Christopher Rieck

Herzog Gunzos Tochter Fridiburga war von einem bösen Geist befallen. Vier Männer wurden benötigt, um die aus dem Mund schäumende Besessene zu bändigen. Der Reichenauer Mönch Wetti berichtet, was dann geschah: Der heilige Gallus reiste an den Hof nach Überlingen und nahm erfolgreich einen Exorzismus vor.

Überlinger kennen die Legende und auch der Ort scheint lokalisiert: Es ist die Gunzoburg nahe dem Franziskanertor, in der der Alemannenherzog um das Jahr 641 residiert haben soll. Nur: Das Gebäude stammt aus dem 13. bis 14. Jahrhundert. Gunzos tatsächlicher Wohnsitz dürfte aus einem Holzhaus mit Palisade bestanden haben und befand sich vermutlich in der ältesten Siedlung aus der Überlingen entstand.

Erstes Siedlungsgebiet

Dieses „Altdorf“ lag früher im Bereich zwischen der heutigen Aufkircherstraße und Zahnstraße. In diesem Siedlungsgebiet dürfte das alte Iburinga gelegen haben, dort war es wohl auch, wo die erste Urkunde der Stadt 770/73 entstand. Die Tatsache, dass die Gallusvita 816/20 mit der Legende des Gunzo den Ort benennt, deutet darauf hin, dass die Siedlung zu jener Zeit schon eine gewisse Bedeutung besaß, anderenfalls hätte man dort nicht den Sitz eines zumindest regional bedeutenden Adeligen verortet.

Johannes Waldschütz brachte in seinem Vortrag Licht ins Dunkel der frühen Jahre von Überlingen. Die Veranstaltung wurde kurzfristig vom Rathaussaal in das deutlich größere katholische Pfarrzentrum am Münsterplatz verlegt. Der mit 280 Plätzen voll besetzte Pfarrsaal zeigte das anhaltend große Interesse an der Veranstaltungsreihe.

400 Jahre ohne schriftliche Spuren

Nach der ersten urkundlichen Erwähnung gab es über einen Zeitraum von 400 Jahren keine weiteren schriftlichen Zeugnisse. In der allgemeinen Geschichte des 8. Jahrhunderts lässt sich der Werdegang Überlingens allerdings skizzenhaft nachzeichnen: Im Cannstatter Blutgericht 746 beseitigten die Karolinger einen großen Teil des alemannischen Adels. Vermutlich infolge dessen wurde auch Iburinga vom Adelssitz zu einem königlichen Ort. Diese von den Karolingern aufgebauten zentralstaatlichen Strukturen verfielen allerdings im 9. und 10. Jahrhundert wieder. Die Tatsache, dass es in dieser Zeit keine schriftliche Erwähnung des Ortes gab, weist darauf hin, dass ihm kaum Bedeutung zugekommen sein dürfte.

Referent Johannes Waldschütz sagt: Sehr vieles aus dem Mittelalter sei doch geblieben.
Referent Johannes Waldschütz sagt: Sehr vieles aus dem Mittelalter sei doch geblieben. | Bild: Christopher Rieck

Johannes Waldschütz: „Sehr vieles ist doch geblieben“

Vermutlich wird die spätere Stadt in die Hände einer Adelsfamilie gekommen sein, die erst auf dem Ramsberg residierte und später zu den Grafen von Pfullendorf wurde. Mangels Nachkommen fielen deren Besitzungen später an Friedrich Barbarossa, allerdings nicht in seiner Funktion als deutscher König oder römischer Kaiser, sondern als direkter Familienbesitz. So wurde Überlingen um 1180 zu einem staufischen Ort.

Wo schriftliche Quellen fehlen, belegen archäologische Funde, dass um das Jahr 1000 im Bereich der Franziskanerstraße und südlich des Münsters eine Siedlung mit einer Nikolauskapelle entstand. Aus dieser erwuchs in mehreren Etappen das heutige Münster. Im 12. Jahrhundert blühte die Siedlung dann auf, auch das ist durch archäologische Funde gedeckt.

Überlingen wird Stadt

Nach 1191 gibt es 1207 eine weitere schriftliche Quelle, die Überlingen bereits als „oppidum“, also einen befestigten Ort beschreibt. Vier Jahre später wird Überlingen in einem Güterverzeichnis des Klosters Salem von den Mönchen erstmals als Stadt bezeichnet. Obgleich auch eine Urkunde von Kaiser Friedrich aus dieser Zeit vorliegt, gibt es kein königliches Dokument, das Überlingen das Stadtrecht verleiht.

Ein Stück der Überlinger Stadtmauer nahe dem Aufkircher Tor.
Ein Stück der Überlinger Stadtmauer nahe dem Aufkircher Tor. | Bild: Christopher Rieck

Erst 1226 bezeichnet Heinrich VI. Überlingen schließlich als Stadt. Zu dieser Zeit konnte, so formulierte es Johannes Waldschütz, Überlingen als ein zentraler Ort der staufischen Herrschaft in Oberschwaben bezeichnet werden. Im Laufe der Zeit gelang es der Stadt jedoch, sich von den Staufern zu emanzipieren. Die folgende Blütezeit als Freie Reichsstadt ist Gegenstand der nächsten Vorträge zur Stadtgeschichte.

Das könnte Sie auch interessieren