„Er ist beim Gast, dort, wo er am glücklichsten ist. Jetzt darf er sich wieder ausleben“, sagt Schwiegertochter Stefanie Denner und weist den Weg zu „Adler“-Wirt Manfred Denner in Hefigkofen. Mit seiner Haltung steht dieser stellvertretend für die Gastronomen der Region, die seit Montag aufgrund entsprechender Lockerungen der Corona-Verordnung wieder bewirten dürfen.

Wie setzen sie die Regeln um, wie ist es ihnen ergangen und wie zuversichtlich sind sie? Der SÜDKURIER fragte nach.
Zeit, sich an die Hygieneregeln zu gewöhnen
Die Resonanz ist, wie in den meisten Betrieben, noch etwas verhalten. So auch in der „Pizzeria Lamm“ in Markdorf. „Am ersten Tag war es sehr ruhig, am nächsten schon etwas besser. Die Gäste haben noch Angst, es ist ja nichts wie vorher. Es braucht sicher Zeit, bis sie sich wieder richtig trauen“, sagt Romolo Gentile, Chef der „Pizzeria Lamm“ in Markdorf, der seine Hoffnung auf mehr Belebung auf die kommende Woche setzt.

Zeit benötigten seiner Ansicht nach auch die Gäste, sich an die Regeln wie Handdesinfektion, Abstand und dergleichen zu gewöhnen. Auch die Arbeit ist etwas beschwerlicher geworden. „Wir sind Mundschutz nicht gewohnt und es ist sehr anstrengend, ihn den ganzen Tag zu tragen.“
Dennoch sind die Mitarbeiter froh, wieder kochen, backen und bedienen zu können. Mehr als die Hälfte war in Kurzarbeit. Die andere konnte mit dem Lieferdienst von Pizza, Pasta und Salaten und dem „To Go-Service“ weiter beschäftigt werden. „Das wurde sehr gut angenommen und so konnten wir über die Runden kommen“, sagt Romolo Gentile. Nun ist der Lieferdienst weitgehend eingestellt und das Team konzentriert sich voll aufs Restaurant.

„Wir hoffen, dass sich in den nächsten zwei Wochen alles wieder normalisiert, sonst muss ich wieder ein paar Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken.“ Fast 50 Prozent der Tische musste er entfernen. Weitere Einbußen wird er in Kauf nehmen müssen: Viele Berufstätige, die den Mittagstisch nutzten, sind jetzt im Homeoffice und bleiben weg.
Feiern, Hochzeiten – alles gestrichen
Acht Wochen hatte das „Restaurant- Bar- Café Untertor“ in Markdorf geschlossen. „Wir haben eine richtig tolle Küche, zum Mitnehmen sind die Gerichte nicht geeignet“, sagt Inhaber Marcus Hagner. Zum Abholen hätten sie extra eine Abholstation einrichten müssen, das hätte sich nicht rentiert. Die vergangenen acht Wochen könne er nicht mehr aufholen, „das ist ein verlorenes Geschäft“. Standesamtliche Hochzeiten, Geburtstags- und Kommunionfeiern musste er abschreiben.
Dennoch schaut er positiv in die Zukunft, was er auf seine Einstellung zurückführt: „Ich bin ein Mensch, der das Beste aus allem macht.“ Die Äußerung einiger überregionaler Wirte, mit angezogener Bremse zu öffnen, sei unrentabel, teilt er nicht. „Die Gäste möchten einen schönen Abend und Freude haben. Es ist schön, wenn überhaupt etwas geht.“ Hauptsächlich Stammgäste konnte er seit Öffnung empfangen.
Einen sehr ruhigen Auftakt registrierte auch Natalie Kraus-Litzki vom „Landgasthaus Zollerstuben“: „Die Leute gehen noch nicht wirklich weg.“ Halten sie die Hygieneregeln ein? „Es gibt Leute, die tun, was man machen muss, aber es gibt auch Quertreiber“, hat sie festgestellt. So ist für manche nicht einsichtig, dass man nun generell durch den Haupteingang eintreten muss, auch wenn man auf die bisher von der Straße zugängliche Terrasse will.

„Wir müssen schauen, wer kommt und dass es nicht zuviele sind. Gleich zu Beginn werden die Gäste zur Handdesinfektion oder zum Hände waschen gebeten. Das wird leider von einigen ignoriert.“ Etliche Schilder mit Verhaltensregeln informieren den Gast. Die Schutzmaske sollte erst am Tisch abgelegt werden, um auch andere Gäste und Mitarbeiter im Begegnungsverkehr zu schützen. Es gebe jedoch immer noch Leute, die keine Maske hätten.
Nach Renovierungen auf Einnahmen angewiesen
Vom ersten Wochenende an seit der Sperre Anfang hatte Natalie Kraus-Litzki einen Lieferservice angeboten. Sie ist besonders nach Renovierungs-Investitionen in Gästezimmer und Restaurant auf Einnahmen angewiesen. „Er wurde super angenommen. Mit so einer Nachfrage hätte ich nicht gerechnet. Ich war echt froh und den Leuten sind wir sehr, sehr dankbar. Es geht ja auch um Mitarbeiter, um Arbeitsplätze. Das gab einem nach zwei, drei Wochen das Gefühl von Sicherheit.“

