Da staunte selbst der Überlinger Baubürgermeister Matthias Längin. „Wir waren nicht so mutig, an Flachdächer zu denken“, kommentierte er nach mehreren Impulsreferaten beim Aktionstag in der Fischerhäuservorstadt einen neuen Bebauungsvorschlag von Professor Walter Stamm-Teske. Vor seinem Ruhestand hatte der gebürtige Schweizer zunächst in Zürich und später viele Jahre an der Bauhaus-Universität in Weimar gelehrt, engagierte sich dort auch als Mitglied des Gestaltungsbeirats und des Bauausschusses. Seit rund drei Jahren lebt Stamm-Teske in Überlingen. Dessen Kompetenz und Weitsicht will sich auch die neue Bürgerallianz zunutze machen.
„Ich habe den Eindruck, dass man nicht sorgfältig genug mit den Qualitäten der Stadt umgeht“, formulierte Walter Stamm-Teske, „und ich meine, die Stadt braucht mehr Baukultur.“ Welche Qualitäten dies sind, hatte Thomas Pross, Architekt, Stadtplaner und Kenner Überlingens, zuvor in seiner Präsentation deutlich gemacht. Dabei zeigte er auf, wie sich mit den Stadtgräben und Gärten bis heute ein mehr oder weniger ausgeprägter Grüngürtel um die Altstadt legt. Diesen dürfe man nicht ohne Not preisgeben.

„Um ein Gefühl für Dimensionen zu bekommen, reicht eine zweidimensionale Planskizze nicht aus“, ist Architekt Pross überzeugt. Aus diesem Grund hatten die Fischerhäusler gemeinsam selbst ein maßstabsgetreues Modell erstellt, das die Verwaltung aus Kostengründen abgelehnt hatte. Auch von den andernorts durchaus üblichen Stangengerüsten will man derzeit in Überlingen nichts wissen.

„Autos haben hier künftig nichts mehr zu suchen“, beschrieb der Architekturprofessor die Zukunft der Altstadt. Ohnehin müsste die Gartenstraße aus seiner Sicht eigentlich „Gartengasse“ heißen, sagte er. Zwar nicht ganz neu war Stamm-Teskes Vorschlag, vom bestehenden Parkhaus eine große Tiefgarage unter dem Quartier zu erschließen. Doch hatte die Verwaltung vor allem Argumente vorgebracht, warum dies nicht möglich sei, und selbst einzelne Garagen unter neuen Gebäuden vorgesehen. Doch Stamm-Teske ist eher ein Mensch, der weniger nach Hindernissen als nach Lösungen sucht. Dies zeigte er insbesondere mit seinem eigenen Vorschlag einer Bebauung für die Grundstücke, die jetzt der Freiburger Bauträger Fliegauf bebauen will.
Alternative: Drei dreigeschossige Bauten mit begrüntem Flachdach
Der erste Bauantrag war hier vor mehr als fünf Jahren gestellt worden und der Anlass für die Aufstellung eines Bebauungsplans gewesen. Das Volumen im neuesten Gesuch sei mit dem Ausbau des großen Satteldachs im Grunde 3,5-geschossig, erklärte Stamm-Teske. Was nach wie vor auf massiven Widerspruch bei vielen Bürgern stößt. „Man sollte nicht gegen das Gelände bauen, sondern mit dem Gelände“, sagte der Planer und hatte eine interessante Alternative aufgezeigt: Drei dreigeschossige Bauten mit begrüntem Flachdach, die mit deutlich geringerer Gesamthöhe unaufdringlich vor der Felskante platziert sind und dennoch die gleiche Gesamtwohnfläche biete, wie Stamm-Teske betonte. Dieser kreative Zugang war es, der Baubürgermeister Längin zum Staunen gebracht hatte.
Einen anderen Weg hatte zuvor Herbert Weiß, ehemaliger Baubürgermeister in Wangen im Allgäu, vorgeschlagen. Er hielt einen Bebauungsplan für das Quartier gar nicht erforderlich. Der Bezug auf die umgebende Bebauung mit Paragraf 34 des Baugesetzbuches reichten in Verbindung mit einem Gestaltungsbeirat und dem Einsatz von Stangengerüsten aus. Letztere seien geeignet Entscheidungsträgern und Bürgern die Proportionen eines Vorhabens zu verdeutlichen.

Dass eine alleinige Beurteilung nach Paragraf 34 nicht immer zielführend sei, hielt Baubürgermeister Matthias Längin entgegen. Dies zeige aus seiner Sicht die derzeit wenig erfreuliche Entwicklung in der Mühlenstraße. Längin versuchte in seiner Präsentation, den Prozess deutlich zu machen, der zum aktuellen Vorschlag seines Stadtplaners Thomas Kölschbach geführt hatte. Nach mehreren Beratungen im Ausschuss habe man den Entwurf bereits deutlich modifiziert, manches gestrichen und die geplanten Baukörper im Volumen reduziert. Damit sei die Stadtplanung angemessen auf Kritik und Wünsche eingegangen.