18,4 Millionen Euro sollen Sanierung und Umbau des Bischofsschlosses zum Rathaus kosten. Diese Kostenberechnung legte das Architekturbüro Braunger Wörtz (Ulm) am Mittwochabend in der Sondersitzung des Gemeinderates in der Stadthalle vor. Damit ist die im Dezember 2015 von der Kommunalentwicklung (KE, Stuttgart) ermittelte erste Grobschätzung von 11,8 bis 14,8 Millionen Euro zwar deutlich überschritten. Doch in der aktuellen Berechnung hat Braunger Wörtz in Dutzenden Einzelpositionen detailliert nahezu alle möglichen Kosten aufgelistet, inklusive aller Baunebenkosten, der Außenanlagen und der Ausstattung des Rathauses.
Sowohl die Verwaltung als auch das Büro sind der Ansicht, dass dieser Kostenrahmen nun nicht mehr wesentlich überschritten werden kann. Die Kostenermittlung erfolgte nach dem Beupreisindex des zweiten Quartals 2018. Dies wurde mehrfach betont. Die Baupreisentwicklung – in 2017 stiegen die Baupreise in der Region um rund vier Prozent – muss also noch miteinkalkuliert werden. Je nachdem, wann die Ausschreibung der Gewerke erfolgen wird, könnte sich die endgültige Gesamtsumme also noch auf +/- 20 Millionen Euro erhöhen, ohne Gewähr zum jetzigen Zeitpunkt. Auch dies wurde betont. Auf welche Summe sich letzten Endes die Baukostensteigerungen belaufen könnten, sei reine Spekulation, sagte Planer Marcus Wörtz, der die Entwurfsplanung und die Kostenberechnung vorstellte.
Baubeschluss am 24. Juli
Ein Beschluss wurde am Mittwochabend nicht gefasst. Der Rat nahm die Ausführungen zur Kenntnis und nahm in einer halbstündigen Aussprache Stellung (siehe Infotext unten). Der Baubeschluss sei für die Sitzung am 24. Juli vorgesehen, sagte Bürgermeister Georg Riedmann. Zuvor soll es noch mehrere Führungen durch das Bischofsschloss für die Bürgerschaft geben. Die Termine dafür sollen im nächsten Amtsblatt am 22. Juni veröffentlicht werden. Erst nach dem Baubeschluss können die ersten Aufträge vergeben werden.
Die Umbau-Planung
Wörtz sprach zu Beginn seiner Ausführungen von "sehr intensiven Monaten" für ihn und seine Kollegen in Markdorf. Ihnen sei stets bewusst gewesen, im Herzen der Stadt zu agieren. "Es gibt eine große Leidenschaft bei allen Beteiligten für dieses Projekt", sagte er. Mit dem Bischofsschloss als historischem Ensemble habe die Stadt "einen ganz besonderen Schatz". Ziel des Büros sei es daher, so viel wie möglich der historischen Substanz zu wahren. Über das Raumprogramm kam Wörtz zur Scheuer, die aus statischen Gründen abgerissen und neu aufgebaut werden müsse. Anders ließen sich großer und kleiner Sitzungssaal dort nicht realisieren. Der Neubau der Schlossscheuer soll stärker ans historische Original angelehnt werden, mit der historischen Stadtmauer auf zwei Seiten, die durch einen geschlämmten Putz aus Sumpfkalk wieder sichtbarer werden soll. Im Obergeschoss wären der Ratssaal und der kleine Sitzungssaal. Über das im selben Stock liegende Audienzzimmer im Turm, das als Vorraum zum großen Saal gestaltet werden soll, wäre die Scheuer zugleich an das neue Schloss angebunden. Im neuen Schloss sollen Bürgermeister, Hauptamt und Kämmerei angesiedelt werden, im Turm das Bauamt und darunter im Erdgeschoss das Café, dessen Bestuhlung im Sommer die Außenfläche mitbeleben soll. Ein Bürgerbüro wäre direkt neben dem Turm im EG der Scheuer untergebracht. Der Rittersaal bleibt, wie er ist, bekäme aber eine kleine Einhausung für den neu dort hoch führenden Aufzug.
