An der Metzgerei Seitz rechts einbiegen, an der Ampel am Stadtgraben wieder genervt rausfahren und zu einer weiteren Runde ansetzen. "Das geht auch mir gelegentlich so", gesteht Armin Hansmann. Der 73-jährige Leimbacher hat sich die Zeit genommen, einmal das Verkehrsgeschehen zu beobachten und die Runden zu zählen, die mancher Autofahrer in der Markdorfer Innenstadt dreht. Solange, bis direkt vor der Volksbank oder in der Hauptstraße ein Parkplatz gefunden ist.
Eigentlich haben Autos im Stadtkern nichts verloren. Sagen die Einen. Für die Anderen gilt der Grundsatz: Kofferraum auf! Einkäufe rein! Schnell und ohne langen Fußmarsch.
Es gibt viele Gründe, Autos aus der Innenstadt zu verbannen. So viele, wie es gibt, sie im Stadtkern weiterhin zu dulden. Die Blaue Zone, die nun für Markdorfs Kernstadt kommen soll, ist zwar ein Schritt, für Armin Hansmann aber langfristig keine optimale Lösung. Ob für eine Kleinstadt wie Markdorf ein plausibler Grund für eine erweiterte Fußgängerzone gefunden werden kann, ist die Frage, mit der sich Hansmann eingehend befasst hat. Damit einhergehend eine weitere Frage: Würde eine Fußgängerzone dem Allgemeinwohl dienen oder entspringt dieser Denkansatz lediglich den Vorstellungen eines Visionärs?
Keinesfalls kann man Armin Hansmann als Träumer bezeichnen. Es hat Hand und Fuß, was er jüngst vor der Aktionsgemeinschaft und auch Bürgermeister Georg Riedmann vorgestellt hat. Dieser dem Thema vorauseilende Zeitpunkt indes ergebe noch keinerlei Diskussionsgrundlage. "Zu früh, zu umstritten, zu kompliziert", ist Georg Riedmann der Meinung. "Immerhin ein Denkanstoß", sagt Armin Hansmann. Ideen, wie man Schritt für Schritt zur autofreien Innenstadt gelangen könne – und das tatsächlich auch im Wortsinn – hat er viele. "Zunächst einmal sollten die Bürger für dieses Thema sensibilisiert werden." Hansmann denkt in kleinen Schritten. Nicht das große Ganze ist zu diesem Zeitpunkt seine Vision. Ein autofreier Sonntag etwa könnte so ein Denkanstoß sein. "Da kann man schon mal vorfühlen, wie es wäre, wenn ..." Er denke dabei an Aktionen wie etwa einen Ideen-Wettbewerb oder einen Rollschuh-Parcours. Auch könnten improvisierte Straßencafés und Verkaufsstände das Stadtbild an diesem Tag aufwerten.
Zünglein an der Waage wird bei aller Attraktivitätssteigerung im städtebildlichen Sinn der Einzelhandel sein. Darin sieht Hansmann eine der großen Hürden. Er sei darauf vorbereitet. "In anderen Städten vergleichbarer Größe funktioniert das bereits sehr gut", sagt er. Auch wenn anfänglich gewaltige Steine auf dem Weg zur autofreien Innenstadt lagen, sind vielerorts heute gerade die Einzelhändler sehr glücklich darüber.
Best-Practice-Vergleiche hat sich Hansmann auf die Fahnen geschrieben. Und ist ausgezogen, um zu schauen, wo vorbildliche Methoden, Praktiken und Vorgehensweisen zu einem optimalen, vor allem zu einem einheitlich gewollten Ergebnis führten. "Es ist keine Frage des Geldes", sagt er. Fördermittel stünden für ein solches Projekt in ausreichendem Maße zur Verfügung. "Das ist eine Frage des Willens." Dabei gelte es stets, die Bürger mitzunehmen; auch mit Widerstand sei zu rechnen. Und über allem schwebt im baustellengeplagten Markdorf die bange Frage: Doch nicht etwa noch mehr Baustellen? Wo Georg Riedmann doch eben erst bekundet hat, dass sich die Verkehrssituation, zumindest was die innerstädtischen Baustellen belangt, im Jahr 2018 deutlich entspannen wird.

Armin Hansmann denkt langfristig und weit über 2018 hinaus. "Für die Anwohner müsste es selbstverständlich Regelungen oder Sondergenehmigungen geben." Den nächsten Schritt will er nun in die Gemeinderatsfraktionen tun. Auf Geheiß von Bürgermeister Georg Riedmann hin. "Vorfühlen, wie die politische Gangart ist", sagt er. Dazu eingeladen wurde er bereits von den einzelnen Fraktionen. Umgekehrt bedeutet dies für Hansmann, dass Interesse an seinen Ideen und der realistischen Durchführbarkeit seiner Visionen bestünde.
