Nußdorf ist innerhalb von acht Jahren um 50 Jahre gealtert. Der Grund dafür und noch viele weitere interessante Fakten sind in einer Chronik über das dennoch junggebliebene Nußdorf zu lesen. Sie wird am Freitag im Dorfgemeinschaftshaus vorgestellt. Fünf Nußdorfer – darunter drei "Reigschmeckte" – haben sieben Jahre mit viel Herzblut und Beharrlichkeit Geschichten und Fakten über das vermeintliche Fischerdorf recherchiert. Herausgekommen ist ein umfangreiches Werk von 488 Seiten mit vielen Bildern, Fotos und Illustrationen zum 925-jährigen Bestehen des Dorfes.
"Nußdorf ist eigentlich noch viel älter", sagt Ortsvorsteher Dietram Hoffmann. Dendrochronolgischen Messungen zufolge – eine Methode für die Altersbestimmung von Bäumen, beziehungsweise Bauholz -, an Pfosten im Wasser um den Landesteg herum, gab es eine Besiedelung bereits 3919 vor Christus. Erstmals schriftlich belegt sind jedoch die nur 925 Jahre für Nußdorf.
Dies und vieles Weitere brachte das Team zutage. Es war der zweite Anlauf. Denn 2013 dachte man, dass Nußdorf 2014 seit 875 Jahren besteht und wollte damals schon aktiv werden. Doch die Mehrheit des Ortschaftsrats lehnte eine Chronik vor dem Hintergrund aufwändiger Arbeit ab. Der neue Vorstoß im neugewählten Gremium ein halbes Jahr später war erfolgreich – allerdings auch nur mit der Auflage an Dietram Hoffmann, die Organisation und Durchführung selbst in die Hand zu nehmen.
Hilfreich für den Start war Rudolf Becks Festschrift mit historischen Daten, die der damalige Ortsvorsteher mit Mitarbeitern 1985 zur Einweihung des Dorfgemeinschaftshauses erstellt hatte und auf der weitere Nachforschungen aufbauten.
Während in der Festschrift der Schwerpunkt auf Aufsätzen und netten Geschichten lag, umfasst die Chronik zwei Teile: Die Beschreibung des Dorfs, wie es heute gesehen wird und wie es sich entwickelt hat, und einem chronologischen Teil.
Die Recherche war oft mühsam: Viele Dokumente in Kurrentschrift oder Sütterlin – aufgestöbert in Stadt-, Kreis- und Staatsarchiven – mussten entziffert, zahlreiche Bilder besorgt werden. Wie das von Hans von Nußdorf. Er war Baumeister in Basel, vermutlich gebürtiger Nußdorfer und ist 1505 gestorben. Von ihm existiert eine Skulptur in Basel, die es zu fotografieren galt.
"Die Nußdorfer haben unglaublich toll mitgearbeitet und Infos geliefert, und ohne das Team hätte ich das Projekt nicht stemmen können", stellt Hoffmann fest. "Jeder hat ein bestimmtes Gebiet beackert", ergänzt der Landwirt Rudolf Beck, der um viele Zusammenhänge im Dorf weiß und 100 Jahre überblickt, denn sein Großvater hatte ihm viel erzählt. Zahlreiche Stunden wurden investiert. Dabei ist Vieles herausgekommen. Kurios findet Hoffmann, dass sogar einigen der hier geborenen Einwohner nicht bewusst ist, dass Nußdorf ein Weindorf war, das vom Weinbau gelebt hat. Acht alte Weinkeller hat er gefunden. Die Reblaus zerstörte Anfang des 20. Jahrhunderts die Reben. Doch die Nußdorfer hatten es geschafft, auf Ackerbau, Vieh und Obstbau umzustellen – in der irrigen Meinung, Obst sei wenig Arbeit.
Auch der Begriff Fischerdorf ist heute noch oft in vieler Munde. Falsch! Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es nur drei gewerbliche Fischer, aber 33 Landwirte, die lediglich für ihren Eigenbedarf fischten. Das Dorf zwischen Wasser und Wald wäre weitaus passender, so Beck, der noch knitz hinzufügt: "Bauern gibt es viele, aber nicht alle sind Landwirte."
Apropos Beruf: Für den 73-jährigen studierten Hoffmann ist das die erste historische Arbeit – in seinem Fachbereich hat er nie gearbeitet. "Das war eine schöne Herausforderung", resümiert der bekennende Dörfler. Und für Rudolf Beck, 78, außer der Tatsache, dass er sich 45 Jahre kommunalpolitisch fürs Dorf engagiert hat? "Für mich ist es immer spannend, etwas Neues über das Alte zu erfahren."
Die Chronik
Neben Dietram Hoffmann und Rudolf Beck haben Mechthild Knapp, Inge Simon und Margarete Staiger-Gut an der Chronik gearbeitet. Ortsvorsteher Dietram Hoffmann stellt sie am Freitag, 22. September, um 19 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus Nußdorf vor und begrüßt auch einen Überraschungsgast.
Günter Hornstein spricht ein Grußwort und archäölogische Vorträge bereichern unter anderem den Abend, den ein Quartett aus dem Bodensee-Ärzteorchester begleitet. Anschließend gibt es einen Sektempfang, die Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen, und die ersten Exemplare zu erwerben. Die Veranstaltung ist öffentlich.