkrete Ziele und Zwischenziele haben.“ Weiter führte er aus: „Nix gegen das Stadtwerk am See, aber ich fände es schade, bei solch einem wichtigen Thema nicht weitere Ideen mit reinzunehmen. Können sie nicht zusammen mit anderen Büros und Fachplanern ein konkreteres und ideenreicheres Papier erarbeiten und uns als Entwurfsbeschluss wieder vorlegen?“ Auch Simon Wolpold (Netzwerk) sprach mit Hinblick auf die kurze Frist bis zum Jahresende von einer „Hauruck-Wärmeplanung“.
Daraufhin zeigte sich Andreas Bachmaier alles andere als begeistert: „Ich finde es fast dreist, dem kommunalen Wärmeversorger so wenig zuzutrauen.“ Baubürgermeister Fabian Müller kritisierte diese Anmerkung: „Darüber wird zu sprechen sein.“ Bachmaier zeigte sich von der Rüge unbeeindruckt: „Ich gehe davon aus, dass die Demokratie das zulässt.“
Klar ist: Abgeschlossen sind die Planungen noch nicht. Das Stadtwerk will konkretere Pläne vorlegen, zudem soll es eine Bürgerbeteiligung im November oder Dezember geben. Wie es bis dahin genau weitergeht, ist zumindest seitens der Räte noch nicht klar. Auf eine Beschlussempfehlung für den Gemeinderat konnten sich die Ausschussmitglieder nicht einigen.