An einem verregneten Montagmittag sitzt Ralf Freese auf einer Bank am Stephansplatz. Er wartet darauf, seine Kinder von der Schule abzuholen – mit dem Auto. „Du kannst einen Grundschüler kurz nach der Fahrradprüfung in Konstanz nicht alleine zur Schule fahren lassen“, sagt Freese. „Auf den Radwegen hier ist Halligalli. Da habe ich Angst um meine Kinder.“ Und der Schulbus sei mit 22 Euro pro Monat und Kind einfach viel zu teuer, findet der Vater. „Also tue ich das, was nicht erwünscht ist und hole meine Kinder mit dem Auto ab.“

Während Freese auf seiner Bank wartet, fährt ein Auto nach dem anderen auf den Stephansplatz. Elektroantrieb hat kein einziges – zumindest während der SÜDKURIER vor Ort ist. Vielleicht ein Zufall. Allerdings gibt es auch viele Bedenken im Bereich der E-Mobilität: Zu teuer, zu unzuverlässig, zu geringe Reichweite. Unumstritten ist aber: Der private Autoverkehr sorgt in Konstanz für rund 15 Prozent der Treibhausgas-Emissionen.
Innerhalb der nächsten zehn Jahre soll der CO2-Ausstoß im Konstanzer Verkehr um 84 Prozent sinken. Zumindest, wenn sich die Stadt an ihren Klimamobilitätsplan hält, der im Mai der Bevölkerung präsentiert wurde. Das bedeutet, dass die Menschen öfter entweder elektrisch fahren, oder auf klimafreundliche Alternativen wie den öffentlichen Verkehr umsteigen müssen, um dieses Ziel zu erreichen.
Reine Verbote funktionieren schlecht
„Verbrenner einfach heute zu verbieten, würde voraussichtlich nicht den gewünschten Effekt bringen“, sagt Maximilian Fischer. Er ist Datenanalyst am Steinbeis Kompetenzzentrum der Uni Konstanz und hat die Konstanzer Mobilitätsstudie geleitet, die Anfang 2025 präsentiert wurde. „Wir sehen in der Forschung, dass reine Verbote eher schlecht funktionieren. Und ein Verbrenner-Verbot würde wahrscheinlich auch zu sozialen Unruhen führen“, sagt der Wissenschaftler.

Auf der einen Seite brauche es zwar auch sogenannte Push-Maßnahmen, die dafür sorgen sollen, das eigene Auto unattraktiver zu machen. Auf der anderen Seite aber auch Anreize, sogenannte Pull-Maßnahmen, erklärt Fischer. Aber was würde die Menschen dazu bewegen, das eigene Auto stehenzulassen und stattdessen auf den Umweltverbund zu wechseln? Also öffentliche Verkehrsmittel, Fahrrad und zu Fuß, sowie Carsharing und Mitfahrgelegenheiten. Der Preis spiele dabei zwar eine Rolle, doch andere Faktoren seien häufiger genannt worden, sagt Fischer.
Pünktlichkeit wie in Japan
„So wie es aktuell läuft, kann ich mir nicht vorstellen, dass Zug und Bus für die meisten Menschen eine ernsthafte Alternative sind“, sagt Angelika Zängler. Auch sie ist mit dem Auto nach Konstanz gekommen. Öffentliche Verkehrsmittel sollten ihrer Meinung nach viel besser organisiert sein: „So wie in Japan. Jeder muss pünktlich zur Arbeit kommen. Ohne Stress.“ Da stimmt ihr auch eine Dame zu, die in der Fußgängerzone sitzt. „Dass ich mein Auto komplett stehen lasse, dafür müssten die Öffis auch wirklich zuverlässig und regelmäßig in alle Wohngebiete fahren.„

