Sommer 2017. Heidi Pohl ist mit ihrer Familie gerade nach Überlingen gezogen. Es ist Müllabfuhr, die Gelben Säcke werden geholt. Sie stellt erschrocken fest, dass ihre vierköpfige Familie ungemein viel Plastikmüll produziert hat. Vor den Nachbarn ist ihr das peinlich. Vor allem aber findet sie es nicht richtig.
Erste Überlegung: Wie lässt sich Müll einsparen?
Das ist der Beginn: Heidi Pohl überlegt, wie man Müll einsparen kann. Ganz einfach ist das nicht, berufstätig und als zweifache Mutter. Da bleibt wenig Zeit, sich des Themas anzunehmen. „Aber ich dachte: Das muss einfach gehen. Vor allem am Bodensee. Wo, wenn nicht hier?“, sagt sie rückblickend. „Wir haben hier alle ein wunderbares und reichhaltiges Leben, deutschlandweit die größte Dichte an Bio-Demeterhöfen und ungemein viele Höfe mit Direktverkauf.“
Heidi Pohl fängt an, frische Ware direkt bei den Höfen einzukaufen
Sie gewöhnte sich an, frische Ware nur noch direkt bei den Höfen zu kaufen. „Ich habe festgestellt, dass es überhaupt kein Problem ist, Obst und Gemüse lose einzukaufen. Auch Brot und Backwaren im Leinenbeutel statt in der Tüte war leicht umzusetzen.“ Schwierig sei es aber, in Überlingen Trockenprodukte wie Mehl, Müsli und Nudeln unverpackt zu bekommen.
Unverpackt-Laden soll Höfe und Wochenmärkte einbinden
Während die gelernte Bauzeichnerin so zu den Höfen fuhr, wurde ein Gedanke in ihr immer präsenter: sich mit einem Unverpackt-Laden in Überlingen selbstständig zu machen. Dieser sollte aber keine Konkurrenz zu den bestehenden Höfen und dem Wochenmarkt sein, sondern diese und ihr Sortiment mit einbinden, wenn sie den Qualitätsansprüchen genügen. Heidi Pohls Vorstellungen hierzu sind klar.
„Bio, Demeter, regional, Mitarbeiter müssen fair bezahlt sein“
Sie zählt auf: „Bio, Demeter, regional, die Mitarbeiter müssen fair bezahlt sein und das Wichtigste ist eine nachhaltige Transportverpackung.“ Sie erklärt: „Ich möchte hier einen Ort schaffen, an dem man alles bekommt und eben nicht vier oder fünf Stationen anfahren muss.“
Im ehemaligen Milchwerk wird sie bei der Suche nach einem Laden fündig
Gedacht, getan: Heidi Pohl begann mit der Vorbereitung, jobbte in verschiedenen Unverpackt-Läden und machte sich auf die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten, die sie schließlich im ehemaligen Milchwerk fand.
Im Basissortiment sind rund 300 Produkte im Angebot
Wie viel sie in dem Geschäft anbieten wird, hängt von der Nachfrage ab: Heidi Pohl stattet ihren Unverpackt-Laden mit einem Basissortiment von rund 300 Produkten aus. Um mehr bieten zu können, startet sie eine Crowdfunding-Aktion für jeden Geldbeutel – von 5 bis 1000 Euro. „Ein Beispiel: Ich stelle drei Sorten Reis, aber mit einem guten Crowdfunding habe ich fünf Sorten. Ich werde Milch und Butter haben und mit einem guten Crowdfunding dann noch Tofu und Ähnliches.“
Wer sich am Crowdfundig beteiligt, erhält Einkaufsgutscheine im selben Wert
Dann kaufen diejenigen, die sich am Crowdfunding beteiligen, aber ziemlich teuer ein, könnte man argumentieren. Doch dem ist nicht so: Der Kunde erhält für seine Einlage Einkaufsgutscheine im selben Wert oder ein Starterset mit Behältern und Gläsern. „Ich sehe das Crowdfunding auch als Indikator für das Interesse. Und der Kunde hat damit die Möglichkeit, sich in die Sortimentsauswahl einzubringen.“
Literatur zum Thema Müllvermeidung und Tipps im Bistro
Der Unverpackt-Laden soll ein Ort für Entschleunigung werden. Es gebe auch ein Bistro, wo man in der ausliegenden Literatur zum Thema Müllvermeidung blättern und sich Tipps holen kann, zum Beispiel zur Herstellung von Waschmitteln. „Einkaufen soll wieder Spaß machen und auch ein Anlaufpunkt für Leute sein, die sich einsam fühlen. Im Grunde ist mein Laden eine Antwort auf die schnelllebige Zeit.“
Standort für den Laden bewusst gewählt, auch wenn er abseits liegt
Menschen, die sich bewusst ernährten und bewusst ihre Umwelt schonen wollten, suchten ihren Laden bewusst auf, sagt sie. Es sei unwahrscheinlich, dass Kunden zufällig am ehemaligen Milchwerk gegenüber der Jugendherberge nahe des Stadtwerks vorbeikämen. Dennoch hat sich die 41-Jährige ganz bewusst für diesen Standort entschieden. Ihr gefiel die Geschichte des Gebäudes, vom Milchwerk zum Unverpackt-Laden, vom Lebensmittel zu Lebensmitteln. „Das ist eine Herzensangelegenheit“, sagt Heidi Pohl.
Gesundheitsamt hat Räume freigegeben
Und wie geht ein Unverpackt-Laden mit den immer strengeren Hygienevorschriften zusammen? „Das Gesundheitsamt war schon da und hat die Räume freigegeben“, sagt die zweifache Mutter. Außerdem habe sie von den Experten Tipps erhalten, zum Beispiel, dass alle Flächen glatt und abwischbar sein müssen. Die Gefäße, in denen die Waren angeboten werden, seien so konzipiert, dass alles sehr hygienisch sei. „Und verschiedene Dinge wie Butter oder Käse kann sich der Kunde nicht selbst nehmen, sondern das machen meine Mitarbeiterinnen oder ich.“
Shampoo, Zahnpasta und Spülmittel stellen Pohls mittlerweile selbst her
Gelbe Säcke stellt Heidi Pohl zu Hause derweil immer noch vor die Tür. Aber es sind deutlich weniger. „Ich verbiete meinen Kindern kein Überraschungsei, aber jedes hat nur eine bestimmte Anzahl von Plastikpunkten, die es verbrauchen darf“, nennt sie ein Beispiel, wie die Müllvermeidung zu Hause gelingt. Und Dinge wie Shampoo, Zahnpasta und Spülmittel stellen die Pohls inzwischen selbst her.
Unverpackt-Laden
Der genaue Eröffnungstermin für den Unverpackt-Ladens ist noch unklar. Heidie Pohl hat sich als Ziel gesetzt, „um die Landesgartenschau-Eröffnung herum“ zu starten. Momentan laufen die Vorbereitungen in dem 180 Quadratmeter großen ehemaligen Milchwerk auf Hochtouren.
Heidi Pohl ist verheiratet, hat zwei Kinder und ist gelernte Bauzeichnerin. Im Unverpackt-Bereich hat sie durch verschiedene Jobs bereits zahlreiche Erfahrungen gesammelt.
Kontakt: Heidi Pohl, Alte Nußdorfer Straße 7, 88662 Überlingen, E-Mail hallo@kaufeloses-ueberlingen.de