49 Einwohner leben in Gangenweiler. Die meisten von ihnen blicken auf eine langjährige gemeinsame Familiengeschichte zurück, wie etwa die Familien Eichenhofer und Klotz, Baier und Baur. Andere sind dazu gezogen, wie etwa die Familie Müller und Keßler. Doch egal, ob jahrzehntelange Tradition auf den Höfen oder ob vor 20 Jahren Bauplätze neu erschlossen wurden – gemein haben sie alle eine Gemeinschaft, die den kleinen Weiler, oberhalb von Stadel gelegen, ausmacht. Inmitten von Obstplantagen, einigen Höfen und neu gebauten Häusern hat man von dort einen wunderbaren Blick auf den See, die Alpen und das Allgäu.
Erste Erwähnung in fürstenbergischer Urkunde
Alexander Klotz ist hier geboren, aufgewachsen und lebt hier mit seiner Familie. Der 46-Jährige ist Organisator der zweitägigen Jubiläumsfeier am 3. und 4. August zum 700-jährigen Bestehen des Weilers, das 1325 zum ersten Mal als „Gangenwiler“ im fürstenbergischen Urkundenbuch erscheint. Der Name Gangenweiler lässt sich nicht sicher ableiten. Die Historie ist dank des früheren Stadtarchivars Manfred Ill gut aufbereitet. In seinem Text „Zur Geschichte von Gangenweiler“, der 2007 in dem Buch „Markdorfer Geschichte und Geschichten“, herausgegeben vom Förderverein zur Erhaltung der Kulturdenkmäler Markdorfs, erschienen ist, wird die Geschichte beschrieben.

In Gangenweiler gibt es nur den Gangenweiler Hof
Der Teilort wurde bis in das 20. Jahrhundert als eigene Gemarkung innerhalb der Gesamtgemeinde Riedheim geführt. Manfred Ill geht davon aus, dass Gangenweiler sehr früh wohl einem einzigen Besitzer – den Herren von Bitzenhofen – gehört hat. Noch bis 1891 wird nur ein Hof, eben der Gangenweiler Hof, mit 19 Bewohnern genannt. Im Lauf der Jahrhunderte wurden Grundstücke abgetrennt und kamen an unterschiedliche Besitzer.
1360 kauft die Stadt Markdorf den Hof und setzt nach ihrem Belieben Pächter ein, die den Hof bewirtschaften. Oft geht das Lehen über viele Generationen auf die Kinder über und wird dann zum Erblehen.
1903 verstarb der damalige Pächter, seine Witwe kündigt den Pachtvertrag mit der Stadt, woraufhin sich diese dazu entscheidet, das Hofgut zum Verkauf öffentlich auszuschreiben. Den Zuschlag bei der Versteigerung erhält Rudolf Metzger, Landwirt aus Stadel. Drei Jahre später verkauft er den Hof wieder, dabei werden die Grundstücke aufgeteilt: Der untere Teil geht an Sebastian Eichenhofer I, den oberen Teil übernimmt Friedrich Gaus.

Aus einem Hof werden die „Eichenhofer-Höfe“
Verstanden hätten sich die zwei Männer nicht, so sei es laut Alexander Klotz aus Erzählungen überliefert. Der untere Eichenhofer-Hof bleibt in der Familie, wird an Sohn Sebastian II und Enkel Sebastian III (den Opa von Alexander Klotz) weitergereicht. Der zweite Sebastian teilte den Hof 1923 und gibt eine Hälfte an seinen Bruder Gregor ab, so dass es nun zwei „Eichenhofer-Höfe“ gab.
Der dritte Sebastian übernimmt später den Hof seines Vaters und seine Tochter Marlies heiratet Hermann Klotz, der seit 1977 den Hof bewirtschaftet, 2018 übernehmen Sohn Armin Klotz und dessen Frau Britta. Sohn Alexander Klotz arbeitet als Maschinenbauingenieur und lebt im Haus gegenüber. Tochter Patricia Klotz wurde übrigens 1999 zur ersten Apfelkönigin im Bodenseekreis gewählt.
Obstbau nimmt eine dominierende Stellung ein
Auch der Eichenhofer-Hof ist nach vor in Familienhänden, mittlerweile in vierter Generation Die Geschwister Max und Jasmin Eichenhofer möchten den Hof eines Tages von ihren Eltern Birgit und Gebhard Eichenhofer übernehmen. Insgesamt hat die Familie Eichenhofer 17 Apfelsorten auf ihrem Obsthof. Daneben auch andere Obstsorten wie Kirschen, Zwetschgen und Erdbeeren. Jasmin Eichenhofer war ebenfalls Apfelkönigin, von 2022 bis 2024 vertat die 24-Jährige die Bodensee-Region im Namen des Apfels bei zahlreichen Terminen, Messen und Veranstaltungen.
Der Gaus-Hof wird ebenfalls von Nachfahren weitergeführt, bis in die 1970er-Jahre gibt es auf dem Hof auch eine Wirtschaft, die „Zum Waldhorn“ hießt, die Ländereien werden verpachtet. Auf dem Hof lebt heute die Familie Baier. „Es gibt noch einen weiteren Hof, der aber bis 1800 nirgends erwähnt wird“, erzählt Alexander Klotz. Hier leben die Familien Baur und Wiemann.

