Einst zog Überlingen dem Kaiser den Teppich unter den Füßen weg, sorgte dafür, dass die Forellen blau wurden und wurde im 30-jährigen Krieg von der Muttergottes verteidigt, die ihre Fußabdrücke auf dem Festungswall hinterließ. Alles Fake News? Nicht ganz. Zwischen Fakten und Fiktion bewegt sich die augenzwinkernd und liebevoll inszenierte Sonderausstellung „Überlingen legendär!“, die ab Dienstag, 26. Mai im Städtischen Museum besichtigt werden kann. „1250 Jahre sagenhafte Stadtgeschichte“ verspricht die Schau anlässlich des Stadtjubiläums 2020. Letzteres ist, schreibt Kurator Thomas Hirthe im Begleitbüchlein, ebenfalls „Fake – aber keine böswillige Erfindung“. Denn nach aktuellem Forschungsstand wurde die Urkunde mit der ersten Erwähnung Überlingens im Jahr 973 ausgestellt und nicht, wie früher angenommen, schon 970.

Historische Tiefe von Sagen weiter geringer als vermutet

Die Ursprünge jenes erstmals schriftlich erwähnten „Iburinga“ sind auf jeden Fall noch älter, und je weiter man zurückgeht, desto mehr vermischen sich Dichtung und Wahrheit – sollte man meinen. Tatsächlich jedoch sei die historische Tiefe von Sagen weit geringer, als man vermute, hält Co-Autor Ralf Keller fest. Ihre Erforschung habe aber durchaus aktuelle Bedeutung, indem sie zeige, wie sich Gerüchte und erfundene Geschichten verselbstständigten – und auch zu Fake News verdichten könnten.

Sagen und ihre historischen Hintergründe werden präsentiert

In der Ausstellung werden ausgewählte Sagen und ihre historischen Hintergründe mittels einer Mischung aus rund 130 Exponaten und moderner Museumspädagogik präsentiert. Themen sind etwa die alemannische Zeit und die Legende um die Herzogstochter Fridiburg, die Sieben Schwaben, der Weinbau, unterirdische Schätze, die Reichsstadtzeit, die Schwedenbelagerungen im 30-jährigen Krieg und Überlingens Karriere als Kur- und Badestadt.

Eine nachgebaute Badestube vermittelt in der Ausstellung Überlingens Historie als Kurstadt. Von links: Oberbürgermeister Jan Zeitler, ...
Eine nachgebaute Badestube vermittelt in der Ausstellung Überlingens Historie als Kurstadt. Von links: Oberbürgermeister Jan Zeitler, Museumsleiter Peter Graubach, Kurator Thomas Hirthe und (knieend) Alexander-Florian Bürkle, Stadtwerk am See. Bilder: Sylvia Floetemeyer | Bild: Sylvia Floetemeyer

Museumsleiter und seine Frau gestalten barocke Museumsräume thematisch um

Museumsleiter Peter Graubach und seine Frau Bozena haben dafür barocke Museumsräume jeweils passend umgestaltet. So verwandelten sie den „Kinosaal“ aus einer vergangenen Sonderausstellung dieses Mal in eine Umkleidekabine. Graubach richtete außerdem eine Badestube ein und baute einen Wehrturm nach. Er lässt die Sieben Schwaben durch einen Wald spazieren, Forellen im See planschen und Schätze in verborgenen Höhlen schlummern. Peter Graubach sagte, er war sofort Feuer und Flamme, als Hirthe mit der Idee gekommen sei, die Stadtgeschichte humorvoll Revue passieren zu lassen.

Kaiser und König von Jakob Ruß aus nächster Nähe zu sehen

Zu den kostbarsten Ausstellungsstücken zählen Kaiser und König, zwei der Holzfiguren, die Jakob Ruß von 1492 bis 1494 für den Überlinger Ratssaal schuf, wo sie normalerweise schlecht sichtbar thronen. Im Museum kann man die Kunstwerke nun aus nächster Nähe betrachten. Sie gehören laut Kulturamtsleiter Michael Brunner zu den Höhepunkten profan-spätgotischer Skulptur. Es gebe sonst nur noch zwei vergleichbare Zyklen aus dieser Zeit.

Die Holzskulpturen Kaiser und König von Jakob Ruß aus dem Ratssaal sind die kostbarsten Exponate.
Die Holzskulpturen Kaiser und König von Jakob Ruß aus dem Ratssaal sind die kostbarsten Exponate. | Bild: Sylvia Floetemeyer

Kompletter Harnisch aus dem 16. Jahrhundert

Weitere Höhepunkte sind ein kompletter Harnisch aus dem 16. Jahrhundert aus der Privatsammlung Hebsacker, das Zizenhauser Tonmodell der Sieben (in diesem Fall: acht) Schwaben von Anton Sohn, illustrierte St. Galler Handschriften zur angeblichen Heilung der Fridiburg durch Gallus sowie ein Faksimile der Urkunde mit der Ersterwähnung Überlingens samt Übersetzung ins Deutsche durch Oswald Burger.

Eröffnung der Ausstellung war am 1. April wegen Corona verschoben worden

Die Ausstellung hätte eigentlich bereits am 1. April öffnen sollen. Der Start wurde wegen Corona aber verschoben. „Die Menschen warten darauf, dass Kultur wieder stattfindet“, betonte Oberbürgermeister Jan Zeitler nun in der Pressekonferenz. Alexander-Florian Bürkle vom Stadtwerk am See, dem Sponsor des Stadtjubiläums, sprach dabei von einem Neustart in der Überlinger Stadtgeschichte, zu dem der Energieversorger gern seinen Anteil beitrage.

Barrierefreier neuer Eingang und neue Brüstung im Garten

Das Museum steht jedenfalls parat. Dort hatte man sich in den vergangenen Monaten auf den erwarteten Besucherandrang während der Landesgartenschau vorbereitet, die inzwischen auf 2021 verschoben wurde. So entstand ein barrierefreier neuer Eingang mit automatischen Türen, der nun in Corona-Zeiten besonders gute Dienste leistet. Außerdem erneuerte man im Garten die komplette Brüstung. Auch in deren Geländer hinterlässt die Pandemie dauerhafte Spuren: Kunstschmied Peter Klink hat dort das Virus in Form einer kleinen Metallskulptur eingefügt und verewigt.

OB Zeitler: Vortragsreihe zum Jubiläumsjahr wird fortgesetzt

An der Sonderausstellung werden nicht nur Einheimische Spaß haben, aber Überlinger natürlich ganz besonders. Sowieso steht Stadtgeschichte bei ihnen hoch im Kurs. Die ersten Vorträge der historischen Vortragsreihe zum Jubiläumsjahr hatten jeweils bis zu 290 Besucher gezählt. „Ziel waren im Vorfeld je 60“, sagte Kulturamtsleiter Michael Brunner, der sich von dem großen Interesse überwältigt zeigte. Die Reihe ist wegen der Corona-Pandemie unterbrochen worden. Doch sie werde fortgesetzt, versicherte nun Jan Zeitler bei der Pressekonferenz: „Kein einziger Vortrag wird verlorengehen.“