Der Schritt vor die Medien dürfte dem ZF-Vorstandschef am Donnerstagvormittag schwergefallen sein. 80 Pressevertreter verfolgen die Präsentation der Zahlen für 2024, die Holger Klein im ZF-Forum online vorstellt. Dem Autozulieferer geht es alles andere als gut. ZF schreibt ein Minus von rund einer Milliarde Euro und muss sich neu ausrichten. Dafür musste der Konzern im vergangenen Jahr sogar wieder neue Schulden machen, die jetzt auf 10,5 Milliarden Euro beziffert werden.

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Die Kernzahlen zeigen, wie schwierig das Geschäft geworden ist. Bei einem Umsatz von 41,4 Milliarden Euro bleibt für 2024 ein operativer Gewinn von 1,5 Milliarden Euro übrig, 900 Millionen Euro weniger als im Vorjahr. Durch hohe Rückstellungen für den Konzernumbau (600 Millionen Euro) und enorme Zinszahlungen (knapp 800 Millionen Euro) landet ZF bei einem Verlust von rund einer Milliarde Euro netto. 2023 hatte ZF unterm Strich noch einen Gewinn von 126 Millionen Euro ausgewiesen.

Viel Umsatz, kaum Gewinn

Ein Vergleich mit dem Konzernergebnis von 2016 zeigt, dass ZF auch angesichts enormer Kosten mit seinen Produkten derzeit viel zu wenig Geld verdient. „Wir brauchen eine höhere Produktivität“, sagt Holger Klein. Zum Vergleich: Damals stieg ein Jahr nach der Übernahme von TRW der Umsatz auf 35 Milliarden Euro. Vom operativen Gewinn von 2,2 Milliarden Euro blieb nach Steuern ein Plus von knapp einer Milliarde Euro stehen.

Holger Klein, Vorstandsvorsitzender der ZF Friedrichshafen AG, gab die Zahlen für 2024 bekannt.
Holger Klein, Vorstandsvorsitzender der ZF Friedrichshafen AG, gab die Zahlen für 2024 bekannt. | Bild: Felix Kästle

Es waren die goldenen Jahre von ZF, die den Haupteigentümer zu einer folgenreichen Entscheidung veranlassten. Knapp 94 Prozent der ZF-Aktien sind im Besitz der Zeppelin-Stiftung, die die Stadt Friedrichshafen ihr Eigen nennt. Bis 2016 zahlte der Konzern jedes Jahr die gleiche Dividende, egal, wie gut oder schlecht die Geschäfte liefen. Zuletzt waren das 50 Millionen Euro per anno. Im Oktober 2017 entschied der Gemeinderat jedoch, die Ausschüttung künftig am Geschäftserfolg zu bemessen. 18 Prozent vom Gewinn nach Steuern sollten die Stiftungsunternehmen fortan überweisen.

Schon für 2017 zahlte ZF eine Dividende von 183 Millionen Euro, für das Folgejahr 152 Millionen Euro. Enorme Beträge, von denen ein großer Teil der neu gegründeten Ferdinand gGmbH, quasi dem Sparschwein der Zeppelin-Stiftung, zugeführt wurde. Hier wollte die Stadt binnen zehn Jahren ein Vermögenspolster von sage und schreibe einer Milliarde Euro aufbauen, wie der damalige Oberbürgermeister Andreas Brand selbstbewusst verkündet hatte.

Stadt bleibt 2020 erstmals auf hohen Kosten sitzen

Dass dieses Konstrukt für die beiden Eigentümer – 6,2 Prozent der ZF-Aktien gehören der Ulderup-Stiftung – auch Risiken birgt, hatten OB Brand und die Entscheider im Stiftungsrat damals offensichtlich nicht auf dem Schirm. Als ZF im Geschäftsjahr 2020 erstmals seit der Ratsentscheidung ein negatives Ergebnis und ergo keinen Gewinn vermelden musste, gab es auch erstmals keine Dividende von ZF. Die Stadt blieb auf ihren hohen Betriebskosten von rund 85 Millionen Euro für Kitas und Bäder, Museen und Zeppelin-Uni quasi sitzen. Dank hoher Rücklagen im dreistelligen Millionenbereich saß man diese zunächst kurze Flaute auch aus. 2021 spülte ZF schon wieder 111 Millionen Euro in die Kasse.

