Was als kleiner Versuch begann, ist mittlerweile zum großen Forschungsprojekt angewachsen. Als Inga Günther 2012 auf das Hofgut Rengoldshausen kommt, ist nicht absehbar, in welche Richtung sich ihre Idee entwickeln wird. Natürlich hatte sie die Hoffnung, etwas zu verändern. "Aber ich wusste nicht, dass es so groß wird."
Inga Günther züchtet Hühner. Was banal klingt, ist fast schon als Revolution auf dem Geflügelmarkt zu sehen. "Bislang gibt es eigentlich nur drei Großzüchtereien weltweit", sagt die 30-Jährige. "Auch die Ökohühner werden aus diesem Genpool generiert." Dabei gibt es eine klare Zweiteilung: Entweder werden Masthähnchen oder Legehennen produziert. Dies hat zur Folge, das jährlich rund 45 Millionen männliche Küken in Deutschland direkt nach dem Schlüpfen getötet werden, weil sie nicht genügend Fleisch ansetzen und keine Eier legen können. Ein Zustand den viele Tierschützer irgendwann nicht mehr akzeptieren wollten. Seit ein paar Jahren gibt es mehrere Initiativen wie "Bruderhahn" oder "Hänsel und Gretel", bei denen der Preis für ein Ei um ein paar wenige Cent erhöht wird, die wiederum an die Halter der Tiere zurückgeführt werden, um die Aufzucht der Hähne zu sichern. In Überlingen beteiligt sich etwa Naturkost Bodan an dieser Initiative.
Auch Inga Günther unterstützt diese Initiativen, sie denkt aber noch einen Schritt weiter. Sie will das "Huhn der Zukunft" züchten, ein sogenanntes Zweinutzungshuhn, das beide Produktionsrichtungen, also Eier und Fleisch, abdeckt und damit die sinnvolle Verwendung der männlichen Küken gewährleistet. Die ökologische Geflügelzüchtung hat klare Ziele: Das Öko-Huhn von morgen ist an Haltungs- und Fütterungsbedingungen der ökologischen Landwirtschaft besser angepasst als die Hochleistungshennen von heute. Gleichwohl verfügt es über ein genügend hohes Leistungspotenzial, um eine wirtschaftliche Produktion zu ermöglichen. „Man versucht, die Leistung zu verbessern, aber immer unter dem Aspekt Tierwohl“, sagt Günther, die bevor sie an den Bodensee kam, ökologische Landwirtschaft in Witzenhausen studiert hat.
Sie ist auf einem guten Weg, sagt sie selbst. Mit 170 Tieren aus einem kleinen Betrieb aus Frankreich hat sie 2012 begonnen. Heute ist sie Geschäftsführerin der Ökologischen Tierzucht gGmbH (ÖTZ), einer Initiative von Bioland und Demeter. Die Zucht findet mittlerweile im nordrhein-westfälischen Kleve statt. Mit insgesamt 3000 Tieren, je 1000 bei drei Rassen, wird nach der der perfekten Kreuzung gesucht. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Tiere möglichst viel Fleisch ansetzen und möglichst viele Eier legen, auch Parameter wie die Größe der Eier und die Schalendicke sind entscheidend. „Züchtung ist ein sehr langer Prozess“, sagt Inga Günther. Sie sei aber optimistisch, dass sie schon im nächsten Jahr die ersten Küken der Neugezüchteten Tiere an Biohöfe verkaufen kann. „Die Nachfrage ist auf jeden Fall da.“
Damit das ganze Projekt aber zum Erfolg wird, braucht es nicht nur willige Betriebe, sondern auch Kunden, die bereit sind, mehr für ihre Eier und Hühnchenfleisch zu zahlen. „Das geht nur, wenn der Konsument sagt, ich will das mittragen. Nur mit der Nachfrage steigt das Angebot.“ Ein Hähnchen auf dem Hofgut Rengoldshausen kostet derzeit 30 Euro, ein Ei 60 Cent. „Auf diesen Preisrahmen wird man sich einstellen müssen“, sagt die 30 Jährige, die durchaus nachvollziehen kann, dass das nicht für alle erschwinglich ist. „Ich fahre auch einen Diesel, weil ich mir kein Elektroauto leisten kann.“ Inga Günther hofft dennoch, die Geflügelhaltung in Deutschland maßgeblich zu verändern.
Schon gewusst?
- Die Farbe des Eies ist genetisch bedingt: Die sogenannte Schalendrüse im Legedarm des Huhns sorgt für die Farbe des Eis. Bei Hühnern, die braune Eier legen, werden dort aus dem Blut rote und aus der Galle gelbe Farbpigmente gebildet, die zusammen zu einem braunen Ei führen. Bei den "Weißlegern" produziert die Schalendrüse hingegen keinen Farbstoff.
- Im Christentum wurde das Ei zum Symbol für die Auferstehung Jesu Christi. Von außen wirkt es kalt und tot, doch aus seinem Inneren erwächst neues Leben. Somit stand das Ei symbolisch für das Grab in Jerusalem, aus dem Jesus Christus am Ostermorgen von den Toten auferstanden ist.
- Eier als Ostergeschenk hatten ursprünglich praktische Gründe. Seit dem Mittelalter verbot die Kirche in der Fastenzeit den Verzehr von Fleisch und Eierspeisen. Die Folge war, dass sich vor Ostern große Mengen an Eiern ansammelten, zumal der Vorfrühling eine gute Legezeit der Hühner ist. Damit der Überschuss nicht verdarb, wurden die Eier abgekocht und haltbar gemacht. Und wieso bunt? Ganz einfach: um sie von rohen Eiern zu unterscheiden.