Geadelt hat ihn einst, im Jahr 1990, die Gourmet-Zeitschrift „Feinschmecker“. Sie nannte Heiner Renn den „König der Destillateure“. Damals hatte der Obstbaumeister aus Hagnau gegen die Konkurrenz der italienischen Grappamacher und französischen Marc-Destillateure den weltweit besten Tresterbrand abgeliefert. Heiner Renn war als erster Brenner am Bodensee auf die Idee gekommen, die Pressrückstände aus der Weinkelter zu veredeln. Nach diesem Ritterschlag durch die Fachpresse machten die Destillate aus dem Hagnauer Burgunderhof eine lange Karriere durch die Spitzengastronomie bis ins legendäre Berliner Hotel „Adlon“ und in die bekannteste aller Schickeriabars, die „Sansibar“ auf Sylt. Solcherlei Erfolge, die der wortgewaltige Alemanne auch zu vermarkten verstand, brachten dem Destillateur nicht nur Anerkennung, sondern auch Neid.
Auch weil Heiner Renn für seine Produkte ein Vielfaches der Preise verlangte und bekam, mit denen die anderen Schnapsbrenner ihre Flaschen etikettierten. Weil den gebildeten Bauern ein feiner Humor auszeichnete, erklärte er seine Preisgestaltung verschmitzt mit einem Dichterwort: „Mein Motto stammt von Wilhelm Busch: Bei genauerer Betrachtung steigt mit dem Preis wohl auch die Achtung.“

Heiner Renn, das Hagnauer Original, der Öko-Pionier und Hotelier, dessen feine Herberge auch gerne von Prominenten frequentiert wurde, ist tot. Er starb am Freitag, 26. Juli. Die Beerdigung wird im engsten Familienkreise sein.
Grundstückstausch mit dem Staatsweingut
Er war gerade 25 Jahre jung geworden und hatte seinen Abschluss als Obstbaumeister, da suchte Heiner Renn nach neuen Strukturen für den elterlichen Betrieb, der damals noch unten im Dorf lag und auf Ackerbau und Viehzucht ausgerichtet war. Ein Glücksfall war, dass das Staatsweingut Meersburg damals sein Rebgelände unten am See zusammenfassen wollte und einen Grundstückstausch vorschlug. Wo heute der Burgunderhof in Traumlage hoch über Hagnau thront, gab es damals einen Kartoffelacker mit ein paar Kirschbäumen. Im November 1977 begannen Heiner Renn und seine damals erst 19-jährige Frau Andrea mit der Umsetzung ihrer Vorstellung von „Ferien auf dem Lande“.
Dabei waren Renns kompromisslos: Schon beim ersten Bau planten sie alle Fremdenzimmer konsequent mit Bädern. Andere Hagnauer aus dem Tourismus rieten dem jungen Paar zu Etagenbädern, sonst müssten sie ja zu viel putzen. Fünf, sechs Jahre später folgten die Besserwisser und bauten auch um, weil sich Zimmer ohne Bad nicht mehr vermieten ließen. Dass der Heiner, der doch einer von ihnen war, immer alles anders machte und meistens Recht behielt, schürte die Missgunst.
Die Sünde: Der Austritt aus dem Winzerverein
Allgemeines Kopfschütteln brachte den Renns wieder mal ein, als sie Anfang der 1990er-Jahre die Produktion umstellten und aus dem Burgunderhof das erste ökologisch arbeitende Weingut am Bodensee machten. Weil die Winzergenossenschaft ihre Trauben habe nicht separat ausbauen wollen, tat Heiner Renn etwas, das in Hagnau als die schwerste aller Sünden gilt: Er trat aus dem Winzerverein aus. Wollte Sohn Daniel doch in den Betrieb einsteigen, der Weinbau-Studienplatz in Geisenheim war schon sicher. Doch das Schicksal ergriff die Familie. 1998 starb Daniel bei einem Verkehrsunfall. Bis heute erinnert die von der Familie ins Leben gerufene Daniel-Renn-Stiftung an ihn. Sie fördert junge Menschen, die Praktika im Weinbau machen. International wurden bis heute über 50 Stipendien vergeben.
Mit der Hilfe einiger Freunde aus dem Kreis der Bodenseewinzer brachte sich Heiner Renn das Weinmachen selber bei. Erfolgreich: Die Bio-Weine wurden mehrfach mit Goldmedaillen prämiert. 2023 kürte der „Feinschmecker“ den Burgunderhof zu einem der besten 500 Weingütern in Deutschland. Den ökologischen Weg beschritten Renns konsequent weiter. Der biozertifizierte Betrieb wurde zuerst klimaneutral und dann klimapositiv. Seit 2012 zählt das Hotel offiziell zum Kreis der Bio-Hotels.

„Ich bin der Urenkel von Pfarrer Hansjakob“
Stichwort Hansjakob: Der Dichterpfarrer gründete den Hagnauer Winzerverein 1881, damit war er der erste in Baden, und dafür genießt Hansjakob im Winzerdorf Heldenverehrung. Als Heiner Renn dann 2011 mit der Behauptung an die Öffentlichkeit ging, er sei der Urenkel des katholischen Dorfpfarrers, brachte das die Hagnauer Seele vollends zum Kochen. Tatsächlich hatte der Geistliche – von der Forschung bestätigt – mehrere Kinder und viele Fakten sprachen dafür, dass Heiner Renns Urgroßmutter am 7. Oktober 1878 ein Kind Hansjakobs zur Welt brachte.
Heiner Renns Urgroßmutter nahm das Geheimnis, wer der Vater ihres Kindes ist, mit ins Grab. Im Dorf war Franziska Zimmermann als „die Hur“ verschrien. Nicht zuletzt deshalb habe mit seiner Enthüllung daran erinnern wollen, dass der Pfarrer eben auch Leid über junge Frauen und Hagnauer Winzerfamilien gebracht habe, erklärte Heiner Renn damals.
Und dann auch noch ein „Dorfheiliger“ von Peter Lenk
Kaum zwei Jahre später setzte Heiner Renn hinter die Geschichte seiner Herkunft noch ein Ausrufezeichen: Er beauftragte den Bodmaner Bildhauer Peter Lenk, eine Plastik Hansjakobs zu schaffen. So steht seit 2014 auf dem Burgunderhof der „Dorfheilige“, eine satirische Darstellung Hansjakobs mit einem Heiligenschein aus „Seelenteufeln“, von denen der Pfarrer mit Zölibatsproblem selbst schrieb und mit denen er ziemlich sicher seine unehelichen Kinder gemeint hatte.


Schwere Zeiten und Krebserkrankung
Die letzten Jahre hielten für den immer so lebensfrohen Heiner Renn zusehends Herausforderungen bereit. Konflikte mit der Bürokratie und eine Krebserkrankung mit langen Krankenhausaufenthalten belasteten ihn.
Seinen 75. Geburtstag, den er am 12. Februar kommenden Jahres hätte feiern können, erlebt Heiner Renn nicht mehr. Ebenso wenig die Goldene Hochzeit mit seiner Frau Andrea, die 2026 wäre. Dass das 50-jährige Betriebsjubiläum stattfindet, das 2025 ansteht, dafür will Tochter Julica sorgen. Mit aller Kraft: „Das ist mein Ziel, das, was Papa aufgebaut hat, zu erhalten: seinen Burgunderhof.“