„Hey, Absteigen!“, „Falsche Straßenseite!“ oder „Wie wär‘s mit Licht?“ Solche Kommentare erboster Fußgänger hören Radfahrer, wenn sie sich nicht an die Regeln halten. Sie selbst teilen aber auch ordentlich aus oder düsen so rasant, dass Menschen ohne fahrbaren Untersatz Angst bekommen und zur Seite springen.

Konflikte zwischen den Verkehrsteilnehmern sind an der Tagesordnung, zumal sich jeder im Recht wähnt – und zwar genau mit dem Verkehrsmittel, das er gerade nutzt, Autofahrer nicht ausgenommen. Dazu kommt, dass es in Konstanz einige konfliktträchtige Stellen gibt, an denen es eng zugeht, Beispiel Konzilstraße.

Dass sie die überbordenden Emotionen nicht eindämmen kann, ist auch der Stadtverwaltung klar. Dennoch möchte sie zu etwas mehr Rücksicht und Frieden auf den Straßen beitragen.

„Ziel ist, bestehende Verkehrsregeln für alle sichtbarer zu machen und damit Konflikte im Alltag zu vermeiden“, heißt es in einer Pressemitteilung. Dazu erstellte die Stadt eine Zonen-Übersichtskarte. „Sie zeigt erstmals flächendeckend, wo Radfahren in der Altstadt erlaubt ist und wo nicht.“

Bild 1: Konstanzer Karte für Radfahrer soll das Miteinander im Verkehr erleichtern
Bild: Gora, Aldo

Darauf sind die Straßen der Altstadt in drei Farben eingefärbt. Grün steht für „Radfahren ganztägig erlaubt“, Gelb bedeutet „Radfahren nur nachts erlaubt“ und Rot heißt „Radfahren ganztägig verboten“. Im Stadtgarten, der Hussen- und Wessenbergstraße, auf Augustinerplatz und Marktstätte müssen Radfahrende tagsüber schieben.

In der Wessenbergstraße dürfen Radfahrer nur nachts rollen. Tagsüber müssen sie schieben.
In der Wessenbergstraße dürfen Radfahrer nur nachts rollen. Tagsüber müssen sie schieben. | Bild: Kirsten Astor

Gar nicht rollen dürfen sie durch die Marktstätten-Unterführung, auf der falschen Seite der alten Rheinbrücke (dort, wo nur Fußgänger gehen) sowie auf einem Teil der Tor- und der Theatergasse und auf der stadtauswärtigen Seite des Rheinsteigs.

Der Rheinsteig hat einen breiten Rad- und Fußgängerweg stadteinwärts. Doch auf der anderen Straßenseite darf nicht geradelt werden.
Der Rheinsteig hat einen breiten Rad- und Fußgängerweg stadteinwärts. Doch auf der anderen Straßenseite darf nicht geradelt werden. | Bild: Kirsten Astor

Von den kritischen Situationen zwischen Radfahrern und Fußgängern seien die Marktstätte, der Münsterplatz und der Fischmarkt besonders betroffen. „In diesen Fußgängerzonen ist es besonders wichtig, rücksichtsvoll zu fahren oder abzusteigen. Das erhöht die Sicherheit für alle, die in Konstanz unterwegs sind“, schreibt die Pressestelle. Wenn sich jemand nicht an die Regeln hält und erwischt wird, muss er oder sie bezahlen.

Fehlverhalten geht an den Geldbeutel

„Wer in einer Zone mit ganztägigem Radfahrverbot fährt, muss mit einem Verwarngeld von 25 Euro rechnen“, teilt die Stadtverwaltung mit. Wenn dabei noch eine konkrete Gefahrensituation entsteht, erhöht sich das Bußgeld auf 35 Euro.

Außerdem werde das Fahrradfahren bei gleichzeitiger Verwendung des Smartphones generell mit einem Verwarnungsgeld in Höhe von 55 Euro geahndet. „Dies ist ebenfalls in der Fußgängerzone anwendbar“, so die Pressestelle auf Nachfrage.

