Eine Halle wie die ZF-Arena gibt es kein zweites Mal. Das sagen zumindest Fachleute wie Bauingenieur Andreas Looser aus Friedrichshafen oder Georg Samson, der bis 2019 Leiter des Prüfamtes für Baustatik bei der Häfler Stadtverwaltung war. Beide sprechen von einer „Sonderkonstruktion“, die Josef Wund als blutjunger Architekt entworfen hat.

Größte freitragende Hängedach-Halle

Seit der damals 30-jährige Josef Wund die Messehalle 1 im Jahr 1968 fertigstellte, wird sie als größte freitragende Gasbeton-Hängedach-Halle der Welt bezeichnet. Doch gerade diese spezielle Dachkonstruktion macht die ZF-Arena nicht nur besonders. Sie ist auch der Grunde dafür, dass die Halle vor knapp zwei Wochen – von heute auf morgen – wohl für immer geschlossen wurde.

Das Gelände der 20. IBO-Messe im Jahr 1969 mit der damaligen Messehalle links oben. 2003 wurde sie zur Mehrzweckhalle umgebaut.
Das Gelände der 20. IBO-Messe im Jahr 1969 mit der damaligen Messehalle links oben. 2003 wurde sie zur Mehrzweckhalle umgebaut. | Bild: Sammlung Ernst Haller

Dabei ist diese Entscheidung für viele nur schwer nachzuvollziehen. Die Stadtverwaltung bleibt dabei, „dass die ZF-Arena in Zukunft nicht mehr genutzt werden kann“. Aber auch das bestätigt das Rathaus auf Nachfrage: „Akute Einsturzgefahr bestand und besteht nicht.“ Dass sie trotzdem dicht gemacht wurde, ist also ein Verantwortungsproblem.

Gutachter können Risiko nicht ausschließen

„Die Gutachter können und wollen ein latentes Risiko, insbesondere bei Schneelast, nicht ausschließen“, erklärt Monika Blank, Sprecherin des Rathauses. Angesichts solcher Tragödien wie beim Einsturz der Eishalle in Bad Reichenhall sind nicht nur Gutachter sehr vorsichtig. Bei dem Unglück am 2. Januar 2006 war das falsch konstruierte und schlecht gewartete Holzdach einer Eissporthalle unter der Last einer tonnenschweren Schneedecke zusammengebrochen und hatte zahlreiche Schlittschuhläufer unter sich begraben. 15 Menschen starben.

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Bei der ZF-Arena wurde nach Auskunft des Rathauses schon im Herbst 2019 bei einer routinemäßigen Untersuchung festgestellt, dass es Schäden an der Fassade und Betonabplatzungen gibt. „Daraufhin wurden Sicherungsmaßnahmen vorgenommen und weitere Begutachtungen der Glasfassade, des Tragwerks und der Tragseile des Hängedachs beauftragt“, antwortet die Stadt auf Anfrage unserer Zeitung. Alle Ergebnisse der Untersuchungen lagen demnach am 24. September vor. Tags darauf, am Freitag, wurde die Schließung der Arena ab Montag beschlossen.

Die ZF-Arena war nicht nur Spielstätte der VfB-Volleyballer, hier wurde in den vergangenen Jahren auch der MTU-Hallencup für ...
Die ZF-Arena war nicht nur Spielstätte der VfB-Volleyballer, hier wurde in den vergangenen Jahren auch der MTU-Hallencup für Nachwuchsfußballer ausgetragen. Schwere Flutlichtstrahler durften an der gewölbten Hallendeckung übrigens wegen der Baustatik nicht montiert werden. | Bild: Klaus Segelbacher

Der Grund: „Vor allem die Dachkonstruktion der Halle ist problematisch“, so das Rathaus. Sie besteht aus 50 Meter langen, unter Spannung stehenden Tragseilen, die im Abstand von einem Meter verlaufen. Dazwischen sind die Betonelemente verpresst. An einigen Stellen, an denen die Stahlseile in Querträgern verlaufen, wurde an den zementverfüllten Hüllrohren Rost festgestellt. Aber ob auch die innen verlaufenden Stahlseile von der Korrosion betroffen sind, lasse sich nicht zerstörungsfrei prüfen. Kurzum: „Um ein Risiko auszuschließen, müsste das innen liegende Material untersucht werden“, erklärt Monika Blank. Das gehe aber nicht, ohne die Dach- und Fassadenkonstruktion zu zerstören.