2007 wird Gangenweiler, das inklusive Wald eine Fläche von 225 Hektar aufweist, im Rahmen einer Abrundungssatzung kartiert. Sieben Familien mit 27 Erwachsenen leben zu diesem Zeitpunkt laut Einwohnerbuch in dem Weiler, der an die Kanalisation angeschlossen wird. Sechs neue Bauplätze entstehen. Der Obstbau hat eine dominierende Stellung eingenommen.
Gnadenau: Café und Raumfahrzentrum
Zu Gangenweiler zählt auch die Gnadenau, ein Grundstück oberhalb der Häuser, direkt am Waldrand. Hier wird um 1950 ein Wohnhaus und eine botanische Gartenanlage eingerichtet. Als besondere Attraktion gibt es ein kleines Raumfahrtzentrum. Es kommen viele Besucher, um sich den Garten und die Fotos und Modelle von Raumfahrzeugen und Raketen anzuschauen. In einem Café kann man verweilen. Viele Schulklassen sind zu Gast. Mit Übergabe in andere Hände und auch aus Altersgründen gehen dann diese Aktivitäten Ende der 1980er-Jahre zu Ende, wie Manfred Ill in seinem Text schreibt. Seit vielen Jahren ist das Anwesen nun im Privatbesitz.

Gemeinschaft wird in Gangenweiler groß gelebt
Alexander Klotz lebt gern in Gangenweiler. Hier hat er eine unbeschwerte Kindheit verbracht, heute profitiert sein vier Jahre alter Sohn Max von den Freundschaften und Familienbanden im Weiler. Von den 49 Einwohnern sind elf Kinder, die zwischen vier und 15 Jahre alt sind. „Hier ist immer was los“, sagt der 46-Jährige. „Dass man allein auf der Terrasse sitzt, kommt eigentlich nie vor.“
Die Bewohner orientieren sich berufs- und freizeitbedingt sowohl Richtung Markdorf, als auch Richtung Oberteuringen. Da sind die einen Mitglied bei der Feuerwehrabteilung Riedheim, die anderen bei der Freiwilligen Feuerwehr Oberteuringen; ein Teil geht zur Musik nach Riedheim, die anderen nach Oberteuringen, die Fasnetsmitgliedschaft reicht von Hepbach über Bitzenhofen bis nach Urnau. Kirchlich gehört Gangenweiler bis 1966 zu Urnau, bis die Bewohner der Pfarreikirche in Hepbach zugeordnet wurden. Um die kleine Kapelle, die mitten in Gangenweiler steht, kümmern sich die Bewohner selbst. Hier fanden laut Manfred Ill Taufen und Hochzeiten statt.

Wer ins badische Gangenweiler möchte, muss die Grenze zwischen Baden und Württemberg überqueren – eine Tatsache, die auch heute noch für Neckereien sorgt, wenn die „Badener vom Berg runter“ wieder ins württembergische Oberteuringen kommen. „Von der Geschichte hat Gangenweiler seit 1360 immer zu Markdorf gehört“, so Alexander Klotz.
Oldtimer-Treffen und Feierabendhock
Nun freuen sich die Bewohner auf das zweitägige Fest, das am 3. und 4. August auf dem Obsthof Klotz stattfindet. Verschiedene Musikgruppen spielen, es wird ein Oldtimer-Treffen geben und für Bewirtung ist ebenfalls gesorgt. „Wir setzen die Kartoffel in den Mittelpunkt“, verrät Klotz schon mal eine kulinarische Besonderheit. Auf Schautafeln ist die Geschichte von Gangenweiler abgebildet. „Jeder trägt was zu dem Fest bei“, so Klotz. Nach der Kirsch- und vor der Apfelernte sei nun der ideale Zeitpunkt, um gemeinsam zu feiern. Die Besucher können gern mit dem Auto nach Gangenweiler fahren, Anweiser werden die Parksituation koordinieren. Das Fest klingt dann mit einem Feierabendhock aus.