Dave Leins kniet gemeinsam mit Pascal Nufer, dem ehemaligen Chinakorrespondenten des Schweizer Fernsehens, auf dem Boden irgendwo in Taiwan. Vor und hinter ihm tun es ihm die Menschen gleich – tausende davon. Sie alle sind sichtlich aufgeregt. Es ertönt fernöstliche Musik, ab und an fliegt ein Feuerwerkskörper krachend in die Höhe.
Dann geht alles ganz schnell: Sicherheitsmänner bitten die Menge hektisch, sich in Zweierpärchen zur Erde hinunter zu beugen. Die Musik wird lauter und immer näher kommt eine Art Schrein, getragen von Gläubigen mit geschundenen Füßen. Er wird über die auf der Erde kauernde Menge hinweg getragen. Dann ist der Moment vorbei.
Was Dave Leins und Pascal Nufer erlebten, war Teil einer Mazu-Wallfahrt. Die daoistische Göttin Mazu gilt in weiten Teilen Chinas und darüber hinaus als Schutzgöttin der Fischer und Seeleute. Während einer Wallfahrt unter ihrer Statue knien zu dürfen, gilt für Gläubige als segensreich.
Das etwas andere China
Doch was klingt wie eine spannende Reiseerfahrung, war für Dave Leins und Pascal Nufer mehr als das. Es war der Versuch, das etwas andere China zu zeigen. Denn: Dieses Erlebnis ist Teil von Dave Leins' Film „Wahrsagerei und wohin sie mich führte“. Er ist der Auftakt einer vierteiligen Fernseh-Reisedokumentationsreihe zum Thema „Mein anderes China“.