Die Anfänge der Arena

Für Andreas Looser, der in Friedrichshafen ein Ingenieurbüro für Baustatik betreibt, ist diese Argumentation schlüssig. Die Dachkonstruktion stehe unter permanenter Belastung, „da ist immer Zug drauf“. Und Korrosion beeinträchtige die Tragfähigkeit, unter zusätzlicher Last wie Schnee auf einer riesiger Dachfläche von über 5000 Quadratmeter natürlich umso mehr. Lässt sich da wirklich nichts retten? „Geht nicht gibt‘s für mich nicht“, meint der Bauingenieur so ganz privat. Aber inwieweit man die Halle sanieren kann und was das vor allem kostet, lasse sich aus der Distanz nur schwer beurteilen.

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Georg Samson kann sich noch sehr gut erinnern, als er Anfang der 2000er-Jahre im Vorfeld des geplanten Umbaus gebeten wurde, den Zustand der Messehalle 1 zu begutachten. „Ich bin damals mit dem Hubwagen hoch, um auch das Dach optisch zu prüfen“, erzählt der damalige Leiter des Prüfamtes für Baustatik. Seine Einschätzung damals: eine „abenteuerliche Konstruktion, aber handwerklich bestens ausgeführt“.

Kaum Erfahrungswerte für Tragseil-Dächer dieser Größe

Allerdings wurde hochwertigster Stahl verbaut, der viel empfindlicher gegen Risse oder eben Rost sei, so Samson. Dass es angesichts dieser Konstruktion schwierig sei, das Risiko für ein Materialversagen zu beziffern, kann er nachvollziehen. Es gebe kaum Erfahrungswerte. „Ich wüsste keine zweite Halle, die so aufgebaut ist“, sagt er. Aber auch nur ein gerissenes Tragseil könne theoretisch eine verheerende Kettenreaktion auslösen und das Dach einstürzen lassen. Welches Risiko in schlecht gewarteten Spannbeton-Konstruktionen steckt, zeigte zuletzt der Einsturz der Autobahn-Brücke bei Genua.

Die beiden früheren Messehallen sind aus der Vogelperspektive heute noch herausragende Bauten in Friedrichshafen. Die Halle 10 (links) ...
Die beiden früheren Messehallen sind aus der Vogelperspektive heute noch herausragende Bauten in Friedrichshafen. Die Halle 10 (links) im Bodensee-Center sieht zwar fast so aus wie die ZF-Arena, hat aber kein frei tragendes Dach. | Bild: Hilser, Stefan

Geht am Abriss der Halle also doch kein Weg vorbei? Der Aufwand einer Dachsanierung wäre enorm, antwortet das Rathaus auf diese Frage. Dazu kommen weitere, bereits bekannte Schäden an der Außenfassade der 55 Jahre alten Halle. „Wir prüfen diese Frage aber nochmals und werden dem Gemeinderat dann eine entsprechende Beschlussempfehlung vorlegen“, erklärt Stadtsprecherin Monika Blank. Ob es dann einen Ersatzbau geben wird, sei eine Frage „der mittel- bis langfristigen Planung der Hallenkapazitäten“, so Monika Blank. Mit anderen Worten: Eine neue Sporthalle im Häfler Sportpark wäre ein auf Jahre angelegtes Projekt.

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Die Abriss-Diskussion sei zu früh, meldete sich hingegen das Netzwerk für Friedrichshafen zu Wort. Für dessen Fraktion ist die Faktenlage momentan zu dünn. Statt einer „vorschnellen Festlegung“ auf den Abriss der Arena fordert Fraktionschef Jürgen Holeksa zunächst ein ergebnisoffenes Sanierungsgutachten. Vor einer Diskussion im Rat müsse „der tatsächliche, nicht der vermutete Zustand der Tragkonstruktion“ durch Fachleute festgestellt werden. Warum die Stadtverwaltung bereits jetzt ohne jegliche Kosten- oder Zeitkalkulation verlauten lasse, eine Sanierung sei nicht sinnvoll, sei „nicht nachzuvollziehen“.