„Money makes the world go round“ heißt es in Gershwins Musical „Cabaret“. Nun gut, die Erde hat sich wohl schon vor der Erfindung des Geldes gedreht. Doch hat das Geld nicht erst heute einen großen Einfluss auf die Gesellschaft. Im Mittelalter spiegelten die Münzen umgekehrt die jeweiligen Herrschaftsstrukturen und Handelswege wider, wie der Konstanzer Historiker und Numismatiker Harald Derschka (51) im vierten Vortrag zur Überlinger Stadtgeschichte deutlich machte.

Harald Derschka (51) ist Professor für Geschichte des Mittelalters an der Universität Konstanz und unter anderem Leiter eines von der ...
Harald Derschka (51) ist Professor für Geschichte des Mittelalters an der Universität Konstanz und unter anderem Leiter eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts zum Reichenauer Lehenbuch. Seit 2004 ist Derschka im Vorstand des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. Von 2001 bis 2007 gehörte er dem Vorstand der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Fundmünzen an. Der Numismatiker gilt als einer der besten Kenner der Geld- und Münzgeschichte im Bodenseeraum. | Bild: Hanspeter Walter

„Silberne Pfennige aus Überlingen: Die Reichsmünzstätte Überlingen in staufischer und nachstaufischer Zeit“ war sein Beitrag überschrieben, in dem er die Herstellung der filigranen Münzen beziehungsweise Brakteate erklärte und welche Bedeutung diese damals hatten.

Der Konstanzer Pfennig als Standard

Der sogenannte „Konstanzer Pfennig“, dessen Herstellung von den Bischöfen kontrolliert wurde, bestimmte ab 1150 mit Größe und vor allem Gewicht den Standard der Münzprägung. Auch für die Überlinger Münzstätte, die dem weltlichen Stauferreich unterstellt war, galt dies. So hatten die einseitig geprägten Silbermünzen ein Gewicht von rund 0,5 Gramm. Zugereiste mit Basler oder Kölner Pfennigen mussten ihre Währung erst umtauschen.

Am Beispiel der Euromünzen verschiedener Länder erläuterte Derschka, wie Fundmünzen aufgrund ihres statistischen Auftretens einem Ursprung und einem Herrschaftsbereich zugeordnet werden können. Der reichte beim Konstanzer Pfennig im Süden damals weit in die Schweiz hinein. Nach Osten verlief nahe der Iller die Grenze zur Sphäre des Augsburger Pfennigs.

Schatzfund in der Aufkircher Straße

Umso wichtiger war ein großer Fund, der im Februar 1869 in der Aufkircher Straße gemacht wurde. „Damals war der Schutt eines abgebrannten Hauses weggeräumt worden“, berichtete der Experte. „Man schätzt, dass der Fund rund 2000 Pfennige enthielt, die meisten von diesem Typ.“ Man dürfe daher annehmen, „dass dieser Pfennig hier aus Überlingen kommt“.

Fragen an den Konstanzer Historiker und Numismatiker Harald Derschka

Die Datierung der Münzen gebe allerdings stets Rätsel auf, wie der Historiker betonte. Denn – anders als heute – suche man bei hochmittelalterlichen Münzen vergeblich nach einer Jahreszahl. Es bedürfe daher anderer Indizien für die zeitliche Einordnung. Zum Beispiel einen Schweizer Schatzfund von 2000 Münzen, der mehr als 80 Überlinger Pfennige einer Art enthalten habe. Bei einem Großteil der anderen Prägungen sei bekannt gewesen, dass sie Anfang des 14. Jahrhunderts entstanden seien. Also war es wahrscheinlich, dass auch diese Münzen ab 1300 entstanden sind und nicht viel später.

Datierung nur mit Indizien möglich

„Die Bestimmung und Datierung dieser Pfennige ist keine exakte Wissenschaft“, erläuterte Harald Derschka, „aber sie ist nicht willkürlich und im Großen und Ganzen stimmen sie“. Alle diese Münzen zeigen für ihn, dass in Überlingen damals silberne Pfennige geprägt wurden. „Das ist ein schöner Befund.“ Wer die spannenden Ausführungen Derschkas über die königliche Münzstätte in staufischer Zeit gehört hat, wer die Motive der Münzen und deren Interpretation gesehen hat, der mag sich wundern, wie überhaupt Ideen kursieren können, den Pfennig und den Euro als Bargeld ganz abzuschaffen.

Dieses Brakteat wurde schon zu staufischer Zeit Mitte des 13. Jahrhunderts in Überlingen angefertigt und liegt im Münzkabinett des ...
Dieses Brakteat wurde schon zu staufischer Zeit Mitte des 13. Jahrhunderts in Überlingen angefertigt und liegt im Münzkabinett des Stuttgarter Landesmuseums. Das gut erhaltene Löwenmotiv aus staufischer Zeit war Vorbild für die Gedenkmedaille zum Jubiläumsjahr. | Bild: Hanspeter Walter

Pfennigturm wird Tresor der Stadt

Das Rathaus hat zwar einen Pfennigturm, der später als Schatzkammer diente. Die silbernen Pfennige aus staufischer Zeit konnten darin allerdings noch nicht gebunkert werden. Denn der Turm war erst mit dem neuen Rathaus 1494 fertiggestellt worden. Etwas früher als bislang angenommen, wie Stadtarchivar Walter Liehner bei seinen Recherchen herausbekam.

Dendrochronologische Untersuchungen des Dachgebälks im Zuge der jüngsten Restaurierungen hatten ergeben, dass das Holz dafür im Winter 1493/1494 geschlagen worden war, nachzulesen in Liehners Aufsatz über Pfennigturm und Stadtkanzlei als Archivbauten aus reichsstädtischer Zeit (2018). Der Turm ist bis heute mit Metalltüren feuersicher abgeschottet und diente viele Jahrhunderte als „Tresor“. Denn Münzen wurden auch später wieder geprägt.

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