Sparen, sparen – und Gebühren erhöhen: Mit diesem Dreiklang beschloss der Gemeinderat Friedrichshafen Ende März einen Haushalt „an der Grenze der Leistungsfähigkeit“, ließ die Stadtspitze verlauten. ‚Wir müssen enttäuschen. Wir muten zu‘, gestand Oberbürgermeister Simon Blümcke ein, vor allem mit Blick auf die Zeppelin-Stiftung. Kitas, Bäder, Musik- und Volkshochschule kosten die Nutzer deutlich mehr. Zeppelin-Uni, Kulturhaus Caserne oder Klinikum bekommen weniger Zuschüsse. Der Tenor im Rat war einhellig: Anders geht‘s nicht. Wirklich?

84 Millionen Euro zwingend nötig

Nur für die laufenden Ausgaben der Zeppelin-Stiftung – da ist noch kein Euro investiert – braucht das Rathaus in diesem Jahr 84 Millionen Euro aus den Dividenden der Stiftungsbetriebe. Was fehlt, geht zu Lasten der Rücklage. „Damit gehen wir aber an die Substanz der Stiftung. Aber auch hier gibt es Grenzen“, ließ sich OB Blümcke in einer Pressemitteilung des Rathauses zitieren. Deshalb müsse man jetzt „zwingend gegensteuern“. Denn seit drei Jahren in Folge schütten die Stiftungskonzerne weit unter 84 Millionen Euro aus.

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Dabei hatte der Gemeinderat 2017 beschlossen, dass allein ZF künftig 85 Millionen Euro pro Jahr überweisen muss. Knapp 80 Millionen an die Zeppelin-Stiftung, den Rest an die Ulderup-Stiftung, dem zweiten Gesellschafter, der 6,2 Prozent der ZF-Anteile hält.

Ein anderer Beschluss als kommuniziert

Allerdings wurde dieser nicht-öffentlich gefasste Beschluss so nie kommuniziert. Es hieß nur, dass die drei Stiftungsunternehmen – ZF, Zeppelin GmbH und Luftschiffbau Zeppelin GmbH – künftig 18 Prozent ihres Gewinns nach Steuern als Dividende zahlen müssen. Bis dahin überwies ZF den fixen Betrag von 50 Millionen Euro jährlich, egal wie die Geschäfte liefen.

Das Rathaus in Friedrichshafen.
Das Rathaus in Friedrichshafen. | Bild: Cuko, Katy

Ein Gewinn von rund einer Milliarde Euro, den ZF in den Geschäftsjahren 2015 und 2016 jeweils erwirtschaftet hatte, weckte Begehrlichkeiten im Rathaus. Die Stiftungsunternehmen hätten sich hervorragend entwickelt, seien robust und könnten so dazu beitragen, das Stiftungsvermögen nachhaltig zu vermehren, erklärte der damalige OB Andreas Brand die neue Dividendenpolitik.

Dass ZF ab 2017 statt 50 nun mindestens 85 Millionen Euro jährlich in die Stiftungskasse zahlen muss, verschwieg Brand. Die Botschaft war eine andere: Ist der Gewinn nach Steuern höher, geht der Differenzbetrag vorzugsweise aufs Konto der 2016 neu gegründeten Ferdinand gGmbH, quasi dem Sparschwein der Zeppelin-Stiftung.

Bild 2: Vorbei mit dem Wunschdenken: Durststrecke in der Stiftungskasse durch sinkende Erträge bei ZF
Bild: Schönlein, Ute

In den ersten Jahren rollte der Rubel. Bis 2019 überwies die Stiftung 150 Millionen Euro. In den vergangenen fünf Jahren kam nur 2022 eine weitere Dotation von 20 Millionen Euro hinzu. Laut Rathaus lag das Eigenkapital der Ferdinand gGmbH Ende 2024 bei 173,5 Millionen Euro.

