Schließt ein Geschäft, gibt das Schaufenster nur noch den Blick auf den leeren Raum dahinter frei. Wo früher eine italienische Modeboutique in der Münsterstraße war, wird gerade ein neuer Mieter gesucht. Noch im Dezember luden im King3-Barbershop goldene Spiegel und Löwen zu einem Haarschnitt ein, inzwischen ist der Laden geräumt und ein Schild verweist auf andere Niederlassungen. Auch die Pflummern-Apotheke schließt laut Aushang zum 31. Januar. Doch ungeachtet dessen zeigen zahlreiche Neueröffnungen sowie Besitzer- oder Pächterwechsel, dass die Altstadt trotz des Leerstands für viele auch noch ein Ort des Träumens ist.
Zeitreise im Fotostudio
Wer durch die Münsterstraße läuft, kann noch schnell im Saloon einkehren. Möglich macht das Tanja Geiger in ihrem Event-Fotostudio. Tresen, einladende Stühle, Grammofon, Waffen und Kleider mit Pailletten oder Rüschen. Als Themengebiete sind bisher Gangster und Western am häufigsten gebucht, sagt sie. Je nachdem, wie das Geschäft läuft, wird sie um Ritter und Piraten erweitern. Im Vordergrund steht eine Sache: „Die Leute sollen Spaß haben“, sagt Geiger. Das fange meist schon beim Umziehen an. Eine Stunde nimmt sich Geiger Zeit für ihre Gäste, nach zwei Stunden sind die Aufnahmen fertig. Ihr Angebot versteht Geiger in erster Linie als Event. „Die Fotos entstehen quasi nebenher“, beschreibt die Fotografin ihre Arbeit.

Mit dem Start des Studios ist sie aus dem Schwarzwald nach Überlingen gezogen. Ihr Angebot richtet sich in erster Linie an Touristen. Deshalb hat sie jetzt auch Schnappschüsse im Angebot für Urlauber, die nicht so viel Zeit mitbringen. Die Geschäftsidee der gelernten Bürokauffrau ist selbst ein Souvenir. Auf Mallorca hat sie ein solches Geschäft entdeckt. Den Betreiber bat sie darum, ein Praktikum bei ihm machen zu dürfen, erzählt sie. Weil er einwilligte, hat sie seine Idee übernommen und an den Bodensee mitgebracht. Von ihm habe sie auch die meisten ihrer Requisiten erworben.
Barock im Nagelstudio
Auf dem Münsterplatz erfüllt sich Carolin Betlazar ihren Traum. Im Oktober 2024 eröffnete sie auf der ehemaligen Ladenfläche des Kleidungsgeschäfts Uptolake ihren eigenen Schönheitssalon. In „Caro‘s Beauty“ bietet sie Nagelpflege, Maniküre und Pediküre, zukünftig möchte sie außerdem diverse Laser-Haarentfernungen anbieten. „Ich liebe die Arbeit über alles“, sagt Betlazar. Seit 2005 folge sie ihrer Profession, erst als Angestellte, dann als Selbstständige. Eingerichtet hat sie ihren Laden im Biedermeier- und Barock-Stil. Das passe zu Überlingen, findet sie.

Trockenblumen
Erde und Blumen, „Terra Flora“, hat Valeri Chernyshuk ihr Geschäft für Trockenblumen in der Christophstraße getauft. Eröffnet hat sie es im Dezember 2024, direkt neben dem Spielzeugland, in den Räumen des ehemaligen Seifenfachgeschäfts. Seit drei Jahren lebt Chernyshuk in Hödingen. „Es ist ein guter Ort, um Kinder großzuziehen“, findet die 33-jährige Mutter zweier Kinder. Über einige Stationen kam sie hierher. Sie habe Journalismus in Bremen studiert, doch sie sei von Blumen und Floristik schon immer begeistert gewesen, erzählt sie. Über Online-Kurse hat sie sich Fachwissen angeeignet.

„Trockenblumen haben den Vorteil, dass sie länger halten“, erklärt sie. Vorausgesetzt, es ist nicht zu feucht. Dafür dauert es länger, die Sträuße zusammenzustellen. Das sei aber ihr Problem, sagt sie und lacht. Neben ihrem Geschäft konzentriere sie sich auch auf Arrangements und Event-Floristik, beispielsweise für Hochzeiten.
Raritäten aus dem Hausrat
Im Geschäft „Antique & Vintage„ in der Jakob-Kessenring-Straße werden Antiquitäten angeboten. Mitarbeiterin Larissa Schipko-Hägele verkauft hier auf zwei Stockwerken alles: Bilder, Teppiche, Möbel, Porzellanfiguren, Geschirr, Spielsachen und vieles mehr. Sogar ein Motorrad steht im Geschäft. Das sei zwar vordergründig Deko, für 20.000 Euro könnte es aber den Besitzer wechseln, sagt sie.

Das Geschäft gehört dem Bauunternehmen Seehaus Renovierungen Bodensee. Daher kommen die Waren aus Haushaltsauflösungen und Entrümpelungen. „Wir bekommen immer wieder neue Ware“, sagt Schipko-Hägele. Deshalb ändere und erweitere sich das Sortiment laufend.
Zusammenarbeit auf zwei Etagen
Seit etwa einem halben Jahr gibt es auch einen Co-Working-Space in der Christophstraße. Betreiber Lukas Gisder-Dubé sagt, bisher laufe es ganz gut, „ein bisschen voller müsste es aber noch sein, damit es sich rechnet“. Etwa 35 Aufenthalte gab es bisher. Gisder-Dubé arbeitet selbst dort. Mit ihm sind inzwischen vier feste Mitglieder vor Ort, sagt er. Das Arbeiten stehe zwar im Fokus, aber der Austausch und das Soziale seien eine gern gesehene Ergänzung. Dieses Jahr sei nun der richtige Test.

Das Konzept des Gemeinschaftsarbeitsplatzes hat der Software-Entwickler in Berlin kennengelernt und nach Überlingen gebracht. „Meine Wunschvorstellung wäre, wenn 70 Prozent meiner Kunden von hier kämen“, sagt Gisder-Dubé. Auf acht festen und sieben flexiblen Arbeitsplätzen arbeiten mit ihm fünf feste Mitglieder. Oft kommen auch Menschen auf der Durchreise oder im Urlaub, die im Co-Working-Space arbeiten wollen, erzählt der Inhaber.
Veganes Café im Teeladen
Am 2. Februar feiert das Portal Café zweiten Geburtstag, sagt Inhaber Dejan Ljubicic. Es ist nicht direkt neu, fällt mit seiner veganen Ausrichtung aber auf. Seit er 18 Jahre alt ist, lebe er frei von jedweden Tierprodukten, erzählt Ljubicic. „Ich liebe Tiere“, betont er. Deshalb ist sein Geschäft durch und durch vegan. „Ich will verdienen, aber nicht um jeden Preis“, sagt der Gastronom. Die Kuchen backt er selbst. Und wenn das Café gerade in der Sommersaison voll sei, unterstützten ihn seine Tochter und zwei Aushilfen.

Vor zwei Jahren hat er den Teeladen, der dort ursprünglich war, übernommen. Nach wenigen Monaten habe er jedoch festgestellt, dass der Café-Betrieb ausreiche und er das Teegeschäft nicht weiterführen wolle. „Anfangs musste ich viel lernen“, sagt er über die anfänglichen Schwierigkeiten, „nun hat alles seinen Platz“.