Was hat Shakespeares Sommernachtstraum mit der Pandemie zu tun? Wie viel Mut braucht es zum Altsein und wie viel Sehnsucht ist dann noch erlaubt? Was passiert, wenn 20 Frauen zwischen 14 und 86 Jahren nach Ost und West, Zeitgeist und Moral, Krieg und Zukunft fragen? Ist Angst die einzige Gemeinsamkeit bosnischer, kroatischer und serbischer Jugendlicher aus Sarajevo? Diese und andere Fragen verhandeln die Aufführungen der Theatertage am See.
Spielort der 37. Theatertage vom 21. bis 26. Juni ist das Kulturhaus Caserne, nicht mehr die Bodenseeschule. „Die Bodenseeschule konnte uns pandemiebedingt nicht sicher zusagen. Im Kulturhaus Caserne haben wir einen sehr offenen Partner gefunden, mit einer guten Infrastruktur und vielen Räumen“, sagt Britta Lutz, Vizevorstand des Fördervereins Theatertage am See, der die Theatertage organisiert.
Alle Bühnen im Kulturhaus werden bespielt: Im großen Saal im Casino und auf der Open-Air-Bühne im Innenhof ist Platz für die Aufführungen. Das Atrium ist für die „Rückspiele“ vorgesehen: hier geben sich die auftretenden Gruppen gegenseitig Feedback in szenischer Form.
Die Theatertage 2022 stehen unter dem Motto „Haltungen“. „Das Thema ist eigentlich zeitlos, gerade aber wird Haltung einnehmen zur persönlichen Herausforderung“, sagt Britta Lutz. Die eingeladenen Gruppen setzen sich auf verschiedene Weise mit dem Thema auseinander. Den Anfang macht „Tagebuch von Iryna – Ukraine in Flammen“. Das eben erst fertiggestellte Stück entstand unter geflüchteten Schauspielern und Musikern, die in Berlin bei der Regisseurin Martina Schubarth Unterkunft fanden. Es erzählt dokumentarisch und musikalisch die Chronologie des Kriegs, beruhend auf dem Tagebuch einer aus Kiew geflohenen Schauspielerin.
Mit „Männerträumen im Grünen“, Laubschlachten im Schrebergarten und der unwahrscheinlichen Annäherung unterschiedlicher Parzellenpächter befasst sich das MAPH-Theater aus Karlsruhe. In „Der Roller im Roggen“ des UK Theaters der KBZO Stiftung entkommen junge Erwachsene einer für Menschen, die nicht sprechen oder laufen können, tristen Arbeitswelt. „Nora & the Gang“ aus Winterthur liefert lang ersehnte Antworten auf gesellschaftlich irrelevante Fragen wie: „Warum explodieren Hubschrauber immer?“ „Orangenduft“ heißt das Stück des Seniorentheaters „Überholspur“ aus Südtirol. Auf deutsch, italienisch und ladinisch, mit Witz und Empathie verarbeitet es Erfahrungen als Risikogruppe in der Pandemie.
Jugendgruppen beginnen
Den Anfang machen die Jugendtheatergruppen. „Wir hatten in diesem Jahr keine Bewerbungen aus dem Grundschulbereich. Die AGs und Spielclubs mit älteren Schülern haben die Coronazeit besser überstanden“, sagt Claudius Beck vom Förderverein. Zum ersten Mal beteiligen sich zwei Gruppen mit Filmen. Ein Projekt mit 19 Jugendlichen aus Berlin und Valjevo (Serbien) zeigt trotz der Ferne den Austausch von Ideen: beide Gruppen bearbeiten die gleichen Aufgaben, heraus kommen Kochshows, Poetry Slams und ein Battle. „Einige der Jugendlichen werden sich hier kennenlernen“, sagt Lutz. Im Film „sommer.nacht.traum“ spielen Jugendliche aus dem Inklusionszweig und aus Vorbereitungsklassen zweier Stuttgarter Schulen zusammen.
Die Theaterstücke sind von den Jugendlichen mit entwickelt und haben viel mit deren Lebenswelten zu tun. Das allgegenwärtige Smartphone und die fast ebenso weit verbreitete Schlaflosigkeit Jugendlicher bekümmert den Sandmann und den Jugendclub Gems aus Singen. Um Freundschaft, Familie und Verlust kreist das Stück „Fear?“ einer Theaterklasse aus Sarajevo. Mit der Verantwortung der Wissenschaft vor der Gesellschaft setzt sich die Theater AG am Kant-Gymnasium in Weil am Rhein in ihrer Variante von Dürrenmatts „Die Physiker“ auseinander.

Die in den vergangenen Jahren beliebten Theaterkurse finden 2022 nicht statt. Claudius Beck erklärt: „Dafür haben wir hier nicht die Räume. Wir wussten bei der Planung auch nicht, ob diese Form überhaupt wieder stattfinden darf.“ Für die teilnehmenden Gruppen wird es Workshops geben, etwa zu den Themen Improvisation, Bühnenkampf oder Zaubern.
Theatertage am See
- Die 37. Theatertage am See finden vom 21. bis 26. Juni im Kulturhaus Caserne statt. Vom 21. bis 24. Juni gehören die Bühnen den Jugend- und Schultheatertagen Baden-Württemberg (JUST-BW), vom 24. bis 26. Juni präsentieren sich Amateurtheatergruppen. Neun Produktionen aus Schulen und Jugendtheatergruppen und elf Theaterstücke des Amateurtheaters kommen auf die Bühne.
- Ticketreservierungen im Internet unter kartenservice@theatertageamsee.de oder unter Tel. 0 75 41/92 16 33, ab 21. Juni unter Tel. 01 79/4 50 70 17. Dauerkartenbesitzer können an der Wahl zum Publikumspreis teilnehmen.
- Lehrer, die an Schulen oder in Spielclubs als Spielleiter tätig sind oder werden wollen, können sich zum Workshop „Ausführungsanalyse und Formate konstruktiven Feedbacks“ anmelden, Anmeldung unter www.lvts-bw.de. http://www.theatertageamsee.de