Anfang Mai legten die Waldrappe die ersten Eier in der Felsnische am Katharinenfelsen bei Überlingen-Goldbach. Inzwischen recken mindestens zehn Küken ihre Köpfe aus den Nestern. Anne-Gabriela Schmalstieg vom österreichischen Waldrappteam betreut die Kolonie. Sie erklärt auf Nachfrage: „In jedem der drei Nester waren bei der letzten Kontrolle drei bis vier Küken zu sehen. Wie viele im Endeffekt flügge werden, werden wir dann sehen.“

Wie sich die Elternpaare schlagen? Darauf antwortet Schmalstieg: „Aktuell gibt es keinen Grund zur Sorge. Die Eltern versorgen ihren Nachwuchs zuverlässig und abwechselnd und die Jungvögel gedeihen prächtig.“ Ihren Angaben nach ist damit zu rechnen, dass die ersten Jungvögel in wenigen Wochen flügge werden. Etwa in einem Lebensalter von 40 bis 45 Tagen. Flügge werden bedeutet, dass die Tiere dann die Fähigkeit besitzen, zu fliegen.

Noch hat der Nachwuchs der Waldrappe nicht den charakteristischen Federkranz am Kopf oder die Färbung an Gesicht und Schnabel.
Noch hat der Nachwuchs der Waldrappe nicht den charakteristischen Federkranz am Kopf oder die Färbung an Gesicht und Schnabel. | Bild: Harald Böttger

Bald starten die Küken ihre Flugübungen

„Bis dahin werden sie regelmäßig von ihren Eltern in der Felsnische versorgt. Auch machen sie im jungen Alter schon Flugübungen, indem sie ihre Flügel strecken und anfangen, zu flattern und auszuprobieren“, sagt die Biologin. Bis zum ersten richtigen Flug werde es aber noch dauern: „Die jüngsten Küken müssen beispielsweise erst noch ein vollständiges Gefieder entwickeln. Anschließend werden sie ihren Eltern auf die Futterwiesen folgen.“ Schmalstieg vermutet, „dass die Waldrappe noch bis Juli/Anfang August in der Felsnische zu sehen sind, bevor sie sich dauerhaft auf den Futterwiesen aufhalten“.

In diesem Jahr sind zwölf Waldrappe aus ihrem Winterquartier direkt nach Überlingen zurückgekehrt. „Weitere Waldrappe, welche zur Kolonie in Überlingen gehören, sind zum Teil noch nicht geschlechtsreif und haben noch keinen Grund, in das Brutgebiet zurückzufliegen. Beispielsweise hält sich ein Teil im Tessin auf“, schreibt Schmalstieg, die früher selbst Ziehmutter war. Jeder Waldrapp entscheidet dabei individuell. Als Beispiel nennt sie Oskar und Grazia, die jetzt erfolgreich in der Schweiz gebrütet haben. Oskar hat Schmalstieg selbst 2018 aufgezogen und in das Winterquartier Laguna di Orbetello in der Toskana begleitet.

Weniger Nester, dafür aber mehr Küken

Im Vergleich zu den Vorjahren sind es in Überlingen leider weniger Nester. Schmalstieg erklärt: „In Überlingen selbst hatten wir im letzten Jahr leider viele Verluste, daher sind es viel weniger Nester als in den letzten Jahren. Jedoch sind es mittlerweile sehr erfahrene Waldrappeltern, somit ist die Chance auf mehr Küken pro Nest höher.“ Gestorben sind 2024 zum Beispiel die Überlinger Waldrappe Enea, Rupert und Limoncello. Rupert und Limoncello waren Weibchen.

Die Überlinger Kolonie musste 2024 einige Verluste hinnehmen, daher sind es weniger Nester.
Die Überlinger Kolonie musste 2024 einige Verluste hinnehmen, daher sind es weniger Nester. | Bild: Harald Böttger

Eine freudige Nachricht war die Rückkehr des Weibchens Dr. Saurier. Sie hat es ganz allein aus Spanien zurück an den Bodensee geschafft. Mit ihr gebe es nun die Hoffnung, „dass sich die diesjährigen Jungvögel an sie schließen und mit ihr nach Spanien fliegen und somit die Alpen nicht überfliegen müssen. Wie es sich entwickelt, werden wir dann im Herbst sehen und es bleibt sehr spannend.“ Aufgrund des wärmer werdenden Klimas starten die Überlinger immer später Richtung Süden. Dann fehlt ihnen an den Alpen aber die Thermik. Daher versucht das Waldrappteam, eine Route nach Andalusien zu forcieren.

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Noch keine selbst erhaltende Population

Menschengeführte Migrationen gibt es vom Bodensee aus keine mehr. Betreut wird die Kolonie weiterhin. „Aