Herr Eberl, Sie sind jetzt seit zwei Monaten beim Stockacher Autozulieferer Eto als Sanierungs-Vorstand (CRO) im Amt. In welchem Zustand haben Sie die Firma Mitte April vorgefunden und wo steht das Unternehmen jetzt?
Als ich mein Amt Mitte April angetreten habe, habe ich ein Unternehmen in der Krise vorgefunden, das aber auch schon Schritte eingeleitet hatte, die in einer solchen Situation getan werden müssen. Die Erstellung eines Sanierungsgutachtens war damals schon beauftragt. Ziel dieses Gutachtens ist es, die Frage zu beantworten, ob es eine Fortführungsprognose für die Eto gibt und der Weg nach vorne weisen kann. Meine Aufgabe ist es seit April, alles dafür zu tun, dass das auch gelingt. Seitdem haben wir Geschwindigkeit aufgenommen und setzen eine Vielzahl an Maßnahmen um, um die Lage zu stabilisieren. Wir stehen heute stabiler da, als noch vor einigen Wochen.
Die Frage, ob Eto Insolvenz anmelden muss, ist also noch offen?
Davon gehen wir nicht aus. Grundsätzlich ist es aber Aufgabe des Sanierungsgutachtens genau diese Frage zu klären und den Banken und Geldgebern Sicherheit in ihrer Entscheidung zu geben, ob es weiter gehen kann, oder nicht. Deswegen wird es auch von unabhängigen Experten, in diesem Fall ist das die Unternehmensberatung PWC, erstellt.
Wann fällt der Hammer?
Wir rechnen im Spätsommer damit, dass das Sanierungsgutachten fertiggestellt und durch die entsprechenden Gremien der Banken und Geldgeber abgesegnet ist. Dann wissen wir, wie die Perspektive der Eto sein wird.
Ist die Liquidität des Unternehmens gesichert?
Seit Jahresbeginn läuft ein intensives Programm die Liquidität zu stärken, dass ich seit Beginn meiner Amtszeit auch noch einmal forciert habe. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die finanzielle Lage besser als vor zwei Monaten, was aber nicht heißt, dass jetzt jeder Sturm aufziehen kann. Wir sind auf einem Weg, der die ETO erst einmal stabilisiert hat.
Wie lange reicht das Geld in der Kasse, um die Rechnungen zu zahlen?
In der Sanierung gibt es Standard-Finanzplanungsinstrumente, wie zum Beispiel die 13-Wochen-Liquiditätsplanung und Durchfinanzierungsbestätigung. Insbesondere in der aktuellen Lage müssen diese genutzt werden. Dies gibt den Kreditgebern die nötige Orientierung und uns, dem Management, die Sicherheit insolvenzrechtliche Kriterien richtig und frühzeitig zu erkennen.
Was besagt der Standard der 13-Wochen-Liquiditätsplanung denn?
Der besagt, dass das Unternehmen für 13 Wochen durchfinanziert sein muss. Dieses Kriterium erfüllen wir und wird auch von PWC als unabhängigen Gutachter bestätigt. Das umschließt alle Zahlungsflüsse, die uns bekannt sind, inklusive der Löhne und Gehälter für die Mitarbeiter.
Wie kam es überhaupt zur aktuellen Krisensituation?
Grob gesagt, waren die Ausgaben über einen längeren Zeitraum einfach höher als die Einnahmen. Am Ende war es eine Vielzahl von kleinen Dingen, die im Laufe der Zeit zusammengekommen sind und ein Gesamtbild ergeben haben, das nicht mehr tragfähig war. Wichtige Themen sind, dass das Unternehmen im operativen Geschäft nicht genügend Geld verdient. Dazu kam, dass große Teile des Umsatzes unerwartet weggebrochen sind, etwa weil Großkunden Aufträge kurzfristig storniert haben.
Was tun Sie konkret, damit Geld in die Kassen kommt?
Ich habe in meiner Funktion als CRO vor allem die Geschwindigkeit erhöht, die Kosten herunterzubekommen und die Liquidität zu erhöhen. Dazu haben wir beispielsweise Lagerbestände reduziert und soweit möglich, den Auslastungsgrad von Maschinen erhöht. Außerdem haben wir uns neue Kredit- und Finanzierungsmöglichkeiten erschlossen. Unsere künftigen Hausaufgaben werden eher struktureller Natur sein. Es gilt, aus dem Umsatz mehr Gewinn herauszuholen.

Welche Margen braucht die Eto, um wieder über ein tragfähiges Geschäftsmodell zu verfügen?
Wir müssen zeitnah auf den Branchenstandard kommen, und das bedeutet zweistellige operative Ertragskraft gemessen am EBITDA zu erwirtschaften. Mit unseren Gewinnen müssen wir sowohl das Fremdkapital als auch die jetzt anfallenden Restrukturierungskosten finanzieren können. Klar ist, dass das kein Selbstläufer ist.
Eto bedient Nutzfahrzeug-, Kraftfahrzeug- und Industriekunden. Wird das so bleiben, oder muss man sich fokussieren?
Heute hängt die Eto stark von der Entwicklung der Pkw- und Nutzfahrzeugmärkte ab. Wir gehen auf Basis von Branchenanalysen davon aus, dass dieses Mobilitätsgeschäft insbesondere auf unserem Kernmarkt Europa im Lauf der Zeit zurückgehen wird. Unsere Herausforderung besteht also darin, die entstehende Lücke zu schließen.
Wie soll das passieren?
Indem wir unser Geschäft mit Industriekunden hochfahren. Luftfahrt ist beispielsweise so ein interessanter Markt. Und es gibt noch eine Reihe anderer.
Wäre die Rüstung auch so ein Zukunftsfeld?
Es gibt sicher viele interessante Bereiche, die wir uns anschauen. Etwas zu verkünden, dafür wäre es aber zu früh.
Lautet das Motto generell also: Weg vom Automobil?
Langfristig wollen wir von dem Geschäft unabhängiger werden, ja.