Das könnte Sie auch interessieren

Wird nun häufiger auf den gelb und rot markierten Straßen kontrolliert? Nein, sagt die Stadt. Spezifische Überwachungen, bezogen auf die Radfahrkarte, gebe es nicht. Aber: „Es finden regelmäßig Kontrollen mit der Landespolizei statt, auch in den Fußgängerzonen. Der Gemeindevollzugsdienst und der Kommunale Ordnungsdienst bestreifen unabhängig davon täglich die Fußgängerzonen und kontrollieren somit auch die Radfahrer.“

Die städtische Pressestelle ordnet die Übersichtskarte als „lokale Umsetzung der internationalen Anerkennung“ von Konstanz als Radstadt ein: „Im Juni 2025 wurde Konstanz in der internationalen Fachpublikation ‚Beyond Copenhagen‘ als positives Beispiel für Fuß- und Radverkehrsförderung vorgestellt, gemeinsam mit Städten wie London, Buenos Aires und Montreal. Die Übersichtskarte macht dieses Engagement im Alltag sicht- und erlebbar.“

Das könnte Sie auch interessieren

„Es müsste mehr kontrolliert werden“

Aber ist eine Grafik mit eigentlich bekannten, aber oft nicht befolgten Regeln wirklich ein Schritt zu mehr Rücksicht? Ralf Seuffert, Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Konstanz, sagt: „Eine solche Übersicht ist als Hilfsmittel ganz nett und kann zur Diskussion über richtiges Verhalten anregen.“ Lieber wäre ihm allerdings eine echte gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Radfahrern, die im Straßenbild teilweise „den Stellenwert von Autos einnehmen“.

„Man müsste das Verhalten mancher Radfahrer mal aufs Tableau bringen. Einige meinen, sie dürften alles und seien noch dazu die besseren Menschen“, so Seuffert. Das sagt ausgerechnet er als Fahrradclub-Vorsitzender? „Ja, das sage ich als Vertreter der Fahrradlobby, denn es ist schade, wenn durch Fehlverhalten mancher Unbelehrbarer der Ruf der ordentlichen Radfahrer versaut wird.“

„Man müsste das Verhalten mancher Radfahrer mal aufs Tableau bringen. Einige meinen, sie dürften alles und seien noch dazu die besseren ...
„Man müsste das Verhalten mancher Radfahrer mal aufs Tableau bringen. Einige meinen, sie dürften alles und seien noch dazu die besseren Menschen“, Ralf Seuffert, Vorsitzender des ADFC Konstanz. | Bild: Fiona Mentzel

Eine Möglichkeit wäre es aus seiner Sicht, Fahrräder mit Nummernschildern zu versehen, um Fehlverhalten besser bestrafen zu können. Außerdem findet er, dass Orts- oder Landespolizei noch viel mehr kontrollieren müssten. „Da steht viel zu selten jemand und schaut, ob drei Radfahrer nebeneinander ohne Licht auf der falschen Seite über die Alte Rheinbrücke fahren“, findet Ralf Seuffert.

Neben der Debatte über richtiges Verhalten oder mehr Sanktionen fehlt dem Radexperten in Konstanz auch weiterhin Rad-Infrastruktur. „Die schlimmste Stelle ist und bleibt die Konzilstraße“, sagt Seuffert. „Murks“ ist aus seiner Sicht auch der Oberlohnkreisel im Industriegebiet, eben nicht nur für Autofahrer.

Das könnte Sie auch interessieren

Eine Idee hat der Radfachmann noch zur Verbesserung der Lage: „Wenn die Linie 1 künftig nicht mehr von der Laube auf den Lutherplatz abbiegt, könnte die Fahrradstraße auf der Schottenstraße künftig Vorrang vor Autos erhalten. Denn es ist immer blöd, wenn Radstraßen unterbrochen werden.“ Bei der Gartenstraße ist dagegen keine Änderung der Vorfahrtsregelungen möglich, weil dort weiterhin und sogar verstärkt Busse entlangfahren.

Die Fahrradstraße hat fast durchgehend Vorfahrt vor den kreuzenden Straßen. Doch an der Ecke Schotten-/Gartenstraße müssen Radfahrer warten.
Die Fahrradstraße hat fast durchgehend Vorfahrt vor den kreuzenden Straßen. Doch an der Ecke Schotten-/Gartenstraße müssen Radfahrer warten. | Bild: Kirsten Astor