Die Grundsteuerreform in Baden-Württemberg sorgt für Unmut bei vielen Grundstückseigentümern. Während das Land auf ein vereinfachtes Modell setzt, fühlen sich Betroffene durch die hohen Belastungen ungerecht behandelt. Besonders in Seenähe steigen die Abgaben für einige drastisch.

Werner Wandelt und Jochen Büter stehen beispielhaft für die Kritik einiger Bürger. Beide sind Eigentümer von Grundstücken in Nußdorf und wurden von der Reform hart getroffen. Jochen Büter, 58, lebt mit seiner Frau auf einem Grundstück, das seit vier Generationen in Familienbesitz ist. Seine Frau, deren Urgroßeltern das Land gehörte, habe seither stets alle anfallenden Steuern gezahlt – von der Erbschafts- bis zur Grundsteuer.

Nun hat sich die Belastung vervielfacht. „Bisher haben wir für unser Grundstück 1167 Euro Grundsteuer bezahlt, jetzt sind es 3047 Euro“, sagt Büter. Noch dramatischer fällt die Erhöhung für das benachbarte Grundstück aus, das ebenfalls den Büters gehört: Für das unbebaute Landschaftsschutzgebiet, für das zuvor 457 Euro fällig waren, muss das Ehepaar jetzt 5016 Euro jährlich zahlen. Unbebaute Grundstücke werden besonders hoch besteuert, um einen Anreiz für die Entstehung von Wohnraum zu schaffen.

Für manche Grundstücke am Bodenseeufer in Überlingen-Nußdorf gilt aktuell ein Bodenrichtwert von 2800 Euro.
Für manche Grundstücke am Bodenseeufer in Überlingen-Nußdorf gilt aktuell ein Bodenrichtwert von 2800 Euro. | Bild: Hilser, Stefan

Vereinfachtes Modell als Ursache der Kritik

Jochen Büter sieht die Ursache der Probleme im Grundsteuermodell Baden-Württembergs, das er als „zu einfach“ bezeichnet. Das sogenannte Flächen-Lage-Modell basiert ausschließlich auf der Grundstücksfläche und dem Bodenrichtwert. Anders als im Bundesmodell, das einige andere Bundesländer nutzen, spielen die Wohnfläche und der Gebäudewert keine Rolle.

Jochen Büter gibt zudem zu bedenken: „Viele der Grundstücke am See sind seit Jahrzehnten in Familienbesitz und werden selbst genutzt.“ Die hohen Bodenrichtwerte seien also nicht durch die Familien selbst getrieben, sondern durch den Markt in der Region, so der 58-Jährige.

„Leider gilt der Wucherparagraf nicht für den Staat“

Auch Werner Wandelt, 75, ist betroffen. 2006 kaufte er mit seiner Frau ein Grundstück in Nußdorf und baute darauf ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung. Bisher zahlte er 652 Euro Grundsteuer, jetzt sind es 1424 Euro. „Zu meiner Rentenerhöhung passt das nicht“, sagt der ehemalige Ingenieur. Die Steuer könne er nur aus Reserven zahlen.

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„Leider gilt der Wucherparagraf nicht für den Staat“, führt Wandelt weiter aus. Damit verweist er auf Paragraf 138 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), in dem es mitunter heißt:“ Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.“ Während private Rechtsgeschäfte, die ausbeuterisch oder unverhältnismäßig sind, als sittenwidrig und damit nichtig erklärt werden können, betrifft der Paragraf keine Forderungen des Staates. Steuern beruhen auf öffentlich-rechtlichen Gesetzen, weshalb sie nicht mit dem sogenannten Wucherparagrafen überprüft werden können.

Die Stadt wiegelt ab

Doch nicht nur das Land Baden-Württemberg sehen die beiden Männer in der Verantwortung. Auch mit der Stadtverwaltung suchten sie mehrfach das Gespräch. Die verwies jedoch darauf, sich an geltendes Recht halten zu müssen. „Man gab uns den Rat, einen Antrag auf Teilerlass oder Stundung der Grundsteuer zu stellen“, berichtet Büter. Doch die Hürden dafür seien so hoch, dass dieser Weg praktisch unmöglich sei.

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Das bestätigt auch die Stadtverwaltung auf SÜDKURIER-Nachfrage. „Die Möglichkeit eines Teilerlasses sieht die Abgabenordnung grundsätzlich vor, die Hürden sind jedoch sehr hoch“, schreibt Pressesprecherin Andrea Winkler. Vor einem Teilerlass müsse man zunächst die Möglichkeit einer Stundung prüfen, so Winkler. Doch auch dafür gebe es strenge Voraussetzungen. „Die Tatsache, dass Herr Büter die Summe für unverhältnismäßig erachtet, reicht nicht aus“, so die Pressesprecherin.

Andrea Winkler, Pressesprecherin der Stadt Überlingen.
Andrea Winkler, Pressesprecherin der Stadt Überlingen. | Bild: Hilser, Stefan

Die einzige Stellschraube der Stadt ist der Hebesatz. Eine Senkung des Hebesatzes hätte jedoch zur Folge, dass die Aufkommensneutralität – also der Gesamtbetrag der Einnahmen – nicht mehr erreicht werden würde, so Winkler. „Somit scheidet diese Option aus.“ Denkbar wäre laut Winkler noch die Beauftragung eines Einzelwertgutachtens. Wenn ein Grundstückseigentümer nachweisen kann, dass der tatsächliche Wert seines Grundstücks mindestens 30 Prozent unter dem festgelegten Grundsteuerwert liegt, so könne er beim Finanzamt beantragen, dass der niedrigere Wert berücksichtigt wird.

„Wir wissen, dass wir in einer privilegierten Lage sind.“
Jochen Büter, Steuerberater

Weitere Schritte zu unternehmen, kommt für Jochen Büter und Werner Wandelt nicht infrage. „Das führt zu nichts“, sagt Wandelt. Beide betonen, dass sie die erhöhten Beträge bezahlen können, ohne in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. „Wir wissen, dass wir in einer privilegierten Lage sind“, sagt Jochen Büter. Aber sie wollen auch für jene Anwohner sprechen, für die durch die Reform stärker belastet werden. Außerdem gehe es nicht vordergründig darum, ob sich jemand die Grundsteuer leisten kann, finden die beiden – sondern darum, ob sie zumutbar und gerecht ist.