Sich nach Feierabend einen Joint anzünden, gemütlich die Sonne irgendwo in der Stadt genießen: Das ist gesetzlich seit April in Überlingen weitgehend erlaubt. Denn seit dem 1. April 2024 gilt in ganz Deutschland das Cannabisgesetz.

Die Stadt Überlingen und auch der Gemeinderat wollen genau dieses Szenario verbieten und überarbeiten in einer Sitzung eine Polizeiverordnung. Bereits in der Vorlage für die Ratsmitglieder hat die Verwaltung dabei aber etwas versäumt: Cannabis fällt nicht mehr unter die Rubrik Betäubungsmittel. Cannabis-Freunden fällt diese Unstimmigkeit sofort auf. Verwaltung und Rat wollen aber an dem Verbot festhalten. Wie geht es weiter?

Verordnung verfehlt bisher ihr Ziel

Die Verwaltung bestätigte auf Nachfrage die Notwendigkeit einer erneuten Beratung der vor kurzem erst beschlossenen Polizeiverordnung, mit der die Stadt ein flächendeckendes Verbot des teillegalisierten Cannabiskonsums erreichen will. Schon nach der Online-Veröffentlichung des SÜDKURIER-Beitrags über den Gemeinderatsbeschluss waren Reaktionen von zahlreichen Lesern eingegangen, die darauf hinwiesen, dass Cannabis nach der neuen gesetzlichen Einordnung seit April nicht mehr unter die Rubrik Betäubungsmittel falle. Tatsächlich zielte die geänderte Verordnung darauf ab, mit der Kategorie Betäubungsmittel auch den Cannabiskonsum zu untersagen. In der beschlossenen Form verfehlt sie allerdings dieses Ziel.

Fehler in der Vorlage hätte auffallen müssen

„Der Sachverhalt wurde intern sowohl mit einem Rechtsbeistand als auch mit der Aufsichtsbehörde besprochen und erörtert“, teilte Pressesprecherin Andrea Winkler jetzt mit und bestätigte: „Mit dem derzeitigen Wortlaut des § 22 Abs. 1 Nr. 4 der Polizeiverordnung ist der Konsum von Cannabis tatsächlich nicht abgedeckt.“ Winkler: „Wir sind derzeit noch mit der internen Beratung über den weiteren Umgang mit der Thematik sowie den hieraus resultierenden weiteren Schritten befasst.“

Zu Wort gemeldet hatte sich auch Stadtrat Alexander Bruns (CDU). Bruns verwehrte sich gegen die im SÜDKURIER-Artikel formulierte Erwartungshaltung, dass ihm als Juristen der mutmaßliche Fehler in der Verordnung hätte auffallen müssen beziehungsweise können. Er sei „kein Experte für öffentliches Recht oder auch nur Polizeirecht, auch kein Strafrechtler und auch kein Experte im Betäubungsmittelrecht, geschweige denn ein Experte für Cannabisrecht“, betonte Bruns, „sondern ordentlicher Professor für Bürgerliches Recht und Zivilprozessrecht“. Deshalb habe er im Hinblick auf die Frage, ob und inwieweit durch eine Polizeiverordnung, der Konsum von Cannabis im öffentlichen Raum eingeschränkt werden kann, auch kein besonderes Fachwissen.

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Unterschiedliche Meinung zum Verbot

„Ob der Gemeinderat aber tatsächlich einen Fehler gemacht hat, ist juristisch ein weites Feld“, schreibt Bruns in einer Stellungnahme, betont allerdings: „Rechtspolitisch halte ich die teilweise Freigabe von Cannabis für unverantwortlich und falsch und ein polizeirechtliches Verbot öffentlichen Cannabis-Rauchens in Überlingen nach wie vor für richtig.“ Allerdings sei seine Fraktion davon ausgegangen, „dass die Vorlage von der Verwaltung sorgfältig vorbereitet worden ist“, sagte der CDU-Stadtrat im Nachgang.

In eine ganz andere Richtung zielt ein ausführlicher Einwurf von Rechtsanwalt Hermann Josef Faupel, der für sich und seine sechs Kinder, wie er schreibt, in Anspruch nimmt, nie Interesse an Drogen gehabt zu haben. Dennoch erschrecke ihn als Jurist „die Hysterie, die derzeit weitere Einschränkungen eines Bundesgesetzes befördern soll“, erklärt Faupel. Ja, er erkenne darin „dieselbe vorauseilende, populistische Profilierung“ der Stadtspitze „wie bei Corona“. Faupel: „Hier fehlen Augenmaß und Kompetenz, die ich gerne bei politischen Mandatsträgern sähe.“

Alkoholkonsum gleich behandeln

Selbst in Berlin seien die Zuständigkeiten offensichtlich zwischen drei Bundesministerien noch nicht endgültig geklärt, hat Faupel Medienberichten über einen ähnlichen Vorstoß in München entnommen, die sich mit dem Vorrang von Bundes-, Landes- und Kommunalrecht befasst hätten. Wäre es da für einen „kleinen GR in Überlingen“ nicht angebracht gewesen, fragt der Jurist, „dass sich erst einmal andere hier die Finger verbrennen bzw. Rechtssicherheit schaffen oder ein solches Thema breit diskutiert und nicht über das eilfertige Knie gebrochen wird?“ Im Übrigen teile er die Position von Jungstadtrat Benedikt Kitt (LBU/Grüne), der bei der Beratung der Verordnung eine Gleichbehandlung des Alkoholkonsums gefordert hatte.