Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) war Themenschwerpunkt der jüngsten "I-mein-halt"-Runde im Markdorfer Obertor. Ungewöhnlich meinungsstark brachten sich auch die Bürger ein, die von Verspätungen, Zugausfällen, kaum zumutbaren Abfahrtszeiten, Umständlichkeit, mangelnder Barrierefreiheit und Unverständnis für die Tarif-Politik berichteten. Doch nicht nur Frust und Ärger kamen bei der Bürgerrunde zur Sprache: Was sich mittelfristig im ÖPNV der Region Bodenseekreis, Ravensburg, Sigmaringen und Lindau verändern wird, war ebenso Thema.

Denn mit Irmtraud Schuster, im Dezernat Umwelt und Technik des Bodenseekreises zuständig für den Busverkehr, Jürgen Löffler, dem Leiter des Bodensee-Oberschwaben-Verkehrsverbunds (Bodo) und mit Wilfried Franke, dem Direktor des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben, hatte "I-mein-halt"-Moderator Ernst Arnegger drei Gesprächspartner eingeladen, die die aktuellen Entwicklungen skizzieren konnten.
Südbahn als positive Entwicklung
"Es ist wie das Bohren dicker Bretter", erklärte Regionalverbandsdirektor Wilfried Franke – gerade mit Blick auf den Bodenseekreis. "Die Bevölkerung in der Region wird in den nächsten Jahren noch weiter anwachsen, womit unsere Verkehrsprobleme noch größer werden", warnte er. Sowohl der Lastwagen- als auch der Autoverkehr würden weiter zunehmen. "Wenn wir in den nächsten fünf Jahren keine Lösungen finden – etwa durch Ortsumfahrungen und mehr öffentlichen Personennahverkehr – dann wird es in zehn Jahren schon zu spät sein", erklärte Franke mit Verweis auf ein erwartetes Plus von zehn Prozent im Autoverkehr und 39 Prozent im Lastverkehr bis 2030. Verängstigen wollte er seine Zuhörer im Obertor aber nicht. "Es gibt ja auch die positiven Entwicklungen, zum Beispiel bei der Südbahn." Auf der Strecke Friedrichshafen–Aulendorf seien ursprünglich etwas mehr als 1000 Fahrgäste täglich prognostiziert worden. Tatsächlich seien es heute rund 5000. Einen ähnlich großen Fortschritt erhofft sich Franke, wenn die Strecke Ulm-Friedrichshafen Ende 2021 elektrifiziert ist.
Probleme bei Anschlussverbindungen
Bei der Wahl des Verkehrsmittels spiele auch die Bequemlichkeit eine Rolle, erzählte Cornelia Rick aus dem Publikum: Wenn sie morgens per Fernbus von Konstanz nach Zürich fahren wolle, werde die Fahrt zur Bushaltestelle am Döbeleplatz oftmals zur Odyssee mit der Bahn. Der Städteschnellbus fahre zu dieser Uhrzeit noch nicht. Sie entscheide sich dann häufig für das Auto.
Schlechte Erfahrungen prägen Meinung zum ÖPNV
Jürgen Rick vermutete, dass solche Erfahrungen Langzeitwirkungen haben. Wer in seiner gesamten Schulzeit auf mangelhafte Busverbindungen angewiesen sei, würde sich später eher vom ÖPNV abwenden. Ein Besucher aus Efrizweiler brachte die Erfahrung seines Sohnes ein, dessen Schulbus jeden Tag zu spät komme. Bodo-Vertreter Jürgen Löffler riet ihm: "Suchen Sie das Gespräch mit der Schulleitung, mit dem Verkehrsausschuss der Schule und dann mit uns – da findet sich eine Lösung."
Bei Lösungen ist Flexibilität gefragt
Dass Lösungen nur langsam kommen, weil über die Kostenverteilung gestritten wird, das schilderte Irmtraud Schuster vom Dezernat Umwelt und Technik des Bodenseekreises. So sei für den Städtebus zwischen Ravensburg und Konstanz ein Stundentakt geplant. Doch hake es derzeit an der Fähre. Den Zuschuss fürs Übersetzen (500 000 Euro im Jahr) wolle das Land nicht tragen. Nun hofft Irmtraud Schuster auf die Flexibilität der Verhandlungspartner. Flexibel müsse auch die Lösung für den von Landrat Wölfle angestrebten Stundentakt der Bus-Ortsanbindung im gesamten Bodenseekreis sein. "Bei geringerem Bedarf brauchen wir flexible Bedienkonzepte – etwa das Anruf-Sammel-Taxi." Zum Blick über den Tellerrand lud Jürgen Löffler die Markdorfer beim Thema Stadtbus ein. "Tettnang und Bad Waldsee leisten sich einen – darüber sollten die Bürger mit dem Gemeinderat sprechen."
Die Südbahn als Modell
Froh zeigte sich Regionalverbandsdirektor Franke darüber, dass sich inzwischen alle Kommunen an den Planungskosten für den Ausbau der Bodenseegürtelbahn beteiligen. Er erhofft sich einen ähnlichen Effekt wie bei der Südbahn, wo die Landesregierung nach der regionalen Initiative schließlich auch aktiv geworden sei. Komme keine Oberleitung zwischen Singen und Friedrichshafen, so Franke, bedeute das das zwangsläufige Aus für durchgehende Züge zwischen Ulm und Basel. "Die werden dann in Radolfzell und Friedrichshafen gekappt." Die Landkreise Konstanz und Bodenseekreis beteiligen sich anteilsmäßig an den Planuzngskosten. Die Baukosten werden auf 100 Millionen Euro geschätzt. (büj)