Als Hermann-Josef Schwarz 1975 seine erste Arbeitsstelle bei der Volksbank Überlingen antrat, frisch dem Studium zum Diplom-Betriebswirt entschlüpft, waren Taschenrechner neu auf dem Markt, Zinsen wurden teils noch von Hand ausgerechnet. Zum Telefonhörer griff man nur im Notfall, der Brief war das gängige Kommunikationsmittel. Seitdem hat sich technisch zwar viel verändert, „und mit der Technik verändert sich auch die Gesellschaft“. Doch mit Blick auf seine 43-jährige Bänker-Karriere stellt Vorstandsvorsitzender Schwarz nüchtern fest: „Vom Grundtenor her beschäftigen uns heute die gleichen Themen wie 1975.“

Zum Jahresende tritt Hermann-Josef Schwarz den Ruhestand an: „Mit 65 muss ich.“ Schwarz drückt mit diesem Nebensatz aus, was er später im Gespräch vertieft, dass er gerne länger geblieben wäre: „Ich bin jeden Tag gerne zum Arbeiten gegangen.“

Sein Nachfolger als Vorstandsvorsitzender heißt Andreas Tyrra, 1966 in Traunstein geboren, Bankkaufmann, Diplom-Betriebswirt (FH), Fortbildung zum Diplom-Bankbetriebswirt (ADF), seit 2000 bei der Volksbank Überlingen beschäftigt, seit 2001 als Prokurist und seit 2014 als Mitglied im Vorstand. Nach der Entscheidung im Aufsichtsrat, die bereits im September lief, durchlief Tyrra das Prüfverfahren in der Bankenaufsicht BaFin, die nun ihre Zustimmung erteilte, wie Aufsichtsratsvorsitzender Heinrich Besserer sagte.
Prüfung bei der BaFin
Dass es solche ein Prüfverfahren in einer Institution namens BaFin gibt, ist eine der vielen Neuerungen, die Hermann-Josef Schwarz im Laufe seiner 43-jährigen Berufslaufbahn erfuhr. Allerdings, so betont er, seien Veränderungen und eine sich verschärfende Regulierung ständiger Begleiter gewesen. Nach seinem Einstieg ins Bankenwesen habe es Aufregung darum gegeben, dass ein zweiter hauptamtlicher Vorstand bestellt werden musste, was zuvor ehrenamtlich geleistet wurde. Auch eine interne Revision, die dem Vorstand nicht weisungsgebunden ist, gab’s damals noch nicht.
Auch „Kundenorientierung“, das Thema in Schwarz’ Diplom-Arbeit, sei in den 70-er Jahren für viele Banken ein Fremdwort gewesen. Kredite wurden gewährt, nicht verkauft, „und als Dienstleistung galt es damals schon, wenn man jemandem die Türe aufgehalten hat“.
Keine Angst vor der Zukunft
Der Abschied fällt Schwarz schwer. Die Veränderungen in der Gesellschaft, die am Bankensektor nicht spurlos vorüber gehen, hätten ihn gereizt, weiter zu machen. Eben weil er in 43 Jahren in der Branche Gelassenheit erlernte, die er ganz offensichtlich gerne weiter geben würde. Scheinbar existenzielle Bedrohungen gab es in den 70-er Jahren natürlich auch, Schwarz nennt die hohe Arbeitslosigkeit, hohe Zinsen und einen akuten Fachkräftemangel. „Angst vor der Zukunft hätte man damals auch schon haben können, das war aber nie eine Option. Auch heute gilt: Wenn ich etwas gestalte, dann habe ich es selbst in der Hand – größere Überraschungen gibt es in der Regel dann nicht mehr.“
Wo noch Geld zu verdienen ist
Früher war eine Spanne von drei Prozent zwischen den Soll- und Haben-Zinsen vorgeschrieben, eine Marge, mit der die Banken gut wirtschaften konnten, quasi konkurrenzlos. Heute, angesichts der Null-Zins-Politik, wie kann eine Bank da überhaupt noch Geld erwirtschaften? Schwarz verweist darauf, dass bei Kreditvergaben immerhin noch eine Zinsspanne von 1 Komma bleibe; hinzu komme das Provisionsgeschäft, Kontoführungsgebühren, Vermittlung von Wertpapieren, das Immobiliengeschäft – und auf der Gegenseite gebe es Kostensenkungen.
Tyrra, der neue Volksbank-Chef, spricht von einer „strategischen Anpassung“ an den sich verändernden Markt. „Ich bin überzeugt, dass eine Bank auch in diesen Zeiten Geld verdienen kann, wenn sie eine Leistung bietet, die die Kunden überzeugt, wenn wir bedarfsgerechte Lösungen bieten und weniger in Produkten denken.“ Er zähle darauf, dass in Zeiten des digitalen Wandels eine Rückbesinnung auf Regionalität und Heimat stattfindet, raus aus der Anonymität.

Die Entscheidung zum Neubau eines Geschäftszentrums an der Lippertsreuter Straße zählt zu den Meilensteinen in Schwarz' Laufbahn. Seit Gründung 1924 hatte die Volksbank ihren Stammsitz an der Hofstatt, Schwarz hätte den ersten Spatenstich gerne im Amte gesetzt, doch verzögert sich der Start.

Den ersten Spatenstich taxiert Tyrra aktuell auf die zweite Jahreshälfte 2019, in der Erwartung, dass das baurechtliche Genehmigungsverfahren zügig durchlaufen wird. Ziel sei es, am neuen Standort für die Mitarbeiter attraktive Arbeitsplätze zu schaffen, um in Zeiten des Fachkräftemangels auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu bleiben.
Im Ruhestand, sagte Schwarz, der gerne segelt, Ski fährt und an der Fastnacht als Hänsele durch die Stadt juckt, im Ruhestand gehe er mit freudiger Erwartung dem seit Jahrzehnten vermissten Moment entgegen, in dem es ihm langweilig wird. "Dann entsteht Raum für neue Kreativität und Intuition."