Nun also doch nicht. Papst Franziskus rüttelt nicht am Zölibat der katholischen Kirche. Das war im Vorfeld der Veröffentlichung seiner Schrift „Querida Amazonia“ (“Geliebtes Amazonien„) anlässlich der Amazonien-Synode noch bezweifelt worden. Die strengen, konservativen Katholiken fühlen sich in ihrer Meinung bestärkt, doch für viele Geistliche ist die Entscheidung nicht nachvollziehbar.

Eventuelle Spaltung der Kirche
Die Überlegungen riefen allerdings konservative Reformgegner um den emeritierten Papst Benedikt XVI. auf den Plan, da diese nach dem ersten Einknicken im Amazonasgebiet die Gefahr sehen, dass der Zölibat auch in anderen Teilen der Welt geöffnet wird. Aber nach deren Meinung, die auch im Kirchenrecht verankert ist, sollen katholische Geistliche ehelos und enthaltsam leben, um mit ungeteiltem Herzen Gott und den Mitmenschen dienen zu können. Bei einer eventuellen Lockerung des Zölibats wäre ein Spaltung der Kirche möglich gewesen.
„Wir brauchen endlich eine offenere Gesprächskultur.“Bernd Walter, Pfarrer in Überlingen
„Die Kirche steht damit vor einer besonderen Herausforderung in dieser schnelllebigen Zeit“, sagt Überlingens Pfarrer Bernd Walter. „Wir brauchen endlich eine offenere Gesprächskultur, auch mit den für uns schwierigen Themen, zu denen nun mal auch die Sexualität und die Homosexualität gehört.“ Dafür sei auch die richtige Zeit, und auch Papst Franziskus der richtige Mann, da für ihn auch andere große Themen der Welt, wie die Umweltproblematik und die Flüchtlingskrisen wichtig sind.
„Doch der Papst kann hier nicht allein entscheiden, selbst wenn er wollte. Zu diesen Themen bräuchten wir ein drittes vatikanisches Konzil„, sagt Pfarrer Walter. „Außerdem stehen wir seit den Missbrauchsfällen seit 2010 unter Generalverdacht. Das müssen wir aufarbeiten. Darüber hinaus stellt sich mir die Frage, wie viele Berufungen zum Pfarrer wir auch in Deutschland auf dem Altar des Zölibats jedes Jahr opfern.“
Das Thema sei seit dem zweiten vatikanischen Konzil von 1962 bis 1965 laut Bernd Walter immer da gewesen. Da nach diesem keine Lockerung des Zölibats erfolgte, seien viele Priester weggegangen, weiß Pfarrer Walter. Seiner Meinung nach wird das Thema auch jetzt nicht wieder in der Versenkung verschwinden, aber weltkirchlich sei man nicht bereit dafür einen öffentlichen Diskurs zu führen. Man müsse sich fragen, wie man an diese Themen herangehe.
Peter Nicola: „Zölibat steht nicht in der Bibel“
Ähnlich sieht das auch der Dekan des Dekanats Linzgau, Peter Nicola: „Eine Öffnung des Zölibats müsse im Vorfeld grundsätzlich, theologisch und wissenschaftlich erarbeitet werden. Nur dann kann es eine solch wichtige Weichenstellung geben.“

Allerdings müsse man die öffentliche Wahrnehmung auch ein wenig entschärfen, so kenne die katholische Kirche durchaus auch verheiratete Männer, zum Beispiel würde bei einem Konfessionswechsel die zuvor geschlossene Ehe bestehen bleiben. Außerdem sei die katholische Kirche aus mehreren Glaubensgemeinschaften aufgebaut, unter denen die römisch-katholische Kirche eben auch eine der strengsten sei, was den Zölibat angehe. Aber es sei durchaus nicht ausgeschlossen Priester zu sein, ohne den Zölibat einzuhalten.
„Regeln können immer verändert oder reformiert werden.“Peter Nicola, Dekan des Dekanats Linzgau
„Der Zölibat steht auch so nicht in der Bibel, er beruft sich lediglich darauf. Das macht ihn zu einer kirchlichen Regel. Und Regeln können immer verändert oder reformiert werden. Das hat nicht nur die katholische Kirche, sondern auch die Welt oft erlebt. Es ist kein feststehendes Dogma, wie die Wiederauferstehung Jesu Christi“, sagt Peter Nicola.
Auch Religionen ohne Zölibat leiden unter Priestermangel
Allerdings glaubt der Dekan nicht, dass eine Lockerung des Zölibats das Problem des Priestermangels lösen würde. Auch andere Religionen, vor allem auch die evangelische Kirche, leide an diesem Umstand, und hier dürfen auch Priester heiraten. Der Dekan schlägt eine große pan-katholische Versammlung mit allen Kirchen zur Problemlösung vor. Und der Zölibat soll nicht ganz abgeschafft, sondern verändert werden. Peter Nicola hält es für ein wichtiges Zeichen der katholischen Kirche.
Peter Nicola sagt: „Und diese Veränderung wird auch hoffentlich irgendwann kommen. Ich glaube nicht, dass dieses Thema jetzt einfach wieder im Müllkorb der katholischen Kirchengeschichte verschwindet. Es herrscht ein ganz anderer Austausch als früher, und die Menschen sind viel reflektierter und lassen sich nicht alles einfach so gefallen, ohne zu hinterfragen. Und das hier ist eine Sache des gesamten Volkes.“