Auf 60 000 Euro jährlich beziffert die Stadtverwaltung die Kosten, die sie einspart, wenn sie bei diversen Stadt- und Dorfbrunnen das Wasser abdreht. Die Brunnen hängen nicht an Quellen, aus denen das Wasser sowieso sprudeln würde, sondern an der Frischwasserleitung, bei der das Stadtwerk den Zähler mitlaufen lässt und dann eine Rechnung schreibt.

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Stadtwerk distanziert sich: Nicht unser Ding

Nun ist eben dieses Stadtwerk am See schwer um Schadensbegrenzung bemüht. Das Wirtschaftsunternehmen schaltete sich direkt ein in die Debatte und betonte via Facebook an mindestens vier Stellen: „Wir haben die Entscheidung weder getroffen, noch umgesetzt.“

Worum geht es? Die Stadtverwaltung stellte das Wasser an insgesamt 24 Brunnen im Stadtgebiet und in den Teilorten ab, zeitweise oder komplett. 14 Brunnen sollen über eine Zeitschaltuhr gesteuert, sieben bepflanzt, drei dauerhaft stillgelegt oder sogar ganz abgebaut werden.

Der letzte Tropfen. Einer von drei Brunnen in Nesselwangen.
Der letzte Tropfen. Einer von drei Brunnen in Nesselwangen. | Bild: Jürgen Gundelsweiler

Zur Begründung gibt die Stadtverwaltung an, dass mit dem Lebensmittel Wasser nicht verschwenderisch umgegangen werden dürfe. Und dass mit den eingeleiteten Maßnahmen jährlich etwa 35 000 Kubikmeter Leitungswasser eingespart werden könnten, das entspreche 60 000 Euro. Auf eine Umwälzpumpe umzustellen, sei aus hygienischen Gründen und wegen des Reinigungsaufwandes nicht sinnvoll.

Ohne Abstimmung im Gemeinderat

Die Entscheidung traf die Stadtverwaltung ohne vorherige Abstimmung im Gemeinderat. Die Pressestelle von OB Jan Zeitler betont jedoch, dass der Gemeinderat im Rahmen der Haushaltsdebatte informiert worden sei, und dass man im Oktober Rücksprache mit den Ortsvorstehern gehalten habe. Die Ortsvorsteher hätten sich aber nicht mit eigenen Vorschlägen zurückgemeldet. Auch im Gemeinderat schien das Thema keinem aufgefallen zu sein.

Mit Erde aufgeschüttet: der Brunnen in der Christophstraße.
Mit Erde aufgeschüttet: der Brunnen in der Christophstraße. | Bild: Jürgen Gundelsweiler

An die Öffentlichkeit kam das Thema dieser Tage, als die Auswirkungen sichtbar wurden. Auf der Facebook-Seite „Du bisch von Überlingen, wenn…“ entbrannte eine emotionale Debatte, in die sich die frühere Oberbürgermeisterin Sabine Becker einschaltete, die ihr Bedauern darüber ausdrückte, dass auch in Bonndorf ein Brunnen stillgelegt wurde. SPD-Ortsvorsitzender Christian Gospodarek kritisiert einen Mangel an Kommunikation und Diskussion. Gospodarek in seinem Facebook-Post: „So wie es jetzt gelaufen ist, war der Sturm der Entrüstung vorherzusehen.“

Oberbürgermeister Jan Zeitler: „Wir dachten, es ist ein guter Vorschlag.“
Oberbürgermeister Jan Zeitler: „Wir dachten, es ist ein guter Vorschlag.“ | Bild: Hilser, Stefan

Jetzt, als das Kind quasi schon in den Brunnen gefallen ist und in diversen Trögen nun schon Rosen wachsen, quoll das Thema im Gemeinderat auf. Herbert Dreiseitl (LBU/Die Grünen): „Dass das Thema nicht mit uns beraten wurde, geht gar nicht. Das ist eine Sache, die schmerzt. Ich würde dringend darum bitten, sie zu überdenken und rückgängig zu machen.“

Der OB rudert zurück

Oberbürgermeister Jan Zeitler kündigte im Gemeinderat am Mittwochabend einen geordneten Rückzug an. „Wir dachten, es ist ein guter Vorschlag, aber dann werden wir das Thema gemeinsam überprüfen.“ Er werde das Thema aufbereiten lassen und zur Abstimmung stellen. Wobei er die Räte dazu aufforderte, Einsparpotenzial an anderer Stelle zu benennen. Bei den Brunnen handle es sich um eine Freiwilligkeitsleistung.

Gemeinderat Herbert Dreiseitl: „Man muss sich den Betrieb von Brunnen auch etwas kosten lassen.“
Gemeinderat Herbert Dreiseitl: „Man muss sich den Betrieb von Brunnen auch etwas kosten lassen.“ | Bild: privat
Bepflanzt: Brunnen in Bambergen Video: Hilser, Stefan

Gemeinderat Herbert Dreiseitl sagte: „Die Brunnen sind ein Teil des Kulturgutes einer Stadt, in Überlingen hat man wunderbare Brunnen, die viele Generationen gewollt, aufgebaut und gepflegt haben.“ Ein Brunnen sei gemeinschaftsstiftend, und die Stilllegung somit ein hochsensibles Thema. „Man muss sich den Betrieb von Brunnen auch etwas kosten lassen.“ Wobei sich mit technischen Lösungen, nicht nur mit Zeitschaltuhren, die Wassermenge reduzieren lasse. Es sei nicht zu vermitteln, ausgerechnet im Landesgartenschaujahr Brunnen zuzuschütten. „Das ist ein Thema, das unserem Image schadet.“

Nicht überall, wie bei diesem Brunnen in Bambergen, wurde das Wasser abgestellt.
Nicht überall, wie bei diesem Brunnen in Bambergen, wurde das Wasser abgestellt. | Bild: Hilser, Stefan

Schweigen der Ortsvorsteher

Der Ortsvorsteher von Bambergen, Daniel Plocher, teilte auf SÜDKURIER-Anfrage mit: „Der starke Unmut der Bevölkerung aus den Teilorten kommt bei den Ortsvorsteherinnen und Ortvorstehern deutlich an.“ Sie seien mit dem OB diesbezüglich im Gespräch. Detailliertere Fragen beantwortete er nicht. Ortsvorsteherin Anja Kretz (Nußdorf) und Dominik Schatz (Bonndorf) reagierten auf SÜDKURIER-Anfragen gar nicht. Auch in der Ratsdebatte am Mittwoch, die unter dem Tagesordnungspunkt Verschiedenes von Dreiseitl angestoßen worden war, und bei der OB Zeitler darauf verwies, dass die Ortsvorsteher seit Oktober eingebunden gewesen seien, äußerte sich keiner von ihnen.

Bambergen hat drei Dorfbrunnen aus dem Jahr 1894. Zwei davon wurden verfüllt.
Bambergen hat drei Dorfbrunnen aus dem Jahr 1894. Zwei davon wurden verfüllt. | Bild: Hilser, Stefan