Pro: Nicht gleich den großen Skandal wittern, meint SÜDKURIER-Redakteur Benjamin Schmidt
Oha. Drei Millionen Euro Beraterkosten im Jahr für die Stadt Friedrichshafen. Das scheint viel. Doch ist es zu viel? Dies legt der Vergleich mit anderen Gemeinden am Bodensee nahe. Doch gleich reflexartig einen Skandal zu wittern, das wäre verfrüht.
Denn die Zeppelinstadt ist eben nicht wie Singen, Konstanz oder Überlingen, die mit weniger Mitteln auskommen: Neben den üblichen kommunalen Aufgaben hat das Häfler Rathaus noch die Zeppelin-Stiftung – und damit unter anderem das Eigentum an ZF, einem Weltkonzern. Der Stiftungshaushalt beträgt jährlich 85 Millionen Euro – Geld für hiesige Sport-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen, wie etwa den Häfler Bädern. Auch komplexe Zuschussprojekte wie Flughafen-Insolvenz und Messe brauchen guten Rat, notfalls eben von außen.
Dabei ist jeder investierte Euro an Anwalts- und Beraterkosten dann legitimiert, wenn andernfalls noch teurere Fehlentscheidungen verhindert werden. In der Betriebswirtschaft nennt sich das „Return of Investment“. Das Rathaus hat dabei aber auch die Aufgabe, kritisch die eigenen Ausgaben zu hinterfragen.
Die Frage, ob nun drei Millionen Euro zu viel sind oder nicht, lässt sich von Außenstehenden nur schwer bewerten. Ich traue den Verantwortlichen im Rathaus zu, nicht ohne Anlass Geld zu verbrennen zu wollen – und prinzipiell in guter Absicht zu handeln. Klar ist aber auch: Fällt künftig die Kostenlast geringer aus, wäre Herrn Oberbürgermeister Brand niemand böse.
Contra: Die Ausgabepraxis bei Beratungskosten ist fragwürdig, findet SÜDKURIER-Autorin Katy Cuko
1,2 Millionen Euro für Beratungskosten allein im städtischen Haushalt: Das ist eine große Hausnummer für eine 60.000-Einwohner-Stadt. Und ein großer Spielraum, um „im Bedarfsfall“ eben auch eine teure Kanzlei zu beauftragen, deren Expertise man braucht – mithin sogar nur, um das eigene Handeln zu rechtfertigen.
Der Fall sorgte 2018 für heftige Diskussionen. Oberbürgermeister Andreas Brand hatte gegen die Expertise seiner Fachleute im Planungsamt eine – laut Regierungspräsidium – rechtswidrige Baugenehmigung für ein Einfamilienhaus in Ettenkirch durchgedrückt.
Bis heute ist fraglich, warum sich der Rathauschef in dieser privaten Bausache überhaupt eingeschaltet hat und sich bei der Stuttgarter Kanzlei Eisenmann Wahle Birk beraten ließ. Diese Leistung habe „einen mittleren vierstelligen Honoraraufwand“ verursacht, erklärte das Rathaus auf Nachfrage. Viel Geld für einen falschen Rechts-Rat am Telefon. Ein Anruf bei der Rechtsaufsicht Regierungspräsidium hätte es im Zweifel auch getan – ohne Kosten zu verursachen und eine falsche Entscheidung zu treffen.
Dass man im Rathaus noch nicht einmal konkret weiß, wie hoch der Anteil für Juristen im Beratungs-Etat ist, untermauert die fragwürdige Ausgabepraxis. Der Steuerzahler hat nicht nur Anspruch auf einen sparsamen Umgang mit seinen Geldern, sondern auch auf eine transparente Darstellung der Mittelverwendung. Vertrauen ist gut, Kontrolle aber immer noch besser.