Barrierefreiheit und Brandschutz
Eine besondere Herausforderung sei die komplett barrierefreie Erschließung des Turmes gewesen. Drei Monate habe man für die Entwicklung des Konzeptes benötigt, vor allem, weil man sich dazu entschlossen hatte, den Kern des Turms, der mit seinen Holzbalken und Mauerwerk der älteste Teil des Schlossensembles ist, komplett zu erhalten. Nun sind ein rollstuhlgerechter Aufzug und eine zweite Fluchtmöglichkeit eingearbeitet. Letztere war nötig, um die Vorgaben des Brandschutzes zu erfüllen. Auch dies sei eine schwierige Aufgabe gewesen, sagte Wörtz. Er betonte, dass alle Planungen sehr eng und intensiv mit dem Denkmalamt und dem Landratsamt abgestimmt worden seien. Von beiden Behörden gab es bereits ohne Abstriche grünes Licht für die Entwurfsplanung. Komplett neu gestaltet wird der Zwischengang zwischen dem Turm und der Scheuer, mit einer breiteren Treppe, die sich als Aufenthaltsbereich zu den Außenanlagen öffnet. Erhalten bliebe die historische Tür im Zwischengang, gänzlich unverändert auch die Fassade des neuen Schlosses. Alleine die Treppe des neuen Schlosses muss neu gemacht werden. Dann aber ohne die erst im Zuge der 80er-Jahre-Sanierung angebrachten barockisierenden Elemente, so Wörtz. Insgesamt sei die Sanierung in den 80ern den damaligen Standards entsprechend gut gemacht. Unliebsame Überraschungen seien daher auch bei den Untersuchungen der Substanz nicht zutage getreten.
Buntes Leben auf dem Schlosshof
Der Schlosshof wiederum soll weit mehr Aufenthaltsqualität bekommen als bisher. Mit einem neuen Pflaster aus Granit versehen, das dann ein Vorbild für weitere Flächenneuanlagen in der Innenstadt – Stichwort Rathausareal – sein könnte, einem großzügigen Cafébereich und eventuell einem Wasserspiel an der kurzen Scheuerseite zur Schlossgasse hin, bekäme der Schlosshof den Charakter eines lebendigen Treffpunktes inmitten der Stadt. Roberto Kaiser vom Landschaftsarchitektenbüro Gresz und Kaiser (Stuttgart) stellte die Pläne für die Außenanlagen vor. Auch für die Freianlagen auf dem Schlosshang oberhalb der B-33-Ortsdurchfahrt gibt es Pläne. Dort blieb das Büro bei dem Vorschlag, der bereits im Wettbewerbsentwurf eingezeichnet war: Keine Blumenbeete mehr, dafür ein Rebhang. Dies, so Kaiser, würde bestens mit dem Schloss harmonieren. Kaiser verwies zur Veranschaulichung auf Fotos der Immenstaader Schlösser Hersberg und Kirchberg, die ebenfalls von Rebhängen umgeben sind. Diese Anlage würde jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt umgesetzt werden, nach der Sanierung der Bischofsschloss-Tiefgarage. Verschwinden müssten die Blumen dennoch: Während der Umbauphase des Schlosses würde der Schlosshang als Standort für Baucontainer genutzt werden.
Bau-Verkehr durch die Ulrichstraße
Beschließt der Rat am 24. Juli den Umbau und läuft in den Folgemonaten alles nach Plan, könnten laut Riedmann Anfang 2019 die Abbrucharbeiten für die Scheuer beginnen. Erst nach dem Abbruch der Scheuer würde im Schlosshof ein Hochbaukran aufgestellt werden und die Bauarbeiten am übrigen Schlossensemble beginnen. Eine schmerzhafte Phase würden die Rohbauarbeiten vor allem für die Anwohner und Händler der Marktstraße und der Ulrichstraße darstellen. Denn auf die bislang von der Verwaltung vorgesehene Baustraße von der B 33 zum Schlosshof, für den unter anderem die Turmstube und das VHS-Gebäude hätten abgerissen werden müssen, muss wohl verzichtet werden. Erstens hat die Stadt dafür nicht alle erforderlichen Grundstücke im Besitz, zweitens wäre die Zufahrt über den Schlossweg und entlang der Schlossmauer für schweres Baustellengerät nicht möglich. Nun ist die Zufahrt der Baustelle vom Stadtgraben aus über die Ulrichstraße zum Schlosshof ins Auge gefasst. Über die Marktstraße soll die Baustelle indes nur in Ausnahmefällen angefahren werden. Über diesen Umstand machte sich CDU-Chefin Susanne Sträßle große Sorgen. Für das "Café di Coppola" in der Ulrichstraße etwa befürchtete sie eine existenzgefährdende Belastung. Diese Umorientierung, so Riedmann, sei "wirklich ein Problem". Doch ein Kulturdenkmal benötige alle drei Jahrzehnte eine umfangreiche Renovation, die immer auch Großbaustellen mit sich bringe. Man werde aber versuchen, den Bauzeitenplan mit Start und Abbrucharbeiten im Winter so zu koordinieren, dass die Auswirkungen auf die Innenstadt so ertragbar wie möglich gehalten würden. Für rund 50 Gebäude in der Altstadt werde es außerdem eine Beweissicherung vor Baubeginn geben, so dass Bewohner respektive Hausbesitzer im Falle von Schäden auf der sicheren Seite seien, versicherte Riedmann.
