Der Gemeinderat hat für dieses Jahr einen Hebesatz für die Grundsteuer B in Höhe von 150 Prozent beschlossen. Dieser Beschluss wurde unter der Auflage getroffen, einen Gutachter zu beauftragen, welcher die Möglichkeit einer Deckelung der Steuer prüfen soll. Zeitgleich soll der Gutachterausschuss beauftragt werden, analog der sogenannten Schömberger Erklärung des Gutachterausschusses Calw die Überarbeitung und rückwirkende Neufestsetzung der Bodenrichtwerte für die Gemarkung der Stadt Meersburg zu prüfen und bei Feststellung von Fehlern rückwirkend neu zu beschließen.
Deckelung auf höchstens das Dreifach prüfen
In der vorhergehenden Sitzung wurde beschlossen, eine Deckelung auf höchstens das Dreifache der bisherigen Grundsteuer zu prüfen, da Grundstücksbesitzer in Einzelfällen bis zum Zehnfachen mehr als zuvor zahlen müssten. Kämmerin Heike Sonntag berichtete, dass sie die Frage der Deckelung mit dem Landratsamt abgeklärt und dieses eine Absage erteilt habe. „Wegen des Gleichheitsgrundsatzes und des Äquivalenzprinzips sind beim Hebesatz keine Abstufungen möglich“, erklärte Sonntag.
Markus Waibel (FWV) befürchtete, dass nun vermehrt nachverdichtet werde. Wenn das Grundstück groß sei und die Eigentümer die Steuer nicht mehr zahlen könnten, würden sie die Flächen weiter bebauen wollen. „Da brauchen wir gute Bebauungspläne“, meinte er. Monika Biemann (Umweltgruppe) ärgerte sich über die „absolut katastrophale Gesetzgebung“. Sie zählte große Grundstücke wie jene am Berg hinter dem Kindergarten auf, welche unterhalb der Häuser am Hang absolut unbebaubar seien und nun für die vielen Quadratmeter besteuert würden. „Wer kann sich 10.000 bis 12.000 Euro Grundsteuer im Jahr leisten“, fragte sie. Sie bezweifle, dass solche Grundstücke wieder verkaufbar seien. Deshalb schlug sie vor, den Hebesatz so niedrig wie möglich festzusetzen. „Das macht zwar nicht viel aus“, sagte Biemann, „aber so können wir ein kleines Zeichen setzen, dass wir die Menschen berücksichtigen.“
Boris Mattes (SPD), der in der Januarsitzung die Prüfung der Deckelung angeregt hatte, gab sich mit der Antwort des Landratsamts nicht zufrieden. Anhand der Daten zeige sich, dass 285 Eigentümer bei einer mehr als dreifachen Steigerung künftig durchschnittlich 1500 Euro jährlich zahlen müssten, wo sie vorher durchschnittlich 231 Euro gezahlt hätten. Zuvor habe diese Gruppe fünf Prozent der städtischen Grundsteuereinnahmen gezahlt, künftig zahle diese Gruppe ein Drittel. „Ist das gerecht?“, fragte er.
Sorge vor massiv nachverdichtender Bebauung
Die Erhöhung um bis zu 1500 Prozent betreffe „vor allem die ältere einheimische Bevölkerung mit ihrem älteren – und zum Teil sehr sympathischen, aber oft renovierungsbedürftigen – Gebäudebestand.“ Sollten diese Gebäude nun abgerissen werden, um die Grundstücke massiv verdichtet zu bebauen, fürchte er um die Attraktivität der Stadt und anderer Seegemeinden mit ähnlichen Verhältnissen. Zudem werde dem Gutachterausschuss der Ermessensspielraum genommen, da nach der Grundsteuerreform möglichst große Bodenrichtwertzonen eingerichtet werden sollen, die nicht mehr trennungsscharf seien. Deshalb schlage er vor, den Weg der Stadt Calw zu gehen, welche rückwirkend alle festgesetzten Bodenrichtwerte aufgehoben und die Neufestsetzung beschlossen habe. „Ich empfehle allen, sich mal die sogenannte Schömberger Erklärung anzusehen“, sagte er und stellte Anträge zur weiteren Prüfung und Beauftragung von Gutachten.
Höhere Grundsteuer trifft auch Mieter
Dieses Ansinnen löste eine rege Diskussion in den Reihen der Gemeinderäte aus. Sebastian Schmäh (CDU) meinte, es sei natürlich schade, dass es einige so hart treffe, aber es gebe auch viele, die künftig weniger zahlen müssten. Zudem wollte er wissen, woher bei einer Deckelung das fehlende Geld für den Haushalt kommen soll. „Wir haben auch eine Verantwortung den Bürgern gegenüber“, sagte Schmäh.
Anna-Lena Murzin (Bündnis 90/Die Grünen) erinnerte daran, dass die Grundsteuer auch die Mieter betreffe, die nichts an der Situation ändern könnten. „Ein Eigentümer hat gar kein Interesse an einem teuren Einzelgutachten, da er die Grundsteuer voll auf den Mieter runterrechnen kann.“ Ihre Fraktionskollegin Christine Ludwig meinte: „Ich finde, wir machen die Sache zu groß.“ Es seien lediglich 39 Objekte, für die mehr als 5000 Euro bezahlt werden müssten.
Vorschlag: Hebesatz nur für ein Jahr beschließen
Bürgermeister Robert Scherer sah dies ähnlich, „bei allem Verständnis für die Argumente“, wie er sagte. „Aber wenn wir bis Juni keinen rechtskräftigen Beschluss zum Hebesatz haben, bekommen wir 0 statt 1,4 Millionen Euro“, mahnte er. Christian Herter (Umbo) machte den Vorschlag, den Hebesatz nur für ein Jahr zu beschließen, um Zeit zu haben, andere Modelle zu prüfen. „Dann können wir nächstes Jahr eventuell neu festsetzen.“
Bürgermeister Scherer sah darin einen Kompromiss und änderte den Beschlussvorschlag dahingehend, den Hebesatz festzulegen und innerhalb des Jahres die gewünschten Gutachten einzuholen. Nach einer Pause zu Beratungen innerhalb der Fraktionen wurde der Beschlussvorschlag noch ergänzt. Auf Anraten Waibels wurde eine erneute Beratung des Themas im November aufgenommen und auf Vorschlag von Sabine Holzherr-Tausendfreund (FDP) wurden die Kosten für einen Gutachter auf maximal 15.000 Euro begrenzt. Der Gemeinderat stimmte bei zwei Gegenstimmen mehrheitlich für den Beschluss.