Rolf Dreher aus Bambergen wohnt einen Steinwurf vom obersten Dorfbrunnen in Bambergen entfernt. Er war entsetzt, als er sah, dass im Becken plötzlich Rosen wachsen. Nichts gegen Rosen, aber den Dorfbrunnen einfach mit Blumenerde zuzuschütten, das sei ein Frevel an der gewachsenen Dorfkultur, findet er. Man solle, so seine scherzhaft gemeinte Empfehlung, die Blumenerde ins Rathaus kippen, „damit dort was Gescheites wächst“. Das, was sich das Rathaus zu den Stadt- und Dorfbrunnen ausgedacht hat, ordnet er jedenfalls eher im Bereich Unkraut ein.

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Während sich Oberbürgermeister Jan Zeitler für seine Verwaltung im Gemeinderat Watschen abholen musste und dort bereits zum geordneten Rückzug blies, startete Dreher eine Unterschriftenaktion. Ergebnis: Gut 130 Dorfbewohner unterschrieben einen Brief, den Dreher an den OB formulierte.

127 Jahre lang, in guten und in schlechten Zeiten

Im Protestbrief aus Bambergen an Zeitler heißt es: „Die Brunnen sind ein Teil unseres Dorfs, unserer dörflichen Kultur und des freundlichen Erscheinungsbildes von Bambergen. 127 Jahre lang, in guten und in schlechten Zeiten, konnten Bürger und Besucher die Brunnen nutzen als Erfrischungsquell an heißen Tagen, als Trinkwasser für vorbeiziehende Wanderer, als Spielplatz für unsere Kinder und als Wasserquelle für naheliegende Schrebergärten, die sonst kein Wasser hätten.“ Es handle sich um „kleine Oasen“, die in einer „Nacht- und Nebelaktion zunichte gemacht“ worden seien. Noch nicht einmal der Ortschaftsrat sei um eine Meinung gefragt worden. Die Bitte an Zeitler lautet: „Machen Sie diese Maßnahmen rückgängig.“

Rolf Dreher aus Bambergen in seinem Brief an OB Zeitler: „127 Jahre lang, in guten und in schlechten Zeiten, konnten Bürger die ...
Rolf Dreher aus Bambergen in seinem Brief an OB Zeitler: „127 Jahre lang, in guten und in schlechten Zeiten, konnten Bürger die Brunnen nutzen.“ | Bild: Hilser, Stefan

Brunnenputzete der Bambergener Art

Andere Bürger, deren Namen noch nicht bekannt sind, schritten zur Tat und schaufelten die Blumenerde um in große Säcke. Die von der Stadt in die Brunnen gepflanzten Rosen topfte man in Blumenkästen um und stellte sie zur Abholung bereit. Möge die Stadtgärtnerei Pflanzerde und Blumen für etwas anderes verwenden, in Bambergen solle wieder Wasser durch die Brunnen fließen.

Ortsvorsteher Daniel Plocher teilte auf Anfrage, ob er an der Aktion beteiligt gewesen sei, mit: „Das Entfüllen der Bamberger Brunnen ist mir bekannt. Bambergen hat signalisiert, dass die Brunnen erhalten bleiben sollen und auch hier werden derzeit Möglichkeiten geprüft und gerechnet, wie die Brunnen weitergetrieben werden können.“

Wie die Stadt auf diese Aktion reagieren wird, ist noch offen. Eine Presseanfrage liegt der Stadtverwaltung vor.

Verschönerungsverein protestiert

Auch der Verschönerungsverein von Überlingen, der VVÜ, setzt sich für eine Wiederherstellung aller Brunnen ein. Seit seiner Gründung kümmere sich der VVÜ um die Erhaltung und Sanierung von Brunnen. In einem Pressetext schreibt der 1899 gegründete Verein, dass man überrascht worden sei von der Verfüllung zahlreicher Brunnen, „und dies ohne vorherige Information der Öffentlichkeit“. Natürlich sei es wichtig, Überlegungen anzustellen, wie Trinkwasser eingespart werden und laufende Kosten gesenkt werden können. „Aber um welchen Preis?“, fragt der fast 400 Mitglieder starke VVÜ.

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Schon immer seien Brunnen bedeutende Bauwerke in den Städten gewesen. Zum Nachweis führt der VVÜ einen Aufsatz von Stadtarchivar Walter Liehner im Jahrbuch des Bodenseekreises von 2006 an: „Ein Netz von öffentlichen Brunnen bildete über Jahrhunderte hinweg das Rückgrat der Überlinger Wasserversorgung, war Lebenselixier für rund 3500 Menschen und eine entsprechend große Anzahl an Vieh. Auch heute beleben eine stattliche Zahl von Brunnen die Straßen und Plätze der Stadt“.

Ein Merkmal von Überlingen

Brunnen, so der VVÜ, seien wertvolle Kleindenkmäler, die Geschichten erzählen. „So wie die beiden Fischerbrunnen in Nußdorf und in der Fischerhäuservorstadt, oder die imposanten, historischen Brunnen von 1894 in Bambergen, die den Ortscharakter prägen, nur um ein paar Beispiele zu nennen.“ Brunnen belebten Plätze optisch und akustisch, sie kühlen an heißen Sommertagen und sie erhöhen in besonderer Weise die Attraktivität unserer Stadt und Teilorte, findet der VVÜ.

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Vorsitzende Siemensmeyer hielt die Aktion zunächst für einen Aprilscherz

Der Verschönerungsverein steht unter dem Vorsitz von Bernadette Siemensmeyer. Sie ist Gemeinderätin in der Fraktion LBU/Die Grünen. In der letzten Ratssitzung sagte sie, dass sie die Brunnenaktion der Stadt zunächst für einen Aprilscherz gehalten habe. OB Jan Zeitler kündigte an, dass er das Thema zur Beschlussfassung aufbereiten lasse, bat aber darum, keinen „Zeitdruck“ auf die Verwaltung auszuüben. Siemensmeyer konterte, dass sich die Verwaltung ja schon viele Gedanken zu den Brunnen gemacht habe. „Das Thema ein bisschen aufzubereiten, kann ja nicht mehr so schwer sein.“