Die Kostenberechnung
Die Brutto-Gesamtsumme errechnete das Büro Braunger Wörtz mit 18,4 Millionen Euro. Darin enthalten sind folgende Summen, die für Sanierung und Umbau des Schlosses in jedem Falle aufgewendet werden müssen, unabhängig davon, ob ein Rathaus oder eine andere Nutzung vorgenommen wird:
- Archäologie und Restauration: 2,7 Mio. Euro
- Brandschutz: 615 000 Euro
- Abdichtung Bau aus den 80ern: 200 000 Euro
- Baustelleneinrichtung und Beweissicherung: 166 000 Euro
Dies ergibt eine Summe von rund 3,6 bis 3,7 Mio. Euro, die demnach bei jeder Art der Umnutzung anfällt. Aufgeschlüsselt nach Kostengruppen setzt sich die Gesamtsumme von 18,4 Mio. Euro wie folgt zusammen (Zahlen sind gerundet):
- Erschließung: 120 000 Euro
- Bauwerk (inkl. Restaurationen): 9,5 Mio. Euro
- Technische Anlagen: 3,3 Mio. Euro
- Außenanlagen: 446 000 Euro
- Ausstattung: 834 000 Euro
- Baunebenkosten: 4,2 Mio. Euro
Die Kostenberechnung erfolgte auf der Grundlage des Baupreisindex zweites Quartal 2018.
Die nächsten Schritte
Noch vor dem Baubeschluss möchte die Verwaltung den Bürgern Gelegenheit geben, sich selbst ein Bild vom Bischofsschloss zu machen. Es werden mehrere Führungen angeboten. Die Termine werden im Amtsblatt am 22. Juni veröffentlicht. Der Baubeschluss soll auf die Agenda des Gemeinderates am 24. Juli gesetzt werden. Stimmt der Rat zu, könnten danach die ersten Ausschreibungen erfolgen. Läuft alles verzögerungsfrei, könnte Anfang 2019 mit den Abrissarbeiten an der Schlossscheuer begonnen werden. Erst wenn die Scheuer abgerissen ist, würden dann die Bauarbeiten am restlichen Ensemble beginnen.
Städtischer Sparstrumpf und mögliches Bürgerbegehren
- .Zuschüsse und Haushalt: Bislang hat die Stadt aus dem Sanierungsprogramm des Landes 4,7 Millionen Euro an Zuschüssen erhalten. Davon hat die Verwaltung 2,5 Millionen noch nicht ausgegeben. Bei den bislang veranschlagten 11,8 Millionen Euro vorläufig geschätzter Kosten hat die Stadt mit Tübingen einen Zuschussrahmen von rund 7 Millionen Euro ausgehandelt. Nun wird die Verwaltung mit der vorliegenden konkreten Kostenberechnung erneut beim Regierungspräsidium vorstellig werden und einen neuen Zuschussrahmen aushandeln, der sich an den 18,4 Millionen Euro orientiert. Es sei zu erwarten, sagt Riedmann, dass die Stadt mit einer entsprechenden Erhöhung des Zuschussrahmens rechnen könne. Bürgermeister Georg Riedmann betonte am Mittwochabend, dass sich auch die Haushaltslage gegenüber 2015, als das Vorhaben Rathaus ins Bischofsschloss gestartet wurde, verbessert habe. So belief sich der Stand der allgemeinen Rücklage, also des "Sparstrumpfs" der Stadt, am 31. Dezember 2015 auf 18,8 Millionen Euro (Quelle: Rechenschaftsbericht 2016) und am 31. Dezember 2016 auf 16,4 Millionen Euro (Quelle: Haushaltsplan 2018). Zum 31. Dezember 2017, diese Nachricht habe er dieser Tage aus dem Landratsamt erhalten, verfügte die Stadt hingegen über eine allgemeine Rücklage in Höhe von 25 Millionen Euro.
- .Thema Bürgerbegehren: Eine "Initiative Bischofsschloss", hervorgegangen aus dem Kreis der Rathausumzug-Gegner um den früheren Markdorfer und jetzigen Oberteuringer Thomas Schalski hat sich vor einigen Wochen erstmals der Öffentlichkeit präsentiert und angekündigt, ein Bürgerbegehren gegen den Rathausumzug ins Bischofsschloss anstreben zu wollen. Dies kann den rechtlichen Vorgaben nach jedoch erst nach erfolgtem Baubeschluss angestrengt werden. Wenn die Initiative dann mindestens 771 Unterschriften, entsprechend sieben Prozent der 11 010 Markdorfer Wahlberechtigten, sammelt, muss der Gemeinderat einen Bürgerentscheid beschließen.
