„Das Schäfle muss mehr zum Jesuskindle schauen“, sagt Hubert Regenscheit und rückt die Figur behutsam zurecht. In der barocken Münsterkrippe, die der Überlinger seit nunmehr vier Jahrzehnten zur Weihnachtszeit in der Seitenkapelle beim Schutzengel-Altar aufbaut, hat jede Figur, jeder Engel, jeder Hirte, jedes Tier und jedes Moospölsterchen seinen ganz besonderen Platz.
Jedes Element der Szenerie ist ausgerichtet auf das Christkind im Stall von Bethlehem, der in der Münsterkrippe einem ortsüblichen „Schopf“ an der Stadtmauer nachempfunden ist. „Man kann Figuren hinstellen, oder aufstellen“, sagt Hubert Regenscheit mit einem Augenzwinkern, „das ist wie die Inszenierung von einem Theaterstück.“
Krippenfiguren waren zunächst eine Leihgabe
1982 gelangten die um 1780 vermutlich für ein Kloster gefertigten Krippenfiguren zunächst als Leihgabe der Familie Flach-Krug ans Münster. „Mir war klar, was das für ein Schatz ist“, erinnert sich Hubert Regenscheit. Er sorgte dann auch dafür, dass die mit Stoff bekleideten Figuren zunächst die Terrakottafiguren der Zizenhauser Krippe ersetzten, bis diese sieben Jahre später einen neuen sicheren Platz hinter Glas in der Taufkapelle neben der Marienorgel erhielt.

1986 besiegelte ein notarieller Schenkungsvertrag endgültig den Übergang der Barockkrippe ins Eigentum der Münstergemeinde. Sofort machte sich Hubert Regenscheit daran, die Krippenfiguren systematisch zu katalogisieren. Der gelernte Maler und Bauzeichner legte kunstvoll beschriftete Fotoalben an, in denen er die Figuren der Barockkrippe ebenso erfasste, wie die Zizenhauser Terrakotten.
Unter 109 Nummern von Maria und Josef mit Christkind, über die Könige mit Gefolge, die Hirten, Bauern und Soldaten, bis zu den den Edelmännern und Marktfrauen, Hunden, Schafen, Dromedaren und Elefanten dokumentierte Regenscheit das gesamte Krippenpersonal. Hier zeigte sich auch der teilweise schlechte Zustand der über 200 Jahre alten Figuren.
Restaurierung in den Jahren 1986 bis 2007
Unterstützt vom damaligen Stadtpfarrer Hansjörg Weber und den wöchentlichen Kollekten aus der Frauenmesse leitete Regenscheit die behutsame Restaurierung der hier und da beschädigten, zwischen 15 und 28 Zentimeter großen Figuren ein. So konnten der Neufracher Bildhauer Peter Früh und seine Frau Gisela von 1986 bis 2007 nach und nach die notwendigen Reparaturen an deren Holzkörpern und der textilen Bekleidung ausführen. „Alle Figuren sind individuelle Persönlichkeiten“, sagt Hubert Regenscheit, “auch die Hirten und Volksleute.“ Und genauso sorgsam wie respektvoll geht er beim Aufbau und der Anordnung der unterschiedlichen Figurengruppen zu Werk.

Kulisse ist Stadtbefestigung nachempfunden
Beim Bau einer passenden Szenerie für das weihnachtliche Geschehen legte der handwerklich versierte Krippenliebhaber in den 1980er Jahren selbst Hand an. Nach dem Vorbild der Gemäuer, Tore und Tempelruinen der Zizenhauser Krippenlandschaft fertigte er aus Holz und Kork eine der Überlinger Stadtbefestigung nachempfundene stimmungsvolle Kulisse.

Eine ganz eigene Erfindung von Hubert Regenscheit ist dabei der „Engelsberg“. Die Idee dazu kam dem passionierten Wanderer auf einer Exkursion ins Elbsandsteingebirge bei Bad Schandau. „Ich hatte immer überlegt, wie man die Engel gut zeigen kann“, erinnert sich Regenscheit. Die markanten Felsformationen dienten ihm als Vorbild für einen Bergkegel, auf dem die prächtigen Weihnachtsengel mit ihren goldglänzenden Flügeln eindrucksvoll und gleichsam vom Himmel herabkommend platziert werden können.

Moos, Wurzeln, Schwämme und Steine aus der Natur
Jahr für Jahr zu Beginn der Adventszeit ging Regenscheit regelmäßig in den Wald, um Moos zu sammeln, und Kiste für Kiste füllte sich jeweils mit mehreren Lagen feiner Moospolster. Diese mussten für die zwei Münsterkrippen und auch für die Krippe in der Franziskanerkirche sowie die Hauskrippe im Altenheim St. Franziskus reichen, für deren Aufbau Hubert Regenscheit seit 2003 als Mesner ebenfalls verantwortlich war.
Auf seinen Wanderungen und Bergtouren sammelte Regenscheit alte Wurzeln, Schwämme und Steine für die Krippenlandschaft mit ihren terrassenartigen Unterbauten. Diese bestanden zunächst aus Holzplatten und Styropor, bis Regenscheits Schwiegersohn, der Schreiner Ulrich Schleindl, stabile kastenartige Holzelemente schuf, die bis heute mit wenigen Handgriffen zusammengefügt werden können.
Regenscheit will Aufbau künftig nur noch begleiten
Nach 40 Jahren legt der 1937 geborene Überlinger nun die Verantwortung für den Krippenaufbau in die Hände von Bernhard Kitt. Seit 2015 hilft der Überlinger Obstbauer bereits beim Aufbau mit, ebenso wie ein kleines Team aus Mesnern und ehrenamtlichen Helfern. Solange er kann, will Hubert Regenscheit das Aufstellen begleiten und „seinen“ geliebten Krippen auf diese Art verbunden bleiben.
Bis Ende Januar kann die Barockkrippe im Münster bestaunt werden. Die Zizenhauser Terrakotten blieben Pandemie-bedingt in ihren Aufbewahrungskisten und werden hoffentlich nächstes Weihnachten wieder im Münster zu sehen sein.