Michael Gerasch nennt sein Grundstück am Bodensee sein „Paradies“. Seit vier Generationen gehört es seiner Familie, seit Jahrzehnten verbringt er dort seine Wochenenden. Doch mit der Grundsteuerreform kam der Schock: Seine Abgabe hat sich mehr als verzehnfacht. Dagegen möchte er sich nun wehren.
Wer Michael Geraschs Grundstück am Nußdorfer Seeufer betritt, der versteht, warum der 59-Jährige es als Paradies bezeichnet. Das kleine Häuschen mit hellgelber Fassade und roten Dachziegeln strahlt eine nostalgische Gemütlichkeit aus. Eine Steintreppe führt hinunter zum Wasser – links und rechts des Weges liegen Boote, während die Natur das Grundstück einrahmt.

Getrübt wird die Idylle nun durch eine drastische Erhöhung der Grundsteuer, die für Gerasch kaum nachvollziehbar ist. Bislang bezahlte er rund 113 Euro Abgaben, jetzt sind es 1600 Euro pro Quartal. „Das ist fast das Fünfzehnfache“, sagt er bei einem Besuch des SÜDKURIER. Und das, obwohl große Teile seines Landes unter Landschaftsschutz stehen und im Sommer sogar überschwemmt werden.
Das Grundstück am See gehört der Familie seit 1932. Damals zahlte sein Großvater rund 35.000 Reichsmark dafür – ein Schnäppchen, denn „die Grundstücke am See wollte damals niemand haben. Das war‘s Schnakenloch“, erzählt Gerasch. Sein Großvater baute ein kleines Bootshaus mit Wohnung, das der Familie aus Pforzheim als Sommerdomizil diente. „Da ist man mit dem VW Käfer und Anhänger über den Schwarzwald nach Freudenstadt an den See gefahren“, erinnert sich der 59-Jährige.

Heute besitzt er das Grundstück gemeinsam mit seinem Cousin als Erbengemeinschaft. Es ist sein Rückzugsort, ein Stück Heimat, das ihm viel bedeutet. Doch mit den Jahren kamen immer mehr Einschränkungen: „Irgendwann wurde das Grundstück zum Landschaftsschutzgebiet erklärt. Wir dürfen nicht bauen, nichts verändern, keine Bojen mehr haben.“ Noch immer ist er Wochenend-Pendler zwischen Pforzheim und seinem Paradies.
Landschaftsschutzgebiet, aber volle Steuer?
Besonders ärgert Gerasch, dass sein komplettes Grundstück voll besteuert wird – obwohl es offiziell als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen ist. Zudem sei mehr als ein Drittel seines Grundstücks im Sommer überschwemmt. „Das ist Landschaftsschutzgebiet, wir dürfen nichts machen, und sie besteuern es voll – nicht einmal einen kranken Baum darf man ohne Erlaubnis fällen“, sagt er.

Er habe sofort Widerspruch eingelegt, doch die Antwort der Stadt sei eindeutig gewesen: „Nein, das ist alles in Ordnung.“ Für Gerasch ist das unverständlich. „Wenn sie sich nicht dagegen wehren, ist das eine gute Einnahmequelle“, wirft er der Stadt vor.
Kampf gegen den Bescheid
Michael Gerasch will sich das nicht gefallen lassen. Er plant, einen privaten Gutachter zu beauftragen, um den Grundstückswert neu berechnen zu lassen. „Ich weiß jetzt schon, dass die Berechnung falsch ist. Und dafür muss ich noch 600 Euro zahlen“, ärgert er sich. Sollte sich herausstellen, dass der Wert falsch angesetzt wurde, will er die Kosten für das Gutachten von der Stadt zurückfordern.
Grundsätzlich hält er die Besteuerung für ungerecht. „Ein kleines Häuschen wird genauso besteuert wie eine Luxusvilla. Ich glaube, sie denken, da wachsen goldene Grashalme auf meinem Grundstück.“ Sein Fazit: „Es hat sich nichts verändert, außer, dass wir alle bestraft werden. Du darfst nix, kriegst nix, aber zahlen musst du.“
Stadt Überlingen verteidigt Bodenrichtwerte
Die Stadt Überlingen weist die Kritik zurück. Pressesprecherin Miriam Lara Robertus erklärt, dass die Bodenrichtwerte auf einem größeren Gebiet basieren und nicht nur die direkte Nachbarschaft eines Grundstücks berücksichtigen. Die hohen Werte spiegelten die begehrte Lage wider.
Auch die Lage im Landschaftsschutzgebiet spiele kaum eine Rolle für die Bewertung, so Robertus. Bauliche Einschränkungen seien bereits in die Berechnungen eingeflossen. Und was die überschwemmbaren Flächen angeht, äußert sie Zweifel: „Ob wirklich die Hälfte seines Grundstücks im Sommer überschwemmt ist, ist nach der Sichtung des Luftbildes zweifelhaft und stimmt mit der HQ-10-Kartierung (zehnjähriges Hochwasser) nicht überein.“
Für die Steuerfestsetzung sei das Finanzamt zuständig, betont sie. Die Bewertung der gesamten Grundstücksfläche mit dem Bodenrichtwert erfolge automatisiert. Wer seine Grundsteuer korrigieren lassen wolle, müsse ein Gutachten eines Sachverständigen oder des Gutachterausschusses vorlegen. Liegt der tatsächliche Wert um mehr als 30 Prozent unter dem angesetzten Betrag, könne eine Korrektur erfolgen.
Ein langer Weg
Für Michael Gerasch ist klar: Er wird kämpfen. Sein Paradies will er nicht einfach so aufgeben – und auch nicht bereitwillig eine Steuer zahlen, die er für ungerecht hält. „Für so ein Sahnestück zahlt man auch mal mehr – aber nicht so.