Leins' Verbundenheit zu Heiligenberg
Dave Leins lebt mit seiner Familie in Konstanz, weil er von dort aus sowohl zu seiner Arbeit nach Zürich, als auch in seine eigentliche Heimat pendeln kann: Heiligenberg. Dort aufgewachsen, sind seine Verbindungen zu der kleinen Berggemeinde bis heute nie abgerissen.
„Meine Mutter und meine Schwiegereltern leben dort und ich bin in Heiligenberg auch noch in diversen Vereinen tätig“, erzählt er. „Für mich hätte es keinen schöneren Ort geben können, um aufzuwachsen“, fügt er hinzu. Dass Leins' Verbundenheit zu Heiligenberg sehr groß ist, zeigt sich auch dran, dass er für sein Regie-Debut Heiligenberg als Drehort wählte.
Hat er davor lediglich Filme für andere Regisseure geschnitten, war ein Film über das Coming out eines Heiligenberger Fastnachtsnarren sein erster eigener Film, den er nicht nur schnitt, sondern auch die Idee entwickelte und umsetzte.
Wieso Leins Regisseur werden wollte
Schon während der Schulzeit habe der heute 40-Jährige seine Liebe für den Film entdeckt. Dass er einmal selbst Filme produzieren würde, konnte er sich jedoch damals noch nicht vorstellen. Erst als ein Freund einen Kurzfilm gedreht habe, bei dem er mitgewirkt habe, sei die Vorstellung konkreter geworden. „Damals habe ich herausgefunden, dass mir das Schneiden von Filmen sehr viel Spaß macht. Gleichzeitig war ich im Jobcenter und der Computer dort schlug vor, dass ich Regisseur werden soll“, erinnert er sich. Und dieses Ziel habe er fortan verfolgt.
Um sich Allgemeinwissen anzueignen, habe er in Konstanz ein Studium der Medien- und Politikwissenschaften sowie der Soziologie begonnen. Den Plan, das Studium abzuschließen, hatte er nicht.
Denn schon während des Studiums absolvierte er Praktika, um in der Medienbranche Fuß zu fassen. Das gelang ihm auch. Denn noch vor Abschluss des Studiums engagierte ihn eine Kölner Filmproduktionsfirma als Cutter (Filmeschneider). Leins: „Ich hätte das auch bis zu meinem Lebensende weiter gemacht.“ Wäre da nicht der Zufall eingeschritten.
Wie es der Zufall will
Denn beim Schweizer Fernsehen wollte er sich eigentlich als freiberuflicher Cutter bewerben und bekam prompt eine Festanstellung als Redakteur, der Filme nicht nur schneidet, sondern auch entwickelt. Der Grund: Sein Film aus Heiligenberg. Und so sollte dieser nicht sein letzter Film bleiben. Filme über die Sioux in den USA und die Nomaden in Sibirien hat er schon produziert. Es folgte der Film über die Wahrsagerei in China.
Besuch bei 15 Wahrsagern
Insgesamt rund 15 Wahrsager hat das Team dafür besucht. Im Film selbst zu sehen ist nur ein Bruchteil davon. Das sei aber normal. Immer gebe es mehr Material, als schließlich im Film zu sehen sei. Was Leins am meisten wunderte: „In China ist Wahrsager ein anerkannter Beruf. Da schaut dich keiner schief an, wenn du sagst, du bist Wahrsager.“
Trotzdem ist er von den meisten Wahrsagern in China enttäuscht. „In der Volksrepublik China geht es bei der Wahrsagerei sehr viel um Geld. Das ist eher eine Art Lebensberatung, als ein traditionelles Ritual“, zieht er Bilanz. Und trotzdem würden dort mehr als 360 Millionen Chinesen zum Wahrsager gehen. Dennoch konnte das Team etwas Gutes aus dem Dreh ziehen. Denn: Hieraus sind die anderen drei Teile entstanden. „Manche Wahrsager haben echt gute Ratschläge gegeben. In den anderen drei Teilen der Filmreihe versucht Pascal Nufer, diese Ratschläge umzusetzen“, so Leins.
Tradition in Taiwan
Im Gegensatz zu China, sei in Taiwan alles noch viel traditioneller. Und das wird auch in dem Film deutlich. Nicht ohne Grund war für Leins das Eindrücklichste an der Filmreise die Mazu-Wallfahrt. Dabei sei er gemeinsam mit seinem Team nur durch Zufall darauf gestoßen. Eigentlich hätten sie lediglich einen Tempel besuchen wollen, dort dann aber von der Wallfahrt erfahren. Nicht nur das Ritual, das bei der Wallfahrt durchlaufen wird, sei etwas ganz Besonderes gewesen, sondern auch die Menschen. „Die Taiwanesen waren wirklich herzlich. Viele haben Essen verteilt. Obwohl wir fast zehn Stunden warten mussten, war die Stimmung echt gut“, erinnert er sich.

Am kommenden Montag, 27. April, um 20.15 Uhr soll der Film mit dem Titel „Mein anderes China – Wahrsagerei und wohin sie mich führte“ nun bei 3sat ausgestrahlt werden. Den Sendetermin verpassen will Leins nicht. Gemeinsam mit seiner Frau und seiner Tochter wird er diesen Abend vor dem Fernseher verbringen. „Ich schaue gerne, wie der Film im Fernsehen wirkt“, verrät er. Außerdem legt er großen Wert auf die Meinung seiner Frau. Obwohl Leins Regie führt, ist er in seinen Filmen auch oft selbst zu sehen. Er selbst findet das lustig. Für seine Tochter sei das allerdings ganz normal.

Obwohl Leins seinen Job liebt, hat er immer noch einen Traum: Einmal einen eigenen Film auf der Kinoleinwand zu sehen. Denn als junger Cutter habe er einen Film geschnitten, der in einem Kino in Konstanz lief. „Während des Studiums habe ich dort gearbeitet. Ich war stolz, dort nun hineinzulaufen und einen Film zu schauen, den ich geschnitten hatte. Das war cool“, verrät er. Noch Größer wäre es für ihn, einen eigenen Film auf der Kinoleinwand sehen zu können. Bis dahin freut er sich jedoch auf noch viele spannende Reisen in andere Länder. Nach den USA, Sibirien und China würde er sich freuen, wenn ihn die nächste Filmreise nach Südamerika führt.