Die Demokratie zu verteidigen: „Dafür braucht es mehr, als nur zum Wählen zu gehen“, sagte Martin Hahn, Landtagsabgeordneter der Grünen, bei einer Kundgebung auf dem Landungsplatz. Die große Zahl der Demonstranten empfindet er als „ein starkes Signal“. Doch das genüge nicht. Wie Hahn, forderten auch andere Redner das Publikum dazu auf, sich aktiv in der Demokratie einzubringen. Durch eine eigene Kandidatur, durch Widerspruch, durch Streit.

„Die Arbeit fängt erst an“

Am Samstagmorgen hatten sich auf dem Landungsplatz nach Schätzungen der Veranstalter rund 1500 Menschen versammelt, um Gesicht für Demokratie und gegen das Erstarken rechtsextremer Parteien zu zeigen. Leon Hahn, Kreisvorsitzender der SPD: „Wir lassen uns unsere Demokratie nicht kaputt machen. Wir stellen uns den Feinden der Demokratie entgegen.“ Doch auch er postulierte: „Es wird nicht reichen, heute hier zu sein. Die eigentliche Arbeit, die fängt erst an.“

Voller Landungsplatz Video: Hilser, Stefan

Angemeldet wurde die Kundgebung von der Organisation Omas gegen Rechts, mitgetragen von einem Bündnis aus Parteien und Verbänden. Versammlungsleiterin Kirsten Stüble, Ortsvorsitzende der SPD, sagte, dass mehr Besucher gekommen seien als angenommen, und alles friedlich verlaufen sei. Es sei „genial“, wie gut es in dem Bündnis gelungen sei, in kurzer Zeit so eine Versammlung auf die Beine zu stellen.

„Die Protestwelle rollt“

Doris Hog von den „Omas“ sagte, dass sie „trotz offen geäußerter Ungeheuerlichkeiten dieser Partei“ oft eine Art Blindheit in der Gesellschaft wahrnehme. Sie hätten sich schon länger mehr Protest aus der Mitte heraus gegen die AfD gewünscht. Das habe sich mit Correctiv-Recherchen über die Geheimpläne nun geändert: „Jetzt rollt sie, die Protestwelle.“

Doris Hog von den Omas gegen Rechts.
Doris Hog von den Omas gegen Rechts. | Bild: Hilser, Stefan

Oberbürgermeister Jan Zeitler betonte: „Es geht heute um nichts anderes als um die höchsten Wertprinzipien der Demokratie: Um die Würde des Menschen und um das Rechtsstaatsprinzip.“ An diesen Werten könne nicht gerüttelt werden, „weil wir alle, die wir heute auf dem Überlinger Landungsplatz und vielen weiteren Plätzen in ganz Deutschland versammelt sind, an diesem hohen Gut festhalten“.

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„Macht geht nicht vom Pöbel aus“

Alexander Bruns, Ortsvorsitzender der CDU, sagte: „Alle Macht geht vom Volke aus, nicht vom Pöbel.“ Er forderte die Demonstranten dazu auf, ihr aktives und passives Wahlrecht zu gebrauchen, sich respektvoll zu streiten, und die Meinung anderer zu respektieren. Sander Frank aus dem Kreisvorstand der Linken: „Demokratie ist mehr als nur ein politisches System. Sie ist ein Versprechen an jeden Einzelnen von uns, dass unsere Stimme zählt, dass unsere Meinung wichtig ist. Sie muss gepflegt, beschützt und verteidigt werden, jeden Tag aufs Neue.“

Karl-Heinz Mayer, Vizepräsident im Landwirteverband BLHV.
Karl-Heinz Mayer, Vizepräsident im Landwirteverband BLHV. | Bild: Hilser, Stefan

„Ampel entscheidet willkürlich“

Karl-Heinz Mayer kommt als Bauernfunktionär derzeit auf vielen Demonstrationen rum, er ist Kreisvorsitzender im BLHV und Vizepräsident auf Landesebene. Mit seiner Rede verlangte er einigen Demoteilnehmern die Prüfung ihres eigenen Demokratieverständnisses ab – das nämlich davon lebt, andere Meinungen gelten zu lassen. Doch wurde sein Redebeitrag von Buh-Rufen begleitet, bis Leon Hahn einschritt und um mehr Respekt warb.

Was Mayer zu sagen hatte: Dass sich die Bauernschaft gegen eine Unterwanderung von Rechts distanziere, und er sich „klare politische Führungskräfte“ wünsche, weil sie der beste Garant gegen rechtsradikale Kräfte seien. Erneut hob das Publikum zu Buh-Rufen an, als Mayer die Ampel-Regierung im Allgemeinen kritisierte, die in seinen Augen „willkürlich entscheidet, je nachdem, wie der Wind steht“. Druck bekommt Mayer auch von der AfD, die ihm auf der Internetseite des Kreisverbands vorwirft, mit seinem Auftritt in Überlingen „seine eigenen Leute zu verraten“, wo die AfD doch angeblich die einzige Partei sei, „die sich im Bundestag an die Seite der Landwirte gestellt hat“.

„Nicht die Klappe halten“

Klaus Woerner, der für die lokale Klimaschutzgruppe Überlingen Zero sprach, warnte: „Mit Rechts würde es keinen Klimaschutz geben.“ Die AfD leugne die menschengemachte Klimaveränderung. Soziale Gerechtigkeit und weltweite Zusammenarbeit seien Voraussetzungen gegen den Klimawandel. Aber der rechte Populismus schaffe das Gegenteil: „Er schürt soziale Spannungen.“ Frank Labitzke vom Bündnis für Vielfalt entließ die Besucher nach gut einer Stunde mit der Ermunterung, die auf dem Landungsplatz verspürte „Energie“ für ihren Kampf um den Erhalt der Demokratie im Alltag zu nutzen. Wenn irgendwo ein Angriff erfolgt: „Nicht die Klappe halten. Werdet aktiv.“

Jens Kuhn.
Jens Kuhn. | Bild: Sabine Busse

Aussagen von Besuchern

Zu den Besuchern zählte Jens Kuhn aus Mühlhofen. Er begründet: „Auch bei meiner Arbeit als Physiotherapeut habe ich bei Gesprächen festgestellt, dass die Meinungen immer radikaler werden. Jetzt ist es Zeit sich zu bekennen. Ich bin nicht nur verantwortlich für das, was ich tue, sondern auch für das, was ich widerspruchslos hinnehme!“

Paul Hipper.
Paul Hipper. | Bild: Sabine Busse

Paul Hipper, Mitglied einer Mittelaltergruppe, warnte: „Die Mittelalter-Szene wird unterwandert. Wir wollen nicht dulden, dass unser Hobby von den Rechten vereinnahmt wird und die Symbole im falschen Kontext landen.“ Michael Reh aus dem Kreis Sigmaringen: „Ich fühle mich bedroht von Aussagen, die zum Beispiel Björn Höcke tätigt.“