Wie ernst sie es mit den Vorgaben nimmt, zeigt ein Beispiel: Einmal hätten sich Gäste zu ihren gewerblichen Hausgästen gesetzt. „Die hatten nichts dagegen“, meinten sie. „Aber das Gesetz und ich“, war ihre Antwort und bat die Fremden an einen anderen Tisch. Auch das Personal sei angehalten darauf zu achten, dass mehrere Personen nur aus einem Haushalt zusammensitzen dürfen.
Und wie sieht sie die Zukunft? Positiv. Sie hofft, dass bald alle Gäste die Verhaltensregeln beachten. „In zwei, drei Wochen, wenn die neuen Zahlen vorliegen, wissen wir, ob es noch weitere Lockerungen gibt.“ Bis dahin will sie den Abholservice beibehalten: „Gerade Ältere holen ihr Essen vorsichtshalber lieber ab.“
Abholservice wurde super angenommen
Auf Abholservice haben auch Julia Bosshart und Carina Steimle vom „Landgasthof Linde“ in Hepbach gesetzt. „Wir hatten wahnsinnig viele Bestellungen, schon vor dem Lockdown, haben Mittagsgerichte, wechselnde Menüs und Angebote auf die Karte gesetzt und viel geworben. Wir haben sehr viele Gäste dafür gewinnen können, darunter zahlreiche Senioren, zum Teil auch neue Kunden. Es kam echt gut an und das hat uns über die Runden geholfen, auch weil wir die Personalkosten herunterfahren konnten.“ Bis Freitag vor Pfingsten bieten sie den Service komplett an, später wollen sie ihn im Kleinen eventuell beibehalten, „bis wir wieder alle Sitzplätze besetzen dürfen.“

Denn wegen der Abstandsregelung haben nur sehr wenige Tische in den geschlossenen Räumen Platz. Deshalb sind sie auf eine pfiffige Idee gekommen: Die Gäste können an den belebten Wochenenden wählen, ob sie zwischen 17 und 19 Uhr oder ab 19 Uhr essen wollen. Mit der Zweierbelegung hoffen die Schwestern, den Ausfall etwas ausgleichen zu können. „Wir haben schon Reservierungen bekommen und das den Gästen erklärt. Niemand hat reklamiert, alle haben sehr verständnisvoll reagiert“, so Julia Bosshart.
Geöffnet wird die „Linde“ erst am Freitag vor Pfingsten. „Wir hatten noch recht viele Vorbestellungen außer Haus und selbst noch einige Restbedenken. Wir wollten abwarten, wie sich die Zahlen entwickeln, auch mit Rücksicht auf unsere Eltern und die Ansteckungsgefahr.“

Auch sie sind vor dem Hintergrund der Investitionen in das neue Gästehaus verstärkt auf Einnahmen angewiesen. Ihr bescheidener Wunsch: „Wir wollen keinen Profit machen, aber die Kosten decken.“
„Leute sind etwas verunsichert“
Am 1. April wollte Simon Sanli das „Ludwig Café-Bar“ im Proma wieder eröffnen, dann kam „Corona“ dazwischen. Seit Mittwoch ist es geöffnet. Um ein Fazit zu ziehen, sei es noch zu früh. Die ersten Gäste kamen, aber erwartungsgemäß war der Andrang sehr verhalten. „Wir denken, dass die Leute noch etwas verunsichert sind. Viele wissen auch nicht, dass geöffnet ist“, meinte Hasan Sahiz am Feiertag. Wären sie am See, wäre es sicher voller, überlegt er, der die Menschen bei dem schönen Wetter eher am Wasser wähnt.

Er ist voller Hoffnung, dass die Gäste aber kommen, morgens frühstücken, mittags und abends Kleinigkeiten oder Kaffee und Kuchen vom Café Höpker konsumieren werden. Und dass der Eventraum für Feiern, Workshops, Tagungen und Seminare bald wieder belegt werden wird, falls ab 1. Juni weitere Lockerungen greifen und sich dann wieder bis zu 100 Personen in einem Raum aufhalten dürfen.
Ambasadorka: Eröffnung verzögerte sich um einige Wochen
Ihren zu Ostern geplanten Eröffnungstermin des „Ambasadorka Café und Vinothek“ in Markdorf musste Magdalena Linnig ebenfalls verschieben. Mit dem Verkauf von Wein ist sie Anfang Mai gestartet. Verhalten war auch hier der „Ansturm“ aufs Café, in dem man Kuchen der Konditoreien Popp und Höpker und herzhafte Kleinigkeiten sowie Salate genießen kann, was aber durch die positive Resonanz auf den Umbau wettgemacht wird.
Einige Gäste nahmen Kaffee und Kuchen mit oder konsumierten ihn vor Ort und entdeckten nebenbei die europäischen Tropfen, die Magdalena Linnig auch zur Verkostung anbietet.

