„Die letzten Wochen waren furchtbar“, sagt Katalin Marton. Dabei hatte ihr Sohn noch das Glück, zumindest bis Ende Juli im Familienzentrum Johannes Brenz betreut zu werden, wenn auch zu stark verkürzten Öffnungszeiten und ohne Mittagessen.
Kinder einfach nach Hause geschickt
20 der 40 Kinder mussten ab Juni trotz Betreuungsvertrag sogar ganz zuhause bleiben, weil nicht mehr genug Personal da war. Die evangelische Kirchengesamtgemeinde zog die Notbremse und schloss nach monatelangen Problemen eine ganze Gruppe. „Wir hatten viele ausländische Familien im Kindergarten. Die konnten sich nicht wehren und wurden einfach nach Hause geschickt“, erzählt Katalin Marton. Nur wenige Eltern hätten in anderen Kitas oder bei einer Tagesmutter einen Ersatzplatz angeboten bekommen.

Auch sie habe jede Woche mit dem Rathaus und dem Träger der Kita telefoniert, ohne Erfolg. Denn die vier Stunden Betreuungszeit von Montag bis Donnerstag reichten bei Katalin Marton nicht, um vertragsgemäß ihrem Job nachzugehen, ohne jeden Tag mit ihrer Arbeitszeit weiter ins Minus zu rutschen. Ende Juli wurde die Kita Brenz-Haus dann – wie geplant – ganz geschlossen. Fünf Wochen musste Vincent zuhause bleiben. „So viel Urlaub kann doch keiner nehmen.“

Jetzt geht ihr Sohn ins evangelische Familienzentrum Noadja. So wie alle Kinder aus dem Johannes-Brenz-Haus, die nicht in die Schule gekommen sind, berichtet die Stadt auf Anfrage. „Die Kita ist liebevoll eingerichtet, die Erzieherinnen sind sehr nett. Wir fühlen uns wirklich wohl da“, berichtet Katalina Marton angenehm überrascht. Die Hoffnung war groß, dass das Betreuungs-Chaos der vergangenen Monate nun überwunden ist. Wären da in der vergangenen Woche nicht schon wieder zwei Anrufe aus der Kita gekommen, ob sie ihren Sohn nicht früher abholen könne, weil vier Erzieherinnen krank sind. „Das gibt‘s doch gar nicht“, ist Katalin Marton ziemlich entsetzt.
Container-Anbau im Noadja steht noch nicht
Wenn tatsächlich alle Kinder aus dem Brenz-Haus im Noadja untergekommen sind, dürfte es im Familienzentrum mit Beginn des neuen Kindergartenjahres kaum freie Plätze gegeben haben. Bis zu 107 Kinder können nach Angaben des Rathauses aktuell hier betreut werden. Eigentlich wollte die Stadt die Kapazitäten in der Kita an der Goethestraße inmitten eines großen Wohngebiets ausbauen. Doch der schon lange geplante Container-Anbau steht immer noch nicht.
Zweiter Sanitärraum im Bau
Man brauche mehr Zeit als vorgesehen war, erklärt eine Sprecherin des Rathauses auf Anfrage und begründet den Verzug mit der aktuellen Auftragslage in der Baubranche. Der Anbau werde aber „schnellstmöglich realisiert“. Einen Zeitpunkt nannte sie nicht. Derzeit wird wenigstens im Hauptgebäude der dringend benötigte zweite Sanitärraum gebaut. Bisher gab es nur einen – für über 100 Kinder. Der soll noch im Herbst dieses Jahres fertiggestellt sein.
Doch der Mangel ist viel größer. Im Frühjahr hatte Bürgermeister Andreas Köster sogar per Eilentscheid, also ohne den Segen des Gemeinderates, Container für zwei neue Kita-Standorte bestellt: in Schnetzenhausen sowie St. Georgen.
Nur noch ein Standort für Container-Kita
Auf Anfrage erklärt die Stadtverwaltung, dass eine Containeranlage als Anbau für das Familienzentrum Noadja beschafft wurde. „Die restlichen Containeranlagen sollen nun als eine Einrichtung auf einer Fläche im Fallenbrunnen errichtet und betrieben werden“, so das Rathaus. Die Fertigstellung sei im Frühjahr 2023 geplant.
Das bedeutet allerdings, dass es weder in Schnetzenhausen noch in St. Georgen neue Kitaplätze geben wird. In Schnetzenhausen sollten 54 Container für vier Kindergartengruppen aufgestellt werden. In St. Georgen sollten 24 Container hin, die bis vor wenigen Wochen in Markdorf standen, wo sie nicht mehr benötigt wurden.

Aktuell gebe es in Friedrichshafen viele Familien, die noch nicht über einen Kitaplatz verfügen. Das liege aber auch daran, dass die Eingewöhnung neuer Kinder viel Personal binde. Und auch daran mangelt es in vielen Einrichtungen. Daher könne das nur schrittweise erfolgen und ziehe sich fast bis Februar nächsten Jahres hin. „Um valide die aktuelle Situation widerzuspiegeln, gilt es zunächst einmal, die Anlaufphase des neuen Kindergartenjahres abzuwarten“, erklärt das Rathaus. Familien, die bisher nicht zum Zuge kamen, können wohl nur auf einen Platz in der neuen Container-Kita am Fallenbrunnen hoffen. Wenn sie bis dahin steht.