Bild 2: Über 1 Mrd. Euro Verlust bei ZF – und trotzdem 41 Millionen Euro Dividende an Aktionäre
Bild: Stefanie Kerstan

Doch seit drei Jahren ist nun Schluss mit dieser Dividenden-Arithmetik. Seit 2022 verdient ZF unterm Strich so wenig oder – wie 2024 – gar nichts, dass die Dividende nicht mal für die laufenden Ausgaben der Zeppelin-Stiftung reicht. Ein Beispiel: 2023 erzielte ZF einen Gewinn nach Steuern von 126 Millionen Euro. Damit wäre eine Dividende von 22,7 Millionen Euro fällig gewesen. Tatsächlich überwies ZF 38,3 Millionen Euro allein an die Stadt, also knapp 16 Millionen Euro mehr, als der Konzern nach den Regeln der Gewinnbeteiligung hätte abdrücken müssen. 2,5 Millionen Euro erhielt die Ulderup-Stiftung.

Der damalige Oberbürgermeister Andreas Brand 2017 mit einem Sparschwein in seinem Büro. Ein Teil der Dividende von ZF sollte fortan in ...
Der damalige Oberbürgermeister Andreas Brand 2017 mit einem Sparschwein in seinem Büro. Ein Teil der Dividende von ZF sollte fortan in die Ferdinand gGmbH fließen. (Archiv) | Bild: Mommsen, Kerstin

Genau die gleichen Summen wurden 2022 an die Eigner gezahlt. Und auch für 2024 weist ZF mit insgesamt rund 41 Millionen Euro exakt die gleiche Dividende aus, obwohl jetzt unterm Strich sogar ein Verlust von einer Milliarde Euro steht. Wie geht das, wenn der Gemeinderat eine fixe Gewinnausschüttung von 18 Prozent festgelegt hat?

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Dividende wird „beschlossen“

Die Antwort aus dem Rathaus weicht von der bisher kommunizierten Linie ab. Ja, 2017 habe der Gemeinderat in nichtöffentlicher Sitzung „im Grundsatz eine Umstellung der Dividendensystematik auf 18 Prozent vom Gewinn nach Steuern beschlossen“, antwortet die Pressestelle auf Anfrage. Aber: „Dabei wurde auch eine Erwartung der Gesellschafter über die zukünftige Dividendenhöhe formuliert.“

Mit anderen Worten: Seither erwartet die Stadt einen Betrag X quasi als Mindestrendite von ihren Unternehmen, auch wenn die Geschäfte schlecht laufen. Wie hoch die tatsächliche Dividende ausfällt, werde jährlich in der Hauptversammlung beschlossen. „Dabei wird die wirtschaftliche Situation des Unternehmens berücksichtigt.“ Angesichts dieser Argumentation bleibt nur der Schluss, dass aktuell aus Sicht der Stadt eine Dividende von 41 Millionen Euro bei einem Verlust von einer Milliarde Euro wohl nicht mehr so sehr ins Gewicht fällt.

Keine Erfolgsbeteiligung für ZF-Mitarbeiter

Von dieser Systematik haben die ZF-Mitarbeiter allerdings nichts. Wie Holger Klein auf Anfrage erklärte, gibt es für das Geschäftsjahr 2024 keine Erfolgsbeteiligung für die Beschäftigten wie sonst üblich. Das treffe auch für das Management zu – je nach Erfolg oder Misserfolg in der jeweiligen Division.

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