Weil es am Mittwoch gut lief, hatte sie sich entschieden, auch am Feiertag zu öffnen, „damit sich die Gäste eingeladen fühlen. Sicher ist die Öffnung an manchen Tagen nicht wirtschaftlich, aber ich will den Kunden zeigen, dass sie willkommen sind, auch wenn sie nur einen Kaffee to go mitnehmen. Gastfreundlichkeit ist unser Motto.“

Berggasthof Höchsten: Buchungen ziehen langsam wieder an
Überraschend gut ist es im „Berggasthof Höchsten“ angelaufen: „Wir sind nicht überrannt worden, aber ich bin sehr zufrieden . Wir hatten viele Stammgäste, die darauf gewartet haben, dass wir wieder aufmachen,“ sagte Hans-Peter Kleemann. Sein Hygienekonzept hat er mit dem Gesundheitsamt Sigmaringen abgestimmt. Demnach dürfen die Mitarbeiter im Service auch Plexiglas-Schutzschilde tragen. Total überrascht sei er auch, wie diszipliniert sich die Gäste verhalten. Die Rennradfahrer, die ihren teuren Drahtesel nicht aus den Augen verlieren wollen und im Garten sitzen, würden ihr Rad nun vom Hoteleingang durch die Räume raus auf die Terrasse und in den Garten rollen, wo nun der Ausgang für alle ist.
Wirt Kleemann erlebt Dankbarkeit und Wertschätzung
Die Buchungen zögen an, so dass sie wohl kostendeckend arbeiten könnten. „Die Mitarbeiter haben auch gefiebert, dass sie wieder arbeiten können.“ Im Gegensatz zur kleineren Dorfwirtschaft habe er keine Platzprobleme. Für die moderate Anhebung der Preise, um den Verlust wieder etwas ausgleichen zu können, hatten bisher alle Verständnis: „Wenn wir jetzt zum gleichen Preisniveau mit mehr Aufwand weniger Umsatz machen, ist es vorprogrammiert, dass man das Jahr nicht überlebt. Die Gäste sind so froh, dass es uns wieder gibt, dass man das akzeptiert. Im Moment haben wir viel Dankbarkeit und Wertschätzung erfahren, das hat einen geradezu berührt. Ich hoffe, dass es so bleibt.“
Nach den Zimmer-Stornierungen nähmen die Buchungen wieder zu und die Mundwinkel gingen nach oben. „Die Zeit war schon sehr deprimierend. Das Problem war, dass man keine Perspektive hatte.“ Nur die sieben Auszubildenden haben profitiert. Ganz bewusst wurde die Zeit für Schulung genutzt. Es wurden Bienenhotels gebastelt, ein Ostermenü zum Abholen gekocht, Dinnete gebacken, Werbung übernommen und auf die Prüfungen hingearbeitet. Jeder hatte sein Erfolgserlebnis.
Gasthof Adler in Hefigkofen: Inhaber fühlt sich wieder in seinem Element
Manfred Denner, Inhaber des „Gasthof Adler“ in Hefigkofen, hatte sich ebenfalls mit Abholservice über Wasser gehalten. Den behält er bei und bietet zudem Produkte wie Grillpakete, selbstgemachte (Dosen)wurst und tischfertig zubereitete Speisen wie Gulasch, Maultaschen und Beilagen an.
Auch hier eine verflixte Situation: Nach dem Brand im Februar 2019 hatte er die Eröffnung Mitte März 2020 nach dem Wiederaufbau kräftig feiern wollen. Das erfolgt jedoch wegen der Empfehlung der Gemeinde bereits mit „angezogener Handbremse“ und ohne Frühschoppen.

Seit Dienstag fühlt er sich wieder in seinem Element. Jedoch auch hier vorerst noch mit angezogener Handbremse. „Viele Gäste sind sich unsicher, was sie dürfen und was nicht, oder verstehen es oft nicht. Und das Tragen der Maske ist für uns eine richtige Spaßbremse“, meint er – sein auf der Maske aufgedrucktes Lachen täuscht darüber hinweg.

Schwierig sei die Kontrolle: Er sei nicht berechtigt, die anzugebenden Adressen der Gäste zu kontrollieren, und er wisse nicht, ob sie zum selben Hausstand gehörten. Wenn die Gäste zum Ausfüllen nicht bereit seien, müsse er sie abweisen.
Not macht erfinderisch: Tischset mit Speisekarte
Not macht erfinderisch: Die tolle Speisekarte aus Filz dürfen sie wegen mangelnder Desinfiziermöglichkeit nicht auslegen. Nun gibt es ein papiernes Tischset mit Speise- und Getränkekarte. Während sich die meisten an Desinfektionsregeln hielten, stellt er bei der älteren Generaton eher Unbekümmertheit fest.
Sein relativ großer Wintergarten, Restaurant und Außenbereich ermöglichen ausreichend Abstand, aber alle Feiern und der Stammtisch sind untersagt; Umsätze, die sie dringend gebraucht hätten. Er und seine Familie hoffen ganz stark auf Anfang Juni, wenn neue Lockerungen in Sicht seien. „Ich will wieder Gastgeber sein und wir freuen uns riesig, dass wir wieder bewirten dürfen, aber ein Ende der Krise für die Gastronomie bedeutet das nicht.“