Sparziel von einer Milliarde Euro bleibt

Dieses Sparschwein will die Stadt auch in der jetzigen Finanzkrise nicht antasten. Die Ferdinand gGmbH sei „nicht als städtische Haushaltsreserve“ gegründet worden, sondern ein Unternehmen der Stiftung, so das Rathaus. Mehr noch: „Das Ziel, innerhalb von zehn Jahren einen Kapitalstock in Höhe von einer Milliarde Euro aufzubauen, wurde lange Zeit vor der Corona-Pandemie formuliert. Auch wenn sich der Zeithorizont zwischenzeitlich verschoben hat, halten wir unverändert an diesem Ziel fest.“

Der damalige OB Andreas Brand 2017 mit einem Sparschwein. Fortan sollte ein Teil der Dividende von ZF in die Ferdinand gGmbH fließen. Archiv
Der damalige OB Andreas Brand 2017 mit einem Sparschwein. Fortan sollte ein Teil der Dividende von ZF in die Ferdinand gGmbH fließen. Archiv | Bild: Mommsen, Kerstin

Bleibt die Frage: Warum hat ZF seit Einführung der neuen Dividendenregel in fünf Geschäftsjahren eben nicht die damals festgelegten 85 Millionen Euro pro Jahr gezahlt? Und wer entscheidet das überhaupt? Auf Nachfrage erklärt das Rathaus, dass dieser Betrag als „Dividendenerwartung“ zu verstehen sei. „Etwas anderes kann der Gemeinderat auch nicht beschließen“, so eine Sprecherin. Der Rat könne keine direkten Weisungen an die Unternehmen erteilen. „Eigentümer und Unternehmen bleiben über die jeweilige Dividendenfähigkeit unabhängig vom damaligen Grundsatzbeschluss und mit Blick auf die aktuelle Lage im Austausch.“

Gemeinderat unterläuft seinen Beschluss

Tatsächlich läuft es so ab: Der Gemeinderat wird im Frühjahr in einer nicht-öffentlichen Sitzung über die ZF-Bilanz des Vorjahres informiert. Hier wird nach Aussagen aus informierten Kreisen auch vermittelt, was ZF zu zahlen bereit oder imstande wäre. Der Rat beschließt die konkrete Höhe der Dividende und beauftragt den OB, diese Summe in der Hauptversammlung durchzusetzen. Hier vertritt aktuell Simon Blümcke allein den Gesellschafter Stadt. Mit am Tisch sitzt nur noch ein Vertreter des anderen Eigentümers, also der Ulderup-Stiftung.

Dividenden-Erwartung drei Jahre in Folge nicht erfüllt

Diese Dividendenpolitik auf Zuruf spiegelt sich in den Summen, die ZF, aber auch Zeppelin GmbH und LZ, seit 2019 zahlt. Und erklärt, warum in den vergangenen drei Jahren, in denen sich die Probleme im Stiftungskonzern immer mehr verdichten, jeweils nur 41 Millionen Euro an die beiden Eigentümer ausgeschüttet wurden. Nicht 85 Millionen und auch nicht 18 Prozent vom Gewinn nach Steuern.

„Wie sich die Dividendenfähigkeit der Unternehmen in Zukunft darstellt, muss also auch in der Zukunft betrachtet werden. Auch die Frage, ...
„Wie sich die Dividendenfähigkeit der Unternehmen in Zukunft darstellt, muss also auch in der Zukunft betrachtet werden. Auch die Frage, ob sich an der Systematik der Dividende etwas ändern soll, kann Teil der Überlegungen sein“, sagt OB Simon Blümcke. | Bild: Simon Conrads

Wäre es dann nicht ehrlicher, den Beschluss von 2017 so abzuändern, dass er der gelebten Praxis entspricht? In welcher Höhe die Stiftungsunternehmen künftig Dividenden zahlen können, müsse auch in der Zukunft betrachtet werden. „Auch die Frage, ob sich an der Systematik der Dividende etwas ändern soll, kann Teil der Überlegungen sein“, sagt OB Simon Blümcke dazu.