Für das Land Baden-Württemberg ist klar, dass der öffentliche Verkehr ausgebaut und verbessert werden muss. So soll erreicht werden, die zurückgelegten Kilometer im öffentlichen Verkehr bis 2030 zu verdoppeln. „In Konstanz zum Beispiel kann es aufgrund unpassender Taktung sein, dass man sich über eine Stunde, bevor der Zug fährt, auf den Weg zum Bahnhof machen muss“, sagt Maximilian Fischer.
Keiner weiß, wann der Bus kommt
Und dann weiß man noch nicht einmal, ob der Bus pünktlich kommt. „Wenn ich will, dass die Leute auf den öffentlichen Verkehr umsteigen, müssen sie sich darauf verlassen können, wann der Bus kommt“, sagt Fischer. In der Konstanzer Mobilitätsstudie gaben 30 Prozent der Befragten an, dass genaue und korrekte Echtzeitinformationen an Haltestellen sie dazu ermuntern würden, den öffentlichen Verkehr mehr zu nutzen.
Zwar planen die Stadtwerke in den nächsten Jahren – und bereits seit Jahren – den Einsatz von Echtzeit-Informationstafeln an den Haltestellen, jedoch wird es keine Integration der Informationen in andere Apps wie Google Maps oder DB-Navigator geben. „Wir sollten viel mehr auf solche Plattform-Lösungen setzen, damit die Leute nicht für jede Stadt eine neue Öffi-App herunterladen müssen“, so Fischer.
Radverkehr in Konstanz soll sicherer werden
Noch besser für den Klimaschutz als der Bus ist aber das Fahrrad. Und das ist bereits das beliebteste Verkehrsmittel in Konstanz. „In der Stadt fahre ich entweder Fahrrad oder gehe zu Fuß“, sagt Kristina Lotta Kahlert, die gerade ihr Rad aufschließt. „In einem Bus bin ich hier noch nie gesessen.“ Das ist aber nicht für alle etwas. Genauso wie Ralf Freese im Konstanzer Radverkehr Angst um seine Kinder hat, geht es auch Angelika Zängler. „Ich traue mich in Konstanz nicht Fahrrad zu fahren, da ist viel zu viel los.“
Auch in der Mobilitätsstudie wurde ein Abbau von Gefahrenstellen gewünscht. „Der Sicherheitsaspekt wurde sehr häufig genannt“, sagt Maximilian Fischer. „Vor allem wünschen sich die Menschen eine bauliche Trennung zwischen Straßen, Rad- und Fußwegen.“
Weniger Autos, mehr Leben
Da für den Ausbau von Busspuren, Rad- und Fußwegen jedoch Platz benötigt wird, soll, laut der Klimaschutzstrategie, die Zahl der Autos in Konstanz bis 2035 um die Hälfte reduziert werden. Auch Parkplätze sollen weniger und teurer werden. „Und dann können die freigemachten Plätze für ein aktives Stadtleben genutzt werden. Kultur, Sport, Plätze wo sich Leute erholen können. Den Raum nicht den Autos, sondern den Menschen geben“, freut sich Angelika Zängler. Es würde sie überhaupt nicht stören, wenn die Parkplätze teurer würden, solange es ein funktionierendes öffentliches Angebot gibt.

Politik ist in der Verantwortung
Spätestens, wenn man weiter weg muss, führt für viele Menschen kein Weg mehr am Auto vorbei. „Die Züge fahren ja nicht“, sagt Kristina Lotta Kahlert. Zumindest nicht so zuverlässig, wie sie es sollten. „Wenn ich morgens eine lange Strecke hin und abends wieder zurückfahren muss, kann ich mir es nicht leisten, einen Anschluss zu verpassen und dann irgendwo zu stranden. Das ist mir schon zu oft passiert“, sagt sie. Wenn der Zug so pünktlich wäre, wie in der Schweiz, dann hätte sie aber kein eigenes Auto, so Kahlert.

„Die Fernverkehrsanbindung von Konstanz aus nach Deutschland ist so schlecht, dass man häufig aufs Auto angewiesen ist“, sagt Maximilian Fischer. „Da könnte die Konstanzer Lokalpolitik durchaus stärker für eine bessere Anbindung eintreten.“ Generell seien die Probleme bei der Mobilität eigentlich bekannt, so Fischer. „Es hapert aber häufig an der Umsetzung.“ So seien höhere Parkgebühren, weniger Parkplätze sowie sichere Rad- und Fußwege reine politische Entscheidungen. „Da war ich ein wenig überrascht, als wir die Befragung ausgewertet haben“, sagt Fischer. „Das Problem ist die operative Umsetzung. Und wenn es daran schon scheitert, dann helfen auch die besten Pläne nicht.“