Meersburg – Eiswein: schon der Name klingt edel, und genauso ist das Trauben-Getränk – einfach erlesen. Nicht jeder Winzer geht das Risiko ein, die Trauben auch im Winter noch hängen zu lassen, nicht jeder riskiert einen Teil seiner Ernte und setzt auf die magischen Minusgrade zwischen sieben und neun Grad, um sein Sortiment zu veredeln. In Baden hat es wohl in diesem Jahr Lorenz Keller aus Erzingen als Erster geschafft: Der Weinbauer erntete dieser Tage Eiswein und presste daraus nach eigenen Angaben 1000 Liter. Am Bodensee zollte man ihm dafür Respekt und ließ die Hoffnung nicht fahren, dass es auch hier klappen könnte. "Wir haben noch Trauben hängen, Richtung Riedetsweiler", sagte Martin Frank unlängst, Geschäftsführer beim Winzerverein Meersburg: "Wir spekulieren immer noch", sagte er angesichts einer sehr launischen Witterung gegenüber dem SÜDKURIER. Der Optimismus wurde belohnt.
Zweigeteilter Bodensee
Nach einem warmen trockenen Jahr, das den Winzern am Bodensee eine der frühesten Ernten ihrer Geschichte beschert hat, lassen die Wetterkapriolen auch im Januar nicht nach: Temperaturen um Null Grad am westlichen Bodensee und Schneechaos im östlichen Bereich hatten zuletzt etwas Unberechenbares auch für die Weinbauern. In der Nacht zum Freitag rutschte das Thermometer nun auch am Bodensee unter die Minus-Grade. Sehr früh morgens rückten die Weinbauern aus und holten die eiskalten Trauben ein.
Das zeichnet den Eiswein aus: Süß und lange haltbar
Der Eiswein ist für den Winzer das, was im Eiskunstlaufen die Kür ist: ein Aushängeschild, aber mehr auch nicht. "Es gibt Genießerschichten, die auch bereit sind, den Preis zu zahlen", sagt Frank und erinnert an das Exklusive dieses Getränks: Eine besondere Süße, geringer Alkoholgehalt und lange Haltbarkeit. "Je edelsüßer der Wein, umso länger hält er sich", lautet hier die Regel. So soll es Winzer geben, die ihren Eiswein noch nach zehn Jahren zurücknehmen, um ihn neu zu verkorken und damit die Haltbarkeit weiter zu steigern. Preislich zahlt der Kunde für eine Flasche leicht zwischen 20 und 40 Euro.
Blindverkoster kommen ins Schwärmen
Für den Winzer steht – bei aller Liebe zum Eiswein – die Wirtschaftlichkeit oben. Und hier vertraut er gern auf Bewährtes. Der Jahrgang 2018 macht es ihm besonders leicht. Die Prognosen lassen auf einen sehr guten Wein hoffen, das Wort Jahrhundertwein hält Frank hier allerdings für nicht angebracht. Ende Januar werden beim Winzerverein wieder alle Weine des jüngsten Jahrgangs verkostet. Erste Proben ließen sich schon verheißungsvoll an. "Ich war begeistert", sagt Frank. Ein 18er Müller-Thurgau habe auch bei sogenannten Blindverkostern ausgezeichnete Noten erzielt: fruchtig, frisch, ausdruckskräftig sei der gewesen. Franks Fazit: "Ein wunderbarer Essenswein." Geschuldet wurde dies einem Ausnahmesommer, der eine frühe Ernte brachte, die in Meersburg bereits am 5. September begann. "Das Verhältnis zwischen Menge und Qualität ist für unseren Betrieb perfekt," findet Frank. Zumindest in Meersburg können die Winzer diesmal ruhig schlafen.