„Unnötige Förmlichkeit“ heißt die Ausstellung, zu deren Eröffnung der Markdorfer Kunstverein am Freitagabend in die Stadtgalerie, Ulrichstraße 5, einlädt. Gezeigt werden Arbeiten der in Salem und Düsseldorf lebenden Malerin Renata Jaworska. Die gebürtige Polin war an der Düsseldorfer Kunstakademie Meisterschülerin von Jörg Immendorff. Ihre Arbeiten finden internationale Beachtung und werden in namhaften Galerien ausgestellt.
„Aber ich freue mich, dass meine Arbeiten jetzt auch hier in Markdorf zu sehen sind“, erklärte die Künstlerin beim Pressetermin. Auf die Anfrage des Kunstvereins hin, habe sie auch sofort zugesagt. Was auch an der Nähe zu Salem liege, wo sie arbeite. So sei ein räumlicher, aber auch ein biografischer Bezug hergestellt. Und um beides – um Raum und Biografie kreise ihre Kunst.
Wunsch oder Wahn?
Zu! Bebaut, fast restlos versiegelt – eine große Agglomeration. Friedrichshafen hat alles geschluckt. Ittendorf, Stetten, Meersburg. Noch geballter sieht es jenseits des Sees aus. Konstanz hat sich tief ins Schweizer Hinterland hineingefressen, zur Mega-City aufgebläht. Tiefschwarze Flächen stehen für geschlossene Blöcke, für Großgebäude, die keine Binnendifferenzierung mehr zulassen. Handelt es sich hier um die Wunsch- und Wahnvorstellung eines Städteplaners oder doch den ernüchternden Blick in die Zukunft? Renata Jaworska mag sich da nicht festlegen. „Ich sehe mich nicht als Prophetin“, erklärt sie. Ihr Anliegen sei die Kunst, sei die ästhetische Auseinandersetzung mit Realitätspartikeln.
Mit Wirklichkeitsfragmenten, die ihr die Natur vorlegt – etwa in Form eines Vogelschwarms, dessen Kreisen, Sich-Dehnen und Zusammenziehen sie per Zeichenstift zu erfassen sucht. Viel öfter aber stützt sich Renata Jaworska auf Kartenbilder, also auf Realitätspartikel kultureller Art. Wobei sie – wie im Falle der nun in der Stadtgalerie zu sehenden Bodensee-Landschaft die Uferlinie darstellt, die übrige Topografie jedoch von Häusern und Straßen beziehungsweise den Zeichen dafür verdecken lässt. Ein weiteres Gestaltungsmittel kommt hinzu: Begegnen außer den vermeintlichen Straßen-Linien in Schwarz doch auch noch andere Linien, gelbe, rote, orangefarbene Geraden.
Neue Ebene durch bunte Linien
Sie bieten sich als Schlüssel an. Schließlich übersteigt Renata Jaworska mithilfe dieser imaginierten, nicht ins kartografische Konzept passenden Linien das schlichte Gegenüber, mit dem jede Karte operiert. Gemeint ist das Gegenüber von kartografischem Zeichensystem und der bezeichneten Wirklichkeit, von Symbolen und Landschaft. Renata Jaworska durchbricht diesen Dualismus mit ihren bunten Linien, fügt gewissermaßen eine neue Ebene ein. Eine Ebene, die Rätsel aufgibt – und zum Innehalten nötigt. „Vieles in unserer Gegenwart ist sehr chaotisch“, findet die Künstlerin. Ihre Bilder spiegeln sowohl das Chaotische, wie auch die Spuren von Ordnung wider.
Sie habe, so sagt Renata Jaworska, „nie den Glauben an die revolutionäre Kraft der Kunst verloren.“ Direkt umstürzlerisch wirken ihre Bilder nicht. Jedenfalls nicht so, als würden sie eine revolutionäre Botschaft vermitteln wollen. Revolutionär sind sie trotzdem. Zumal sie die vorgegebenen Wahrnehmungsmuster und Einordnungsraster verfremden. Plötzlich wird Anderes sichtbar, scheint Neues denkbar.
Zur Person
Renata Jaworska wurde 1979 im polnischen Zwolen geboren. Sie absolvierte ein Kunststudium an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf. 2007 erhielt sie ein Stipendium der Stiftung „Lepsien Art Foundation“. Weitere Stipendien folgten. Renata Jaworska hat in Polen, in England, in Italien, in Frankreich, in den USA, in Dänemark und immer wieder in der Bundesrepublik ausgestellt. Sie lebt in Düsseldorf und in Salem.
Die Ausstellung in der Markdorfer Stadtgalerie dauert bis zum 7. Juni.
Weitere Informationen unter:
http://www.kunstverein-markdorf.de