"Nußdorf im 925. Jahr" lautet der Titel der Chronik des größten Überlinger Ortsteils, die am Freitag im vollen Dorfgemeinschaftshaus bei einer kleinen Feier vorgestellt wurde. Dass das Dorf mit seinen inzwischen mehr als 1700 Einwohnern quasi noch während der Entstehung der umfangreichen Publikation deutlich "gealtert" war und der Titel daran angepasst wurde, darauf machte Ortsvorsteher und Mitautor Dietram Hoffmann in seiner Begrüßung deutlich. Er hat das "Lesebuch" gemeinsam mit Rudolf Beck, Mechthild Knapp, Ingeborg Simon und Margarete Staiger-Gut verfasst. Geradezu bescheiden mutet die Altersangabe im Titel jedoch vor dem Hintergrund an, dass die beiden Unterwasser-Archäologen Joachim Köninger und Philipp Gleich aus Hemmenhofen den Ort in ihren Vorträgen schon in der Jungsteinzeit vor gut 5000 Jahren als geordnetes Straßendorf identifizierten. Aufzeichnungen gibt es aus dieser Zeit natürlich nicht mehr, dafür genügend handfeste Funde aus den Gesteinsschichten am Seeufer. Nußdorf war sogar namensgebend für einen dekorativen Stil bei der Gebrauchskeramik. Was die wissenschaftliche Tragweite angeht, so können die abgelagerten Schichten und die Überreste und anlaysierten Funde aus der Pfahlbauzeit durchaus mit jenen von Sipplingen oder Unteruhldingen mithalten. Die Zuhörer trauten dem Referenten durchaus zu, dass er noch mehr Details über Spinnwirtel und Webtechniken aus der Jungsteinzeit hätte berichten können.

Unter den Gästen im vollen Dorfgemeinschaftshaus waren mit Volkmar und Bärbel Weber sowie Jutta und Reinhard Ebersbach (von links) ...
Unter den Gästen im vollen Dorfgemeinschaftshaus waren mit Volkmar und Bärbel Weber sowie Jutta und Reinhard Ebersbach (von links) gleich zwei ehemalige Oberbürgermeister mit ihren Gattinnen. | Bild: Hanspeter Walter

Doch auch aus der Zeitgeschichte gibt es genügend Überraschungen in der Chronik. So konnte Dietram Hoffmann mit der 90-Jährigen Schweizerin Cordula Herbst einen Ehrengast begrüßen, den viele der heutigen Nußdorfer gar nicht kannten. Als Cordula Stenger habe sie bis 1939 in Nußdorf zur "Forelle 23" gelebt und habe, da sie jüdische Vorfahren hatte, damals im August gerade noch rechtzeitig nach Kanada auswandern können. In der Nähe von Winterthur haben sie die Autoren aufgespürt und mit Ingeborg Simon hat sich inzwischen eine echte Freundschaft entwickelt.

Zudem dankte der Ortsvorsteher Kulturamtsleiter Michael Brunner und Stadtarchivar Walter Liehner ebenso für die Unterstützung wie zahlreichen Bürgern aus der Region, die Facetten zu der Lokalgeschichte beisteuern konnte und so manche Tatsache in einem neuen Licht erscheinen lassen. Die Grüße und Wertschätzung von Oberbürgermeister Zeitler musste aus Termingründen zwar dessen Stellvertreter Günter Hornstein überbringen. Doch als Nußdorfer und ehemaliger Ortsvorsteher des Teilorts war er dazu in doppelter Hinsicht berufen, das "bewundernswerte Engagement" des Autorenteams zu loben, das Gründlichkeit vor Schnelligkeit den Vorrang gegeben habe. Zum anderen waren mit Volkmar Weber – auch er ist ein Nußdorfer – und Reinhard Ebersbach gleich zwei ehemalige Stadtoberhäupter vertreten, die sich die Präsentationen nicht entgehen ließen.

Auf Einladung Nußdorfs war die 90-Jährige Cordula Herbst (Mitte) mit ihrer Tochter Angelina Herbst (rechts) aus Winterthur angereist. ...
Auf Einladung Nußdorfs war die 90-Jährige Cordula Herbst (Mitte) mit ihrer Tochter Angelina Herbst (rechts) aus Winterthur angereist. Als junges Mädchen musste sie im August 1939 wegen ihrer jüdischen Vorfahren nach Kanada auswandern. Die Nußdorferin Ingeborg Simon (links) hat sie über verschiedene Kontakte wieder aufgespürt und die Geschichte aufgeschrieben. | Bild: Hanspeter Walter

Ingeborg Simon schilderte an Beispiel der Vereine das vielfältige Dorfleben und verwies auf einige besondere Dokumente, die die Nußdorfer anschließend in Augenschein nehmen konnten. Ihren Mitautor und langjährigen Ortsvorsteher Rudolf Beck kennzeichnete Ingeborg Simon als "wandelndes Archiv".

Als Schatzmeisterin des Vereins verwies Mechthild Knapp auf ihre Bremsversuche, was den Umfang und damit den Preis der Chronik angeht. Die mehr als 400 lesenswerten Seiten wird es ab sofort für 20 Euro im Dorf, in den Überlinger Buchhandlungen und vielen anderen Verkaufstellen geben. Die ersten der tausend gedruckten Exemplare wurden noch am Abend der Präsentation nach Hause getragen, und die Autoren signierten ihr Werk auf Wunsch gerne. Einen besonderen Dank sprach Knapp der Grafikerin Ulrike Braun aus, die dafür gesorgt habe, dass das Buch auch ein attraktives Äußeres bekam.

Flötist Peter Graner – in Nußdorf zuhause – musizierte mit einem Quartett des Bodensee-Ärzteorchesters.
Flötist Peter Graner – in Nußdorf zuhause – musizierte mit einem Quartett des Bodensee-Ärzteorchesters. | Bild: Hanspeter Walter

Wieviel Potenzial der Teilort hat, zeigte sich auch beim musikalischen Auftakt und dem Ausklang nach Noten. Flötist Peter Graner steuert mit drei Partnerinnen und Partnern vom Bodensee-Ärzteorchester zwei Sätze aus einem Mozart-Konzert bei. Dies passte als Heimspiel auch insofern bestens, als das ganze Orchester seine alljährlichen Benefizkonzerte über mehrere Jahrzehnte hinweg an diesem Ort aufführte.

Die Chronik

Die Nußdorfer Chronik gibt es zum Preis von 20 Euro bei der Gärtnerei Fuchs (Zum Karpfen), der Genussecke (Zum Salm), Margarete Gut (Zum Brachsen), und Kretz Elektrotechnik (Zum Salm). Auch im Buchhandel sie erhältlich, ISBN-Nummer: 9 783 981 586 114. (hpw)