An diesem Tag liegen 6,23 Euro liegen in der Mütze von Zoltan Ruszo. Er kommt aus der Slowakei und bettelt in Überlingen. Er kniet in der Spitalgasse, auf dem Kopfsteinpflaster, auf dem die Touristen zu den Eisdielen, zum Münster oder zum See gelangen. Aufgrund der Sprachbarriere ist es kaum möglich, ein Gespräch zu führen.
Klar wird zumindest: Krankheiten haben ihn offenbar aus dem Leben gerissen. Arbeiten könne er nicht mehr, sagt er. Mit seinen Kindern habe er keinen Kontakt mehr, aber seine Enkel wolle er unterstützen. Mit dem Bus kam er nach Überlingen. Ob er auch in anderen Städten bettelt, lässt sich nicht herausfinden. Nach ein bis zwei Monaten fahre er wieder zurück in seine Heimat. Mit einem Foto ist er einverstanden.
Für die Kinder aus der Slowakei nach Deutschland
Nur ein paar Meter weiter sitzt der 51-jährige Attila Szajko. Er kam ebenfalls aus der Slowakei nach Deutschland, um seine drei Kinder zu ernähren. In gebrochenem Deutsch erklärt er, dass er vor allem keine Probleme möchte. Zoltan Ruszo kenne er, sagt Szajyko. Sie schliefen beide bei der Caritas. Scharenweise ziehen die Menschen an ihm vorbei. In seinen Hut wirft kaum jemand etwas.

Der blinde Bettler
Noch weiter die Gasse hinab in Richtung Münster sitzt Attila Berky. Auch Berky stammt aus der Slowakei. Er ist blind. Seine Augen sind mit grauem Star überzogen. Sein Bruder habe ihn blind gemacht, beschuldigt er ihn. Bei einer Schlägerei soll das passiert sein. Der ganze Ort Rimavská-Sobota, wo er herkommt, kenne seine Geschichte. Laut seiner Erzählung sei das 2018 passiert. Seitdem könne er nicht mehr arbeiten und bettelt. „Betteln ist nicht schön, aber was soll ich tun?“, fragt er. Und so bettle er in München, in Überlingen, in der Schweiz. Dort spiele er dann Mundharmonika, weil Betteln verboten ist. Wie zum Beweis zieht er ein transparent neongelbes Instrument aus seinem Rucksack. 20 Euro erhalte er etwa am Tag.
Er sei ein ehrlicher Mensch, sagt er. Dem SÜDKURIER zeigt er sogar seinen Personalausweis. Ein Foto möchte er von sich nicht machen lassen. Auf der Straße habe er Deutsch gelernt. Auf einem Karton-Schild ist gekritzelt, er möchte eine Operation bezahlen. In der Münster-Passage sitze seine Mutter. Danyowa Apollonia heiße sie. Ein biblischer Name. „Entweder passt Gott auf mich auf oder meine Mutter“, sagt er. Er selbst würde gerne auf seine zehnjährige Tochter Sabrina aufpassen. Ihren Namen hat er auf seiner linken Hand tätowiert: Sabrina steht dort. Das Jugendamt habe sie in eine Pflegefamilie gegeben. Sabrinas Mutter sei gestorben und Berky dürfe seine Tochter nicht treffen, erzählt er.
Steckt dahinter eine Bettler-Bande?
Vier Bettler, alle aus demselben Land – das macht stutzig. Steckt dahinter eine Art Bettler-Organisation? Entsprechend organisierte Banden existieren, schreibt die Stadtverwaltung auf Anfrage. „Belastbare Nachweise für ein entsprechendes Aufkommen in Überlingen sind aktuell nicht bekannt“, heißt es weiter. Daniela Baier, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Ravensburg, sagt dazu: „Wie es organisiert ist, wissen wir nicht, oft ist es aber organisiert.“ Unseren Gesprächspartnern kann das nicht nachgewiesen werden. Dennoch sei es unabhängig von ihnen, laut Baier auffällig geworden, dass Einzelne am selben Tag mal in Überlingen, mal in Friedrichshafen betteln. „Irgendwie müssen die Leute von A nach B kommen“, sagt sie.
Laut Stadtverwaltung seien bettelnde Personen verstärkt in der Sommer- und Weihnachtssaison anzutreffen. Dabei sind sie „an Orten anzutreffen, an denen hohe Publikumsfrequenz herrscht“. In den vergangenen zwölf Monaten verzeichnet die Polizei 180 Einsätze wegen Bettelei im gesamten Präsidiumsgebiet, davon sieben in Überlingen. In der hiesigen Stadtverwaltung werde keine Statistik darüber geführt, ob es in den vergangenen Jahren mehr Bettler geworden sind.
Betteln ist erlaubt, aggressives Betteln nicht
Dazu erläutert die Stadtverwaltung genauer: „Betteln ohne aufdringliches oder aggressives Auftreten ist erlaubt, sodass eine entsprechende Erfassung der Personenanzahl ohne Auffälligkeiten obsolet ist“, begründet die Stadtverwaltung. Lediglich das Betteln, bei dem die Personen aggressiv körperliche Nähe suchen, sei nach der Polizeiverordnung der Stadt Überlingen nicht erlaubt. Dies kann mit einem Bußgeld belegt werden und zieht laut Daniela Baier in der Regel einen Platzverweis nach sich, wird also fortgeschickt. Läge tatsächliche Bandenkriminalität vor, würden entsprechende Strafverfahren eingeleitet, erklärt die Polizeisprecherin.
Nur selten Zusammenhang von Betteln und Straftaten
Üblicherweise lasse sich nur in Ausnahmefällen ein Zusammenhang zwischen Bettlern und Straftaten herstellen. „Es lässt sich auch nicht kategorisch ausschließen, aber in der Regel sind sie nicht die, die in Wohnungen einbrechen. Werden Polizisten auf Bettler aufmerksam, sprechen sie bei Auffälligkeiten einen Platzverweis aus, sagt Polizeisprecherin Baier.
Bei Haustürbettlern sind die Dinge anders gelagert. Hier ist Vorsicht geboten, sagt Baier. „Die wollen kein Bargeld“, sagt Baier. Auch solle man ihnen kein Glas Wasser anbieten. Diese Personen nutzten den Kurzbesuch an der Haustür, um den Haushalt nach lukrativer Beute auszuspionieren.