Überlingen – Den Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan Kramer-Areal hat der Gemeinderat auf Antrag der SPD-Fraktion einstimmig vertagt – entgegen der vorausgegangenen einstimmigen Empfehlung aus dem Bauausschuss. "Wenn wir aus einem reinen Gewerbegebiet ein Misch- oder Wohngebiet machen, steigt der Wert der Grundstücke erheblich", argumentierte Stadtrat Udo Pursche: "Wir wollen aber für Überlinger bezahlbaren Wohnraum schaffen. Wie wollen Sie verhindern, dass wieder nur Luxuswohnungen gebaut werden?" Diese Problematik gelte es schon im Vorfeld gut zu bedenken, erklärte der SPD-Stadtrat und sah noch Klärungsbedarf.
Diese Bedenken teilte Oberbürgermeister Jan Zeitler zunächst nicht. Zeitler nannte das Vorhaben eine Konsequenz des Integrierten Stadtentwicklungskonzepts (Isek) aus dem Jahr 2016 und sah das Planungsrecht der Kommune als Gegenpol zu den Eigentumsrechten an den Grundstücken.
Fusion vor zehn Jahren
Zehn Jahre ist es her, dass die Kramer-Werke GmbH nach einer Fusion mit der Firma Neuson (Linz) und Wacker (München) ihren Überlinger Standort an der Nußdorfer Straße verlassen hat. Um dem Hersteller von Radladern und anderen kleinen Baumaschinen Entwicklungsmöglichkeiten zu geben, hatte die Stadt Überlingen in den 1990er Jahren das Gewerbegebiet Langäcker ausgewiesen. Doch Kramer siedelte 2008 nach Pfullendorf um. Eine Halle auf dem angestammten Areal am See wird derzeit noch von der MTU für den Bau der Dieselmotorenreihe 1600 genutzt. Die Produktion soll allerdings nach Indien verlegt werden, wie der Konzern Ende 2107 ankündigte.
Das ehemalige Überlinger Betriebsgelände ist samt mehrerer alter Wohngebäude an der Nußdorfer Straße nach wie vor in Besitz der Kramer-Werke. Seit rund einem Jahr gebe es Gespräche mit dem Eigentümer über die Entwicklungsmöglichkeiten für das hochwertige Areal, bestätigte Oberbürgermeister Jan Zeitler, der eine ausufernde Diskussion am Mittwoch vermeiden wollte. Deshalb zögerte er auch nicht, den Antrag der SPD auf Vertagung bereitwillig aufzunehmen, dem das Gremium einstimmig folgte. In nicht öffentlicher Sitzung könne er den Gemeinderäten noch einige Details über den Stand der Gespräche darstellen, sagte Zeitler, der das Thema möglichst bald wieder auf die Tagesordnung bringen will.
Zuvor war auch schon die Gruppierung BÜB+ von Dirk Diestel und Stadtrat Roland Biniossek hinter den Kulissen tätig geworden und hatte an alle Fraktionssprecher appelliert, den geplanten Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan zu vertagen und zuvor eine "Satzung für die Abschöpfung von Planungsgewinnen" zu verabschieden. Denn allein dieser Beschluss wäre das Signal an den Eigentümer, das Areal nicht zu verkaufen. In der kurzen Diskussion spekulierte Roland Biniossek über die mögliche Höhe eines Planungsgewinns. Im Bauausschuss habe er selbst ebenfalls für die Aufstellung votiert, allerdings unter der Maßgabe einer Vorkaufsrechtssatzung für die Stadt.

Stadt kann Areal wohl nicht kaufen
Dass es in Überlingen zuletzt Tradition gewesen sei, die Grundstücke vor der Aufstellung eines Bebauungsplans für die Stadt zu erwerben, hatte zuvor auch Udo Pursche (SPD) in der Begründung seines Antrags auf Vertagung betont. Tatsächlich steige der Wert eines Grundstücks de facto schon mit einem derartigen Beschluss. Allerdings scheint es aus Sicht von Oberbürgermeister Jan Zeitler vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen derzeit kaum realistisch, dass die Stadt das Areal erwerben könnte. Doch es gibt nach Expertenmeinung ganz unterschiedliche Möglichkeiten für die Kommune, sich ein Stück des gehaltvollen Kuchens zu sichern.
Das sogenannte Kramer-Areal sei bereits im Stadtentwicklungskonzept 2016 als zu aktivierendes Flächenpotenzial benannt worden, hieß es in der knapp gehaltenen Sitzungsvorlage. Es stelle mit rund fünf Hektar eine "hoch attraktive Entwicklungsfläche in direkter Nähe zum Bodensee" dar. Durch den Flächenzuschnitt sowie die Lage des Gebiets eigne sich der Standort sowohl für eine Wohnnutzung als auch für gewerbliche, Büro- und Dienstleistungsnutzungen. "Ziel ist daher die Entwicklung eines zeitgemäß gemischt genutzten Stadtquartiers."
Anders als in dem mit den Sitzungsunterlagen zunächst veröffentlichten Geltungsbereich wurden in der kurzfristig aktualisierten Version die bestehenden Kramer-Gebäude an der Nußdorfer Straße ebenfalls mit einbezogen, die einst als Betriebswohnungen genutzt worden waren und heute nicht mehr vollständig genutzt werden.
Das Isek
- Das steht im Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzept (Isek), das der Gemeinderat 2016 beschloss: Das Kramerareal stellt mit rund sieben Hektar eine hoch attraktive Entwicklungsfläche am Ufer des Sees dar. Aufgrund des Flächenzuschnitts und der attraktiven Lage eignet sich der Standort sowohl für Wohnnutzung als auch für hochwertige Gewerbenutzungen. Neben Wohnungen sind Büro- und Dienstleistungen, Bildung, Forschung und Entwicklung sowie Hotelnutzung denkbar. Ein gemischt genutztes Stadtquartier kann entstehen. Lage und Umfang weisen diese Fläche als eine strategische Entwicklungsfläche innerhalb der Kernstadt aus. Bei der Flächenentwicklung sind deshalb höchste Anforderungen an die Nutzungsmischung sowie die stadtgestalterische Qualität zu stellen. Bei einer Geschossflächenzahl (GFZ) von etwa 1,2 für ein gemischt genutztes Stadtquartier mit etwa 30 Prozent gewerblicher Nutzung und 70 Prozent Wohnnutzung besitzt dieser Standort ein Potenzial für ca. 370 Wohnungen und ein Gewerbeflächenpotenzial von ca. 19 000 Quadratmeter.
- Bei einem Schwerpunkt auf eine reine gewerbliche- bzw. Dienstleistungsnutzung mit einer dem Standort angemessenen Geschossflächenzahl von etwa 1,6 besitzt dieser ein Gewerbeflächenpotenzial von circa 85 000 Quadratmeter. Wegen diesem noch auszulotenden Potenzial sollte die Kommune die Gebietsentwicklung nicht ausschließlich privaten Investoren überlassen, sondern selbst Konzepte zur Definition des Entwicklungsrahmens erarbeiten. Hierbei kann das Instrument des städtebaulichen Wettbewerbs im Sinne der Qualitätssicherung eine sinnvolle Maßnahme sein. (hpw)