Felchen in Netzen oder gegrillt und schön angerichtet auf Tellern sind in der Bodenseeregion ein bekannter Anblick. So weiß eigentlich jeder, wie ein Felchen aussieht: durchschnittlich 30 Zentimeter groß, silbrige Schuppen, weißes Fleisch.

Als Alexander Brinker aber nach einem Interview mit dem SÜDKURIER nach aktuellen Felchenfotos gefragt wurde, winkte er überraschend ab.

Die Fischereiforschungsstelle habe keine – und vermutlich gebe es aus dem ganzen Bodensee kein einziges Foto eines Felchen in freier Natur, sagte der Leiter der Fischereiforschungsstelle in Langenargen. Dort, wo Felchen leben, sei es für Fotografen zu kalt und vor allem zu dunkel, vermutet Brinker.

Gibt es vom Bodenseefelchen kein einziges Foto in freier Natur?

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Das kann doch nicht sein, oder? Im Netz gibt es schließlich etliche Fotos von Felchen. Doch selbst auf Wikipedia gibt es keine Aufnahme von einem Bodenseefelchen in freier Wildbahn – sondern nur eine Abbildung der historischen Bildtafel von Marcus Elieser Bloch aus dem 18. Jahrhundert.

Und auch Bilder-Rückwärts-Suchen in Suchmaschinen und Nachfragen bei Fotografen ergeben, dass tatsächlich viele der Aufnahmen, die lebende Felchen zeigen, in Aquarien entstanden sind.

Spur führt von Frankreich nach Pforzheim

Eine Nachfrage beim französischen Fotografen Rémi Masson ist ebenfalls nicht erfolgreich. Als Unterwasserfotograf hat er sich vor allem auf Aufnahmen in europäischen Süßgewässern spezialisiert.

Wie Felchen aussehen, ist durch Aufnahmen wie diese bekannt. Aber Aufnahmen aus freier Natur gibt es von Felchen kaum welche.
Wie Felchen aussehen, ist durch Aufnahmen wie diese bekannt. Aber Aufnahmen aus freier Natur gibt es von Felchen kaum welche. | Bild: Felix Kästle

Doch auch er sagt: Vom Bodenseefelchen hat er keine Aufnahme. Sie seien schwer zu beobachten, da sie zwischen zwei Wasserschichten schwimmen, erklärt er. Es sei nicht möglich, Felchen zu fotografieren, weil es sehr schwierig sei, vorauszusagen, wo sie sich aufhalten.

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Auch vom Fischereimuseum in Langenargen kommen schlechte Nachrichten: Aufnahmen von Felchen habe man keine. Dann aber liefert das Museum den entscheidenden Hinweis – und verweist auf einen Unterwasserfotografen aus Pforzheim.

Ein Pionier der Süßwasserfotografie?

Der Unterwasserfotograf ist Herbert Frei. Er sagt von sich selbst: „Außer mir gibt es wohl keinen Fotografen, der jemals ein Felchen im Bodensee fotografiert hat.“

Der mittlerweile 80-jährige Herbert Frei ist schon seit den 70er-Jahren als Unterwasserfotograf tätig, sagt er. Damals habe die Unterwasserfotografie noch in den Kinderschuhen gesteckt.

Herbert Frei ist trotz seiner 80 Jahre noch fit, sagt er. Sein Gesundheitszustand sei stabil, sodass er noch immer der ...
Herbert Frei ist trotz seiner 80 Jahre noch fit, sagt er. Sein Gesundheitszustand sei stabil, sodass er noch immer der Unterwasserfotografie nachgehen kann. | Bild: Heiko Pludra

Eigentlich ist Herbert Frei Diplom-Ingenieur, sagt er. In den 70er-Jahre habe es keine Fernreisen gegeben, „die Malediven kannte noch keiner“, sagt er. Um seine Kameras zu testen, konnte er nicht um die halbe Welt fliegen. Er übte im Süßwasser.

Das Felchen-Foto: Ein Glücksfall

In den 80er Jahren, es war wohl eines Tages im August, sagt Frei, wurde er von einem Magazin als Bayern engagiert. Er sollte die Pfahlbauten in Unteruhldingen fotografieren. „Es war spannend dort zu tauchen, wo eigentlich ein Tauchverbot herrscht“, erzählt er.

Dann fragte er sich, wie eigentlich so ein Felchen aussieht und wo diese leben. Wenige Tage später hatte er Glück: Zwei einzelne Felchen schwammen an ihm vorbei, eins im Freiwasser und eins in der Ufernähe.

Herbert Frei drückte ab – entstanden sind eine Handvoll Felchen-Bilder, damals noch festgehalten auf einem Diafilm. Digitale Fotos habe es in den 80er-Jahren noch keine gegeben.

In den 80er-Jahren hatte Frei Glück: Zwei einzelne Felchen seien ihm vor die Linse geschwommen – eine Seltenheit, sagt auch er.
In den 80er-Jahren hatte Frei Glück: Zwei einzelne Felchen seien ihm vor die Linse geschwommen – eine Seltenheit, sagt auch er. | Bild: Herbert Frei

„Bilder von Felchen zu schießen, ist mir nur dieses eine Mal im Leben gelungen“, sagt Frei. Es sei schwierig, den silbernen Speisefisch vor die Linse zu bekommen: Einerseits, weil es Felchen im Bodensee immer seltener gebe, andererseits, weil die Fische weitab der Uferregionen im Freiwasser leben. „Die Fische leben in bis zu 20 Metern Tiefe – wie will man diese dort finden?“, sagt Frei.

Teleobjektive würden unter Wasser nicht funktionieren, deshalb müsse man nah ran ans Objekt – und Felchen seien dementsprechend scheu, sagt Frei.

Ein Felchen in freier Wildbahn: Dass er so lange die Luft anhalten konnte, sei für Frei für die Aufnahme vorteilhaft gewesen, sagt er.
Ein Felchen in freier Wildbahn: Dass er so lange die Luft anhalten konnte, sei für Frei für die Aufnahme vorteilhaft gewesen, sagt er. | Bild: Herbert Frei

„Es gibt Fische, die sich an Atemgeräuschen von Tauchern stören. Ein Felchen hat sich nie an Taucher gewöhnen können“, erklärt der Unterwasserfotograf. „Ich hatte die Gabe, mehrere Minuten die Luft anzuhalten und habe mich einfach treiben lassen. So konnte ich den Felchen nahe kommen.“

Trotz seiner 80 Jahre ist Frei auch heute noch als Unterwasserfotograf unterwegs. Er sei noch fit, die Gesundheit lasse es zu, sagt er.

Noch im Oktober fliegt er dafür nach Papua-Neuguinea – ob ihm noch mal ein solcher Glückstreffer wie die Felchenbilder vor 40 Jahren gelingen wird? „Die Fotos sind absolut einzigartig und wertvoll“, sagt Frei. „Ein Bild von einem Felchen ist wie eine Blaue Mauritius.“