Das sind die Stimmen der Stadträte vom Mittwochabend über die Kostenberechnung und das Vorhaben
- Susanne Sträßle (CDU): "Wir bleiben dabei!", betonte die CDU-Chefin. Ihre Fraktion stünde nach wie vor "geschlossen hinter dem Projekt". Sie und ihre Kollegen seien überzeugt, dass mit dem Umzug ein Mehrwert geschaffen werde, fürs Stadtbild, die Rathaus-Mitarbeiter und die Bürger. Mit der konkreten Berechnung sei man einen großen Schritt weitergekommen. "Die 18,4 Millionen Euro haben uns nicht überrascht", sagte sie. Im Wettbewerb habe es Entwürfe gegeben, die deutlich teurer gekommen wären. "Wir sollten uns jetzt an die Umsetzung machen und das Projekt vorantreiben", mahnte sie, schließlich gehe es auch um Zuschüsse und das Thema Baukostensteigerung.
- Christiane Oßwald (UWG): Wer A sage, müsse auch B sagen, so die UWG-Rätin. Aus Sicht der UWG sei der Rathausumzug ins Bischofsschloss "alternativlos", aus vier Gründen: Eine Hotelnutzung komme wegen mangelnder Rentabilität und fehlenden Investors nicht in Frage. Für andere Nutzungen, ob kulturell oder sozial, müsse man ebenfalls für viel Geld sanieren und umbauen. Käme das Rathaus nicht ins Schloss, müsste man anstelle des jetzigen Rathauses einen Neubau umsetzen, der einst auch auf 14,5 Millionen Euro geschätzt wurde. Und zuletzt: Durch eine Rathausnutzung bleibe das Schloss öffentlich zugänglich, die Konzerte könnten weiterhin stattfinden und mit der Gastronomie schaffe man einen "Mini-Attraktor" in der Altstadt. Die Kostenberechnung sei "solide und überzeugend ausgeführt", 18 Millionen seien zwar viel Geld, "aber wir bekommen etwas ganz Besonderes dafür".
- Dietmar Bitzenhofer (FW): "Diese Summe muss erst einmal verdaut werden", sagte der Freie-Wähler-Chef. Eventuell müsse man auch noch Preissteigerungen einkalkulieren. Nun sei deshalb der Zeitpunkt, sich ernsthafte Gedanken über die Zukunft zu machen. Alle weiteren Vorhaben und die Finanzplanung der Stadt müssten auf den Prüfstand, vielleicht müsse man auch das ein oder andere Projekt schieben oder stornieren. "Dies gilt es nun zu klären und der Bürger hat das Recht auf eine ehrliche Antwort", appellierte Bitzenhofer. Seine Ausführungen schloss er mit einem kritischen Aufruf an die Gegner des Projektes und die "Initiative Bischofsschloss": "Die Bedenkenträger bitten wir, schnellstmöglich in die Gänge zu kommen, dann aber mit umsetzbaren und finanzierbaren Alternativen, nur ein Nein ist zu wenig!"
- Uwe Achilles (SPD): Kritisch äußerte sich der SPD-Chef. Als die Stadt das Schloss von Unternehmer Albert Weber gekauft habe, habe im Rat niemand eine Alternative für das Rathausareal gehabt. Auch heute noch sei man auf der Suche nach dieser Alternative. Deswegen, so Achilles mit einem Seitenblick auf seinen Vorredner Bitzenhofer, müsse man es jedem zugestehen, dagegen zu sein ohne eine Alternative benennen zu können. "Wir haben bei den Kosten jetzt eine Steigerung von sechs Millionen Euro und wir wissen nicht, wo wir enden werden", sagte Achilles. Aus diesem Grunde müsse über das Vorhaben offen diskutiert werden können. Und gerne sähe er dazu auch eine "basisdemokratische Entscheidung", äußerte er seine Sympathie für einen möglichen Bürgerentscheid.
- Arnold Holstein (FW): Konsequent bei seiner ablehnenden Haltung blieb FW-Rat Arnold Holstein. Die "Endsumme von 18,4 Millionen ist ohne jede Garantie", sagte er. Man kenne die Probleme bei öffentlichen Ausschreibungen: Kaum oder keine Angebote, Preissteigerungen. Durch den Wegfall der Baustraße werde wegen des Baustellenverkehrs nun die Existenz der Betriebe in und um die Marktstraße gefährdet. "Welche Unterstützung gibt es da von der Stadt?", fragte er. Auch an diesem Abend gehe es wieder nicht um eine Bürgerbeteiligung.
- Martina Koners-Kannegießer (CDU): Eine Lanze für das Vorhaben brach die CDU-Rätin: Gleich welche Nutzung man anstrebe, werde man immer Geld in die Hand nehmen müssen. "Wir haben nun die große Chance, mit einem Rathaus den Bürgern eine dauerhafte Öffentlichkeit des Schlosses zu gewähren", appellierte sie.