Der riesige Bagger ist da. Er beseitigt das letzte Stückchen des ehemaligen Hotels „Scharfes Eck“ unterhalb der Kirche in Hagnau. Und wieder kracht es. Wieder fällt eine Wand und wird zu Schutt. Das mehr als 1000 Quadratmeter große Grundstück neben dem Winzerverein Hagnau ist mittlerweile buchstäblich dem Erdboden gleich gemacht.
Winzerverein platzt aus allen Nähten
Der Grund liegt auf der Hand: Zum einen haben die Betreiber keinen adäquaten Nachfolger gefunden und zum anderen platzt der Winzerverein Hagnau aus allen Nähten und plant schon seit zwei Jahren eine Erweiterung. „Die ersten Pläne wurden bereits Anfang 2018 angefertigt“, berichtet Tobias Keck, Geschäftsführer des Winzervereins. „Nun haben wir Anfang Februar mit der Erweiterung baulich begonnen.“
Einzige Arbeit auf der Baustelle war bislang, die Gebäude auf dem Grundstück abzureißen. Das, was in den nächsten zweieinhalb Jahren an derselben Stelle entstehen soll, ist gleichzusetzen mit der Zukunftssicherung der Hagnauer Weinproduktion. „Wir sind in den vergangenen Jahren von 120 auf 170 Hektar Rebfläche gewachsen“, erklärt Tobias Keck. „Deshalb ist eine Erweiterung der Kellerwirtschaft absolut überfällig.“ Allein im vergangenen Jahr wurden zusätzliche Tanks mit einem Volumen von 300.000 Litern angeschafft.
Neue Annahmestelle für Trauben vorgesehen
Der Umbau liefere den Winzern eine neue Traubenannahme, eine deutlich gesteigerte Lagerfläche und eine optimierte Vertriebsmöglichkeit, erklärt der Geschäftsführer. Außerdem solle sich der Neubau perfekt in das Ortsbild eingliedern. „Die zwei neuen Gebäude werden im Stil der bereits bestehenden gebaut“, erklärt Tobias Keck. Damit werde zusammen mit dem Kirchplatz, der neu gestaltet wird, ein Gesamtbild geschaffen. Das komplette Projekt wird mindestens 5 Millionen Euro kosten.
Grabungen bis an das bestehende Haus
Ein elementarer Teil der Erweiterung ist ein neuer Keller, der im nächsten Schritt ausgehoben wird. Die Herausforderung dabei ist, dass er an das bisherige Vertriebsgebäude angedockt wird. Somit wird es Grabungen bis direkt an das bestehende Haus geben. Letztlich sollen 1400 Quadratmeter zusätzliche Lagerfläche entstehen. Somit sind dann zwei Gebäude unterkellert. Außerdem entsteht ein Tunnel zum jetzigen Weinkeller, der deshalb wichtig ist, weil eine neue Traubenannahme entstehen wird.

Dies ist die logistisch größte Veränderung, die laut des Geschäftsführers dringend notwendig ist. „Allein der Sicherheitsaspekt zwingt uns dazu“, betont Tobias Keck. Die Winzer werden voraussichtlich ab 2022 ihre Trauben dann in einem zweiten Gebäude abliefern, das auf dem neuen Gelände entsteht. Die bisherige Annahme wird jedes Jahr neu aufgebaut. Die neue Stelle kann das ganze Jahr über stehen bleiben und ist ganz nebenbei deutlich leistungsfähiger.
Das kleinere Gebäude wird zweistöckig und erhält ein begrüntes Flachdach. Etwa die Hälfte des Raumes umfasst die Annahme mit Transportanlage, Oechslemesser, Waage, Abbeermaschine und Pressen. In der anderen Hälfte werden Tanks stehen. Auch bei diesem Gebäude wurde architektonisch darauf geachtet, dass es sich in das bestehende Ensemble mit dem ehemaligen Pfarrhaus anpasst. „Wir waren hier sogar im regelmäßigen Austausch mit der Denkmalschutz-Behörde“, sagt Tobias Keck.
Winzerverein braucht mehr Vertriebsfläche
Ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Zukunftssicherung sei das neue dreistöckige Vertriebsgebäude, das liebevoll Winzerhaus genannt wird. Die Lagerfläche des Vertriebes platzt ebenfalls aus allen Nähten. „Wir arbeiten mittlerweile quasi auf drei Stockwerken“, erklärt der Geschäftsführer. „Das wird mit dem neuen Gebäude wieder viel einfacher werden.“
Publikumsverkauf wird etwas größer
Der Publikumsverkauf bleibt da, wo er jetzt ist, wird allerdings etwas größer. Der Weinversand habe in den vergangenen Jahren rasant zugenommen. Dieser werde dann im neuen Gebäude abgewickelt. Die Weinlagerung und Abfüllung bleibe bestehen. „Durch die Verlegung der Traubenannahme haben wir im alten Lager noch einmal deutlich mehr Platz.“
Abriss soll bis Ende März abgeschlossen sein
Die ersten Planungen und Zeichnungen fertigte die Architektin bereits Anfang 2018 an. Fast genau zwei Jahre später, am 1. Februar 2020, rückte dann der Bagger an, der den Auftakt der Umsetzung markierte. Bis Ende März soll der Abriss der Gebäude auf dem Grundstück abgeschlossen sein. Dann geht es zügig an den Kelleraushub. „Wir hoffen, dass wir im September die Kellerdecke draufhaben“, sagt Tobias Keck. „Dann geht es so zügig wie möglich weiter.“ Wenn alles planmäßig läuft, stehen die Gebäude im September 2021. Dann geht es an den Innenausbau.
Trotz Modernisierung „keine Industrielese“
„Die Pläne versprechen jedenfalls eine Aufwertung des Areals“, betont der Geschäftsführer. „Wir werden dementsprechend auch die Außenanlagen gestalten.“ Vor dem Traubenannahmegebäude könnten sogar neue Parkmöglichkeiten entstehen. Auch wenn sich der Winzerverein Hagnau für die Zukunft neu organisiert und modernisiert, werde in Sachen Weinanbau alles beim Alten bleiben, wie Tobias Keck betont: „Wir werden sicherlich keine Industrielese einführen. Bei uns wird immer noch von Hand gelesen.“