„Tiny Houses – alter Hut in Immenstaad“: So lautete der Betreff einer E-Mail an die Redaktion. Ein Leser wies darauf hin, dass es in der Region schon lange die Gebäude gibt, über deren Sinn und Zweck immer wieder debattiert wird: Angesichts hoher Immobilienpreise und Flächenknappheit scheinen sie eine Alternative zum traditionellen Einfamilienhaus zu sein. Und tatsächlich: Im Ferienwohnpark Immenstaad stehen 59 sehr kleine Exemplare. Die Frage: Sind das „richtige“ Tinyhäuser? Um das herauszufinden, haben wir Jochen Kirchhoff, Geschäftsführer und Inhaber des Parks, einen Besuch abgestattet.

Besuch im Regen

An diesem Mittwochnachmittag bleiben viele Menschen wohl lieber im Trockenen. In Immenstaad schüttet es wie aus Kübeln. Jochen Kirchhoff ist dennoch beschäftigt. In kurzen Hosen und Flip-Flops kniet er im modernen Empfang des Parks auf dem grauen Boden neben der Rezeption. Eine Frau, Feriengast in der Anlage, benötigt gerade Hilfe bei der Reparatur eines Kinderfahrrads. Aber es braucht mehr Werkzeug, um das Gefährt wieder in Gang zu bringen. „Der Hausmeister kümmert sich darum“, verspricht ihr Kirchhoff. Dann steht er auf, begrüßt den Besuch und führt in ein kleines Besprechungszimmer hinter dem Empfang.

Jochen Kirchhoff und sein Team stehen den Gästen mit Rat und Tat zur Seite.
Jochen Kirchhoff und sein Team stehen den Gästen mit Rat und Tat zur Seite. | Bild: Benjamin Schmidt
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Stimmt es also? Sind Tinyhäuser in Immenstaad ein alter Hut? Kirchhof nimmt einen Schluck aus der Kaffeetasse, die vor ihm steht, und denkt kurz nach. „Hm. Ein klares Jein“, sagt der dann und führt aus: „Tinyhäuser zu Urlaubszwecken gibt es tatsächlich schon lange.“ Im Falle des Ferienwohnparks in Immenstaad fand die Grundsteinlegung Kirchhoff zufolge im Jahr 1972 statt – vor über 50 Jahren also. „Die Nachfrage war groß, während der Bauphase wurde daher immer wieder umgeplant.“ Letztlich entstanden auf dem 70 Hektar großen Areal 168 Ferienhäuser sowie vier Apartmenthäuser mit insgesamt 140 Wohnungen.

Was ist neu?

Was also widerspricht der Behauptung, Tinyhäuser seien in Immenstaad schon lange bekannt? „Früher wurden Gebäude für Urlaubszwecke konzipiert.“ Dabei sei die Annahme zentral gewesen, dass Menschen im Urlaub weniger Platz brauchen als in ihrem Alltag. „Aber das dauerhafte Wohnen im Tinyhaus, das ist ein neuer Trend.“

Ähnlich sieht das Regina Schleyer, Vorsitzende des Tiny-House-Verbands in Karlsruhe. Sie bestätigt: „Klein gebaut wurde schon immer.“ Feriensiedlungen, etwa in Frankreich und den Niederlanden, gebe es bereits lange. „Inzwischen geht es aber um dauerhaftes Wohnen.“

Im Ferienwohnpark gibt auch auch größere Häuser. So richtig „tiny“ Expemplare, also kleine, gibt es aber auch.
Im Ferienwohnpark gibt auch auch größere Häuser. So richtig „tiny“ Expemplare, also kleine, gibt es aber auch. | Bild: Benjamin Schmidt
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Genau das ist allerdings in Immenstaad nicht möglich. „Wir sind rechtlich ein Sonderbaugebiet“, erläutert Jochen Kirchhoff. Das bedeutet: Die kleinen Häuschen dürfen als Feriendomizil verwendet werden, nicht aber als dauerhafter Wohnsitz. Alle Gebäude im Park sind in privater Hand. „Zwei Drittel der Besitzer vermieten die Immobilien an Urlauber, das restliche Drittel nutzt sie privat zur Erholung.“ Er ergänzt: „Theoretisch wäre es aber möglich, auch das ganze Jahr drin zu wohnen.“ Denn Heizungen und eine Dämmung sei jeweils installiert. Allerdings fände der Chef des Ferienwohnparks das keine gute Idee.

„Ich glaube nicht, dass Feriengäste und Dauerbewohner gut miteinander auskommen würden“, vermutet er. Zu unterschiedlich seien die Bedürfnisse. Permanente Bewohner bräuchten – so vermutet er – eine andere Infrastruktur: zusätzliche Flächen für Arbeit, Lagermöglichkeiten, ein größeres Kinderangebot, Gelegenheiten zur Begegnung. Auch Konflikte befürchtet Kirchhoff: „Die Dauerbewohner würden wohl irgendwann zu den Gästen sagen: Ich habe mehr Rechte als du.“

Eine permanente Tinyhaus-Siedlung betrachtet der Geschäftsführer dennoch als interessantes Projekt. „Im Vergleich zum Einfamilienhäusern würden sie weniger Fläche verbrauchen.“ Allerdings müsse sich eine Gruppe zusammenfinden, sich auf klare Regeln des Miteinanders einigen kann. „Denn dass Regeln eingehalten werden, ist auch im Ferienwohnpark sehr wichtig.“

Klein aber gemütlich: So sieht eines der Tinyhäuser von innen aus.
Klein aber gemütlich: So sieht eines der Tinyhäuser von innen aus. | Bild: Benjamin Schmidt

Viele permanente Tinyhaus-Anlagen gibt es allerdings nicht am Bodensee. Baurechtlich werden die Mini-Gebäude wie ganz normale Häuser behandelt und sind genehmigungspflichtig. Eine Ausnahme ist Oberteuringen, dort wurde in einem Neubaugebiet zwei Grundstücke für Tinyhäuser freigegeben. Inzwischen haben die Flächen Besitzer gefunden. „Vielen Gemeinderäte fehlt der Mut zu neuen Konzepten“, findet Jochen Kirchhoff dennoch. Darin vermutet er den Grund, warum es kaum solche innovativen Konzepte in der Region gibt. Doch würde er selbst in ein Minihaus ziehen? „Nein“, sagt er und winkt ab. „Meine Frau und ich haben drei Kinder, da würde es doch sehr eng.“ Doch für den anstehenden Urlaub in den Niederlanden habe er Mini-Gebäude gemietet.

Eines der beiden Schlafzimmer: Zwei Menschen finden dort ausreichend Platz.
Eines der beiden Schlafzimmer: Zwei Menschen finden dort ausreichend Platz. | Bild: Benjamin Schmidt

Nach dem Gespräch zeigt Kirchhoff noch gerne, wie die Tinyhäuser in Immenstaad aussehen. Sie werden auch als Nurdachhäuser bezeichnet, da ihr Dach bis zum Boden reicht. Auf einer Grundfläche von 32,40 Metern finden sich ein Wohnraum, eine Küche, ein Bad sowie ein Abstellraum. Im ersten Stock haben zwei Schlafzimmer und ein Flur Platz. Draußen gibt es eine Terrasse sowie einen großzügigen Garten. Da könnte so mancher Gast vielleicht ins Grübeln kommen. Braucht es wirklich mehr zum Leben?

Hinweis der Redaktion:

Dieser Inhalt erschien erstmals am 30. Juli 2023 auf SÜDKURIER online.