Ex-Eto-Chef Michael Schwabe hat ab 2019 eine Reihe neuer Geschäftsfelder aufgebaut rund um Themen wie Digitalisierung, Landwirtschaft oder den Gesundheitsmarkt aufgebaut. Was wird aus denen?
Inhaltlich gehört es nicht zur Kernkompetenz der Eto, beispielsweise digitale Produkte und Services anzubieten. Wir haben daher die Entscheidung getroffen, dass die neuen Geschäftsfelder nicht mehr im Fokus unserer Aktivitäten stehen werden. Wir werden diese Geschäftsfelder nur fortführen, wenn es wirtschaftlich gesehen sinnvoll ist oder wir die entwickelten Technologien für unser Kerngeschäft nutzen können. Ich will nicht missverstanden werden. Es ist in diesen Bereichen viel technologisch Wertvolles entwickelt worden, am Ende muss es sich in der jetzigen Lage aber zwingend lohnen.
Was passiert mit den zugekauften Beteiligungen und Start-Ups?
Entscheidungen, wie wir damit verfahren, sind in Vorbereitung, aber noch nicht gefallen. Alles ist möglich. Die entscheidende Frage ist, ob zügig Geld damit verdient werden kann und Technologie dahintersteckt, die wir im Kerngeschäft brauchen.
Wann schreibt die Eto wieder schwarze Zahlen?
Dazu will und kann ich im Moment keine Prognose abgeben – das wäre verfrüht.
Gibt es ein Umsatzziel fürs laufende Jahr?
Wir gehen davon aus, einen Umsatz von 400 Millionen Euro am Jahresende zu erreichen.
Im April hieß es vom Vorstand, betriebsbedingte Kündigungen könnten nicht ausgeschlossen werden. Sind sie Stand jetzt wahrscheinlicher geworden?
An der Aussage von vor zwei Monaten hat sich nichts geändert. Betriebsbedingte Kündigungen stehen nach wie vor im Raum.
Sollten sie kommen, in welchem Umfang?
Solange der Sanierungsplan nicht steht und durch die Gremien der Banken abgesegnet worden ist, kann ich dazu keine Aussage treffen. Es ist schlicht zu früh, das zu tun.
Seit Dezember 2024 stecken Teile der Belegschaften der Eto in Kurzarbeit. Wie stellt sich die Kurzarbeit im Moment dar?
Wo es gesetzlich möglich und wirtschaftlich nötig ist, wird in den deutschen Werken in vollem Umfang kurz gearbeitet. Die Produktion richtet sich jedoch stets an den Kundenabrufen aus. Kunden werden pünktlich beliefert, alle Aufträge werden abgearbeitet.

Werden Sie von Kunden gestützt, um nicht irgendwann vom Markt zu verschwinden?
Es laufen Gespräche mit den großen Kunden, damit diese Beiträge zur Sanierung der Eto liefern. Teilweise haben wir schon Verhandlungserfolge erzielen können.
Betrifft das auch ihren größten Kunden, die ZF Friedrichshafen?
Gespräche laufen mit verschiedenen Unternehmen. Einzelne Namen werde ich nicht nennen.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Stadt Stockach?
Seitens der Stadt gibt es logischerweise ein großes Interesse an der aktuellen Lage. Wir waren im Stadtrat und haben der Politik die Situation geschildert. Und wir haben ein gutes Verhältnis zur Bürgermeisterin Susen Katter und sind in regelmäßigem Austausch.
Eto verfügt über mehrere eher kleine Auslandsstandorte. Stehen diese zur Disposition?
Unsere Werksstruktur ist an unseren Hauptkunden ausgerichtet. Insofern kann man einzelne Standorte nicht einfach verkaufen. Aber natürlich müssen wir in der jetzigen Lage alle Möglichkeiten durchspielen und prüfen, ob sie dem übergeordneten Ziel, das Unternehmen wieder sicher aufzustellen, dienen.
Die Unternehmensberatung PWC hat ein Mandat bei Eto. Wie lange sind die Berater schon aktiv?
Die Kollegen von PWC haben im April ihre Arbeit angetreten und ihr Mandat endet im Wesentlichen mit der Erstellung des Sanierungsgutachtens. Danach wird eine fortlaufende unabhängige Begutachtung der Umsetzung durch PWC erfolgen, welche von den Finanzierern gefordert ist. Unsere Zusammenarbeit ist sehr gut und eng.
Wie ist Ihre persönliche Perspektive bei der Eto?
Mandate zur Sanierung und Restrukturierung sind üblicherweise auf zwei Jahre angelegt. Aber es kann auch schon mal länger dauern.