Der erklärte Wille von Stadtverwaltung und Ratsmehrheit war klar. Sie wollen die Auswirkungen der Teillegalisierung des Cannabis-Konsums, die vom Bundestag im März beschlossen wurde, unter Kontrolle bekommen.

In dem seit 1. April gültigen Gesetz ist insbesondere der Schutz Minderjährigen verankert. In „unmittelbarer Gegenwart“ von unter 18-Jährigen bleibt das Kiffen verboten, ebenso in Fußgängerzonen von 7 bis 20 Uhr. Untersagt ist es auch auf Spielplätzen, in Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Sportstätten und jeweils in Sichtweite davon – also in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich.

Die Stadt wolle sich die schwierige und sehr aufwendige Überwachung dieser Regelungen ersparen, hieß es bei der Beratung zum jüngsten Beschluss der neuen Polizeilichen Verordnung, mit der die Kommune aus diesem Grund ein flächendeckendes Verbot erreichen will. Dies gelingt mit dem eingeführten Paragrafen allerdings kaum.

Cannabis fällt nicht mehr unter Begriff Betäubungsmittel

Was war schiefgelaufen? Die Abteilung Sicherheit und Ordnung hatte Cannabis fälschlicherweise nach wie vor unter dem Begriff Betäubungsmittel subsumiert. Nicht einmal dem Juristen Alexander Bruns (CDU) war in der Beratung des Entwurfs aufgefallen, dass mit dem Beschluss des neuen Gesetzes zur Teilfreigabe auch die Anhänge des Betäubungsmittelgesetzes geändert wurden. Schnell reagiert hatten SÜDKURIER-Leser, als der Beitrag zu dem Thema online zu lesen war. Sie wiesen auf genau diesen Widerspruch hin.

„Auf der einen Seite bin ich schockiert ob der Ignoranz des Gemeinderats, der sich hier, versucht, gegen Bundesrecht zu stellen“, schrieb ein Leser. „Die Frage, die sich jedoch erst recht stellt, ist wie sie auf die Idee kommen, dass der Konsum von Cannabis zu verboten sei? Lediglich der Konsum von Betäubungsmitteln ist verboten, jedoch ist Cannabis seit 1. April aus dem BtmG gestrichen.“

Stadtrat Günter Hornstein (CDU) wurde ebenfalls per E-Mail auf die Unstimmigkeiten hingewiesen. Er hakte dazu bei der Verwaltung nach. Matthias Rebmann, Leiter der Abteilung Sicherheit und Ordnung, antwortete Hornstein nur kurz: „Die Behauptungen können durch einen Blick in das BtMG recht schnell ausgeräumt werden.“

Das könnte Sie auch interessieren

Das sagt das Ministerium zum Cannabisgesetz

Dem ist allerdings nicht so, wie eine Anfrage des SÜDKURIER beim Ministerium für Soziales und Gesundheit jetzt zeigt. „Laut Gesetzesbegründung des Cannabisgesetzes sind nach § 1 Absatz 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) Betäubungsmittel im Sinne des BtMG die in den Anlagen I bis III aufgeführten Stoffe und Zubereitungen“, teilt die Pressestelle mit: „Nach der gegenüber der bisherigen betäubungsmittelrechtlichen Einstufung veränderten Risikobewertung für Cannabis wird Cannabis, so wie es in den Anlagen des BtMG definiert ist, aus den Anlagen des BtMG entnommen und in das neue Konsumcannabisgesetz (KCanG) und Medizinalcannabisgesetz (MedCanG) überführt. Damit ist Cannabis zukünftig kein Betäubungsmittel mehr und unterliegt nicht mehr den Vorschriften des BtMG.“

Gemeinderat muss nacharbeiten

Auch dem Mediziner Andrej Michalsen (LBU/Grüne) waren die Diskrepanzen in der Sitzung nicht aufgefallen, wie er eingesteht. „Im juristischen Sinne fällt Cannabis nicht mehr unter die Kategorie Betäubungsmittel“, sagt er und erklärt: „Da müssen wir wohl nacharbeiten.“ Auch Günter Hornstein zieht seine Schlüsse daraus und sagt: „Demzufolge müssten wir den entsprechenden Paragrafen in unserer Polizeiverordnung bei den Betäubungsmitteln um Cannabis ergänzen.“

Auch bei der Teilfreigabe des Anbaus muss man genau hinschauen. Das soll im Wohnbereich in gewissem Maße zwar zulässig sein. Dies gilt allerdings nicht für Schrebergärten, da sie formal nicht als Wohnung gelten und im Grunde so auch nicht genutzt werden dürfen.