Markdorf Hilf dir selbst, dann wird dir am schnellsten geholfen. Das war das Prinzip, nach dem Karolina Dokter verfahren ist. Die junge Mutter hätte ihre Tochter gern zum Kinderturnen angemeldet. Weil Kinder Bewegung brauchen. Und weil Bewegung in Gemeinschaft stets mehr Spaß macht. Anmelden durfte Karolina Dokter ihre Tochter Eleonora auch gern beim Markdorfer Turnverein. Doch sei ihr von vornherein gesagt worden: „Das kann dauern.“ Denn die Wartelisten fürs Kinderturnen seien lang – sehr lang.
Rund 200 Kinder stehen aktuell auf der Warteliste. Weil es dem Turnverein an Übungsleitern fehlt, kommen sie nicht zum Zuge, können nicht in Gemeinschaft mit Gleichaltrigen mit Ringen, Bällen oder Keulen spielen – beziehungsweise eines der vielen, vielen Bewegungsspiele machen, die die Übungsleiter den jungen Teilnehmern beim Kinderturnen anbieten. Karolina Dokter ließ nicht locker. In Anbetracht der langen Warteliste ließ sie die Hoffnung fahren, dass ihre Tochter über kurz oder lang nachrücken könnte. Also ergriff Karolina Dokter selbst die Initiative – und bot sich dem Turnverein als Übungsleiterin an. Womit sie gewissermaßen offene Hallentüren einrannte.
„Übungsleiter gesucht!“ heißt es denn auch auf der Internetseite des Vereins. Und weiter: „Engagiere Dich im Kinderturnen“. Es kommt der Hinweis auf die Rolle, die regelmäßige sportliche Aktivitäten schon bei den Allerjüngsten für deren motorische, aber auch für die soziale und emotionale Entwicklung spielen. Und auf noch etwas wird ausdrücklich hingewiesen unter der Teilüberschrift „Bewegung macht stark“: Wer Übungsleiter im Kinderturnangebot des TVM werden will, braucht keineswegs eine Übungsleiterlizenz. Lediglich ein polizeiliches Führungszeugnis muss vorgelegt werden.
Engagiert hat sich auch Robert Wesolowski, seit einem Jahr Vorsitzender des Vereins. „Wenn keiner die Initiative ergreift und ein bisschen Verantwortung übernimmt, dann kommt auch nichts zustande.“ Ein Hexenwerk sei es gewiss nicht, sich ein paar Übungen auszudenken, damit die Kinder beim Turnen eine gewisse Abwechslung haben. Und erfahrungsgemäß seien die übrigen Eltern in der Eltern-Kind-Turn-Gruppe auch gern bereit, beim Aufbau der Übungsstationen zu helfen. Die Eltern betrachten sich als Team – nicht zuletzt geht es auch um die Gemeinschaft. Und die Kinder haben ohnehin Spaß. Wenn sie gänzlich spielerisch lernen, Hände und Füße zu koordinieren. Laufen, Springen, Balancieren steht für die Kleinen im Vordergrund. Neben der Motorik, neben der Sensorik und dem Sozialen spielt ein weiterer Bereich eine wichtige Rolle: das Kognitive. Denn nirgends lernen jüngere Kinder besser als beim konkreten Handeln. In der Turnhalle lernen sie, die Körper ins Verhältnis zur Umwelt zu bringen. Sie entwickeln Körperschema und Raumvorstellung weiter, schreibt der Deutsche Turner-Bund.
„Die Hallen sind ja da“, erklärt Wesolowski. Aus seiner Sicht gibt es keinen Grund, dass die Kinder nicht dazu kommen, was ihnen, was ihrer Entwicklung gut tut. Sicher, die Übungsleiter und Helfer würden derzeit noch fehlen. Umso dringlicher sei es, darauf hinzuweisen, wie sehr den Kindern auf der Warteliste geholfen werden könnte, wenn sich mehr Freiwillige fänden.
In der Geschäftsstelle des Turnvereins, im ersten Stock der Alten Kaplanei, hofft Wolfgang Neutzler auf Freiwillige – egal ob diese eine Übungsleiterposition übernehmen oder sich lieber als Helfer anbieten möchten. „Hier und hier... und da auch“, zeigt Neutzler auf jene leeren Felder, die auf dem Bildschirm die Angebots- und Hallenübersicht darstellen. Wie hatte Wesolowski es formuliert? „Die Hallen sind ja da.“ Es fehlt an Übungsleitern. Und vielleicht fehlt es ja auch ein bisschen an Fantasie. Denn wer sich das bunte Treiben der Kinderturngruppen ansieht und wer beobachtet, mit wie viel Spaß Übungsleiter, Helfer und Eltern zusammenarbeiten, der wird sich das davor wohl kaum so vorgestellt haben.