Das Geschehen wurde bis ins kleinste Detail beleuchtet. Während am ersten Tag des Verfahrens die Geschädigte über mehrere Stunden befragt worden war, standen im Geiselnahme-Prozess nun die Ausführungen des Angeklagten im Fokus. Der 33-Jährige hatte angekündigt, vor der Kammer des Landgerichts Ravensburg ausführlich berichten zu wollen.

Zunächst habe er mit der 20-Jährigen eine gute Beziehung geführt, sagte er aus. Dann habe es Anzeichen gegeben, „dass sie ein schlechtes Verhalten an den Tag legt“. Er warf ihr vor, unehrlich zu sein. Auf Nachfragen, wie sich das vermeintlich schlechte Verhalten geäußert habe, blieb er unkonkret. Er vermutete, dass sie nach der Trennung offenbar einen neuen Partner habe. Er selbst habe ihr Geschenke gemacht, auch finanziell ausgeholfen. „Ich habe mich von ihr ausgenutzt gefühlt“, sagte er über seine Ex-Freundin, die er vor Gericht nur „die Dame“ nannte.

Verfahren und Hilfsangebote

Sie habe ihn auf allen Kanälen blockiert, daher sei er mehrfach zu ihr an den Bodensee gefahren. Wiederholt habe er in dieser Zeit über Selbstmord nachgedacht. „Ich habe alle Medikamente, die ich bei mir hatte, in mich hineingestopft“, schilderte er eine Situation. Daraufhin habe er sie gebeten, ihn zu retten. Auch die Messer, die er bei der Geiselnahme bei sich hatte, habe er eigentlich gekauft, um sich selbst etwas anzutun. Er sei zu ihr gefahren, „um eine Lösung für uns zu finden“. Sie habe ihm ein Gespräch aber verwehrt.

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Die Pistole, die er bei sich hatte, sei nur eine Spielzeugpistole gewesen, erklärte er vor Gericht. Er wollte eine Signalpistole fürs Neujahrsfest erwerben, im Geschäft sei er allerdings missverstanden worden. Ein Umtausch sei nicht mehr möglich gewesen. „So etwas hat man doch nicht zufällig dabei“, machte Richterin Claudia Denfeld hingegen deutlich. Ein Polizist sprach später von einer CO2-Waffe inklusive Munition, die durchaus für Verletzungen sorgen kann.

Er habe seiner Ex-Partnerin die Pistole ausgehändigt, sie sei daraufhin bereit gewesen, mit ihm zu sprechen. „Es ging nochmal um diese männliche Person“, übersetzte der Dolmetscher. Der Angeklagte wollte wissen, ob sie diesen Mann kenne oder gar liebe. Ein Messer habe er während des Gesprächs nicht in der Hand gehalten, sagte der Angeklagte. Seinen sehr langen Fingernagel hätten die Beteiligten offenbar als Messer gedeutet. „Wollen Sie wirklich bei dieser Aussage bleiben?“, hakte die Richterin nach. Er bejahte.

Außerhalb des Gebäudes habe er das Gespräch fortsetzen wollen. Als sich ein Fahrzeug näherte, habe er sie an der Hand genommen. „Da ist ein Mann aus dem Auto gesprungen, hat mich brutal gepackt und meinen Arm verdreht“, so der 33-Jährige. Mit dem Messer wollte er sich dabei „nur verteidigen“.

Drohung gegenüber Mitbewohnerin

Auch die Mitbewohnerin der Geschädigten sagte am zweiten Prozesstag über das Geschehen aus. Am Tag der mutmaßlichen Geiselnahme habe der Angeklagte ihrer Freundin eine Nachricht geschickt. „Sie soll rauskommen, sonst erschieße er das Mädel in ihrem Zimmer“, soll er gedroht haben. „Damit war ich gemeint“, so die Mitbewohnerin. Sie habe ihrer Freundin geraten, im Zimmer zu bleiben. Die vielen Gespräche im Vorfeld hätten schließlich nie zu einem Ergebnis geführt. Ihre Freundin habe Angst gehabt. Da inzwischen weitere Bewohner hinzugekommen waren, habe sie die Tür doch geöffnet.

Im Aufenthaltsbereich habe der Angeklagte ein Messer gezogen und auf seine Ex-Freundin gerichtet, dann sei er mit ihr nach draußen gegangen. „Was dort passiert ist, weiß ich nur von Erzählungen“, gab sie an. In ihrer Anfangszeit in Deutschland habe der 33-Jährige ihrer Freundin viel geholfen, sagte sie über das Verhältnis der beiden. Sie habe sich ihm gegenüber korrekt verhalten. „Er wollte erzwingen, dass sie bei ihm bleibt.“ Nach der Trennung habe er ihr gedroht: „Entweder sie kehrt zu ihm zurück, oder er wird sie überall hin verfolgen.“ Trotz der Drohungen habe ihre Freundin nicht in Erwägung gezogen, die Polizei einzuschalten.

Arbeitskollegen überwältigen den Mann

„Ich habe einen Anruf bekommen, dass es im Wohnhaus, in dem Mitarbeiter unseres Betriebs wohnen, Stress geben soll“, sagte eine weitere Zeugin aus. Ein junger Mann soll ins Haus gekommen, eine Waffe im Spiel gewesen sein. „Ich habe mich ins Auto gesetzt und bin losgefahren“, so die Zeugin. Ein Kollege habe sie begleitet. Im Augenwinkel habe sie die junge Frau und einen Mann wahrgenommen. „Er hat sie zügig mitgezogen“, erinnerte sie sich. Ihr Kollege sei ausgestiegen, habe den Mann aufgefordert, das Mädchen loszulassen. Es folgte ein Handgemenge. „Das Mädchen war total aufgelöst.“

Ihr Kollege habe den Mann gepackt, der wollte sich losreißen. „Dann haben wir das Messer wahrgenommen“, so die Zeugin. Sie habe ihn am Handgelenk festgehalten. Kurze Zeit später sei die Polizei eingetroffen.

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Auch ein Kripo-Beamter wurde vor Gericht gehört. Der Angeklagte soll wiederholt Gespräche erzwungen haben, nach Immenstaad gekommen sein, „ohne dass sie das wollte“. Er wollte, dass sie ihre Beziehung wieder aufnehmen. Ansonsten würden sie gemeinsam sterben, sagte er aus. Der Polizist spricht von einer Dreifachbewaffnung am Tag der Geiselnahme. Neben einer CO2-Pistole habe er zwei Messer bei sich gehabt.

Der Prozess wird am Donnerstag, 7. August fortgesetzt. Dann werden weitere Polizeibeamte gehört.