Markdorf „Und was machen wir jetzt?“, fragt Fulco Rid, Vorstandsmitglied im BUND-Ortsverband Markdorf, als ihm hinter dem Eingangsgatter ein Rind mit seinen ausladenden Hörnern den Weg verstellt. „Der tut nichts – der will nur gefüttert werden“, beruhigt ihn Laura Matscher, und schickt das mächtige Tier mit einer wedelnden Handbewegung weg. Laura Matscher ist die Besitzerin der schottischen Highland Cattles, die seit Kurzem auf dem Ilgen am Gehrenberghang weiden. Der Ilgen war einst Halbstamm-Obstplantage. Vor 35 Jahren hat ihn der Ortsverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gepachtet, um dort wieder Lebensraum für Amphibien, Insekten und Vögel zu schaffen.
Im Laufe der Zeit wurde die Fläche von Brombeerhecken überwuchert. Alle Bemühungen, der Verbuschung Herr zu werden, blieben fruchtlos. „Auch eine Folge der vermehrten Stickoxidbelastung in der Luft“, erklärt Franz Beer, Biologe und lange Jahre Vorsitzender und Vorstandsmitglied des Markdorfer BUND. Heizungs- und Fahrzeugabgase lassen die Brombeersträucher wuchern. Die Brombeere liebt den Stickstoff. Sie breitet sich aber auf Kosten anderer Pflanzen aus. Die Biodiversität geht stark zurück. Doch nicht nur gegen die Brombeerbüsche hatten die Freiwilligen vom BUND anzukämpfen. Auch die Invasiv-Pflanze Indisches Springkraut suchte den Ilgen heim.
Wie auch an andere Stellen rund um Markdorf setzt der BUND nun auf eine Viehbeweidung, um das Ilgen-Areal freizuhalten. „Erfahrungen damit haben wir ja inzwischen reichlich gesammelt“, erklärt Fulco Rid. Etwa im Hepbacher-Leimbacher Ried, wo Laura Matscher ebenfalls an einem Beweidungsprojekt beteiligt ist. Gegenüber der Mahd durch Maschinen hat das Abfressen durch die Tiere den klaren Vorteil, dass dabei die Überlebenschancen für Pflanzen wie auch für Insekten weitaus höher sind. Die Biodiversität nimmt nicht ab. Im Gegenteil: Sie nimmt zu, lockern die Rinder doch mit ihren Hufen den Boden auf. Und die Tiere bringen obendrein auch noch wertvollen Dung auf die Fläche.
„Das Waldgebiet hier oben heißt Große Waldweide“, erklärt Franz Beer. Es reicht von der Panzerwiese bis weit in den Forst hinein. Mit Verweis auf den übergreifenden, aus alter Zeit kommenden Flurnamen der Ilgenfläche, erinnert Franz Beer an die über lange Jahrhunderte weitverbreitete Waldbeweidung. Rinder, Schafe und Ziegen wurden zur Hute in den sogenannten Hutewald getrieben. Was dort zur Auflichtung seines Baumbestands führte. Zu eben jenem Effekt, den sich der Markdorfer BUND-Ortsverband jetzt auch für seine vom Land gepachtete Ilgenfläche wünscht.
Von den Forstbehörden wurde das Beweidungsprojekt des BUND-Ortsverbands gutgeheißen, erklärt Fulco Rid. „Wir haben die Einverständniserklärung vom Freiburger Regierungspräsidium.“ In Freiburg begrüßt man die Initiative ausdrücklich. Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg betrachtet lichte Wälder als wichtige und besonders naturnahe Ökosysteme. Freilich hat die Forstverwaltung ausdrücklich darauf bestanden, dass die forstliche Nutzung des Ilgens weiterhin gewahrt bleibt. Der Waldcharakter bleibt somit erhalten. Biologe Franz Beer rechnet allerdings bis auf Weiteres nicht mit Holzeinschlag. Und er denkt da, so wie es im Wald üblich ist – in Jahrzehnten. Das Projekt, so der Hinweis von Fulco Rid, ist übrigens außer mit Freiburg auch mit der unteren Forstbehörde im Friedrichshafener Landratsamts auch noch mit dem Markdorfer Stadtförster eng abgestimmt.
Inwiefern das „selektive Fressen“ der Hochlandrinder die pflanzliche Standortvielfalt, aber auch die Fauna fördert, soll Spaziergängern demnächst eine Informationstafel erklären, kündigt Fulco Rid an. Angst müssen die Menschen übrigens keine haben vor den stattlichen Tieren: Ihre Weidefläche ist umzäunt. Und es handelt sich um überaus gutmütige, eigentlich eher scheue Tiere – trotz ihrer beeindruckenden Hörner, erklärt er.