Noch ist es Zukunftsmusik. Aber was wäre, wenn auf dem zugegebenermaßen schäbigen Ochsenplatz keine Mülltonnen mehr rumgammelten und keine Autos mehr davor und darauf in wilder Manier parkten? Was wäre, wenn Straßencafés in der Hauptstraße zum Päuschen für ein Pläuschchen lockten? Was wäre, wenn Kinder mit Rollschuhen die Straße unsicher machen könnten und überall Blumenkübel stünden? "Wäre das nicht ein Gewinn und ein echter Mehrwert für Markdorf?", fragt sich und alle Bürger gleichermaßen Armin Hansmann.
Zur Person
Armin Hansmann ist 73 Jahre alt und wurde in Hückeswagen in Nordrhein-Westfalen geboren. Der Diplom-Ingenieur arbeitete nach seinem Studium in Köln zunächst vier Jahre in Freiburg. Von 1972 bis 1976 lebte er mit seiner Frau in Friedrichshafen und arbeitete insgesamt 35 Jahre bei Firma Dornier-System GmbH im Bereich Transport und Logisitk. Seit 1976 wohnt er in Leimbach. Hansmann ist aktives BUND-Mitglied. Seine Freizeit verbringt er mit Wandern und Radfahren.

Bürgermeister Georg Riedmann: "Eine Option kann das immer sein"
Herr Riedmann, viele Städte in vergleichbarer Größe haben den Schritt in Richtung autofreie Innenstadt getan. Kann dies auf lange Sicht gesehen auch für Markdorf eine Option sein?
Eine Option kann das immer sein. Als Diskussions- und Entscheidungsgrundlage wünsche ich mir dazu aber die Überzeugung aller Beteiligten, dass eine Fußgängerzone auch dem wirtschaftlichen Erfolg der Innenstadtgeschäfte nützt. Eine toll umgestaltete Innenstadt mit großen Leerständen ist leider auch häufig nach solchen Umbauten zu erleben. Das kann nicht unser Ziel sein.
Würde es im Zuge der Einrichtung der Blauen Zone Sinn machen, die Planung auch in Richtung autofreie Innenstadt offen zu halten?
Die Einführung der Blaue Zone behindert solche Überlegungen in keiner Weise.
Das Thema ist umstritten. Worin liegen die Chancen und wo liegt Ihres Erachtens die Problematik?
Möglicherweise werden wir im Rahmen des Mobilitätskonzept in einigen Bereichen verstärkt das Thema "shared space" diskutieren. Das bedeutet: starke Verkehrsberuhigung auf gemeinsam genutzten Flächen unter absoluter Gleichberechtigung aller Verkehrsmittel. So etwas habe ich neulich unter anderem in der Altstadt von Mengen gesehen, und es beeindruckt, in welchem selbstverständlichen Nebeneinander alles gut funktioniert, ohne dass man die Autos aus diesen Bereichen verbannen muss. (hst)
In diesen vier Bereichen würde eine Veränderung guttun:
Hauptstraße: Ausgerechnet in einem der tristesten Häuser ist Markdorf Marketing untergebracht. Würde man sich im Zuge der Umwidmung der Hauptstraße zur Fußgängerzone mit der damit einhergehenden Pflicht befassen, die Häuserfassaden aufzuwerten, könnte das Aushängeschild Markdorfs tatsächlich zum Blickfang werden.
Ochsenlücke: Dies ist wohl einer der unattraktivsten Plätze Markdorfs. Wer möchte hier schon sitzen, fragt sich Armin Hansmann und alle Markdorfer zugleich. Das Café Kurz verpasst immerhin der allergrößten Tristesse in den Sommermonaten eine Frischzellenkur. Und ewig lockt das Schuhstudio H. Aber das war's dann auch schon.
Vorplatz Proma: Die Zufahrt zum Proma ist dank Parkhaus und rückseitigem Parkplatz möglich. Wo auf der Vorderseite Parkplätze sind und der Verkehr fließt, wären Sitzgelegenheiten oder ein Straßencafé ein Gewinn nicht nur für die Kunden. Auch für Einheimische könnte dies bei entspannter Atmosphäre zum Treffpunkt im entschleunigten Markdorf werden.
Vorplatz Sparkasse: Wenig einladend präsentiert sich der Platz um das Sparkassengebäude. Gerade hier könnte im Zuge einer Fußgängerzone ein Mehrwert bei gesteigerter Aufenthaltsqualität entstehen. Lebendiges Grün, einladende Möblierung und Lust, sich während des Einkaufs niederzulassen, wäre ein gelungener Kontrapunkt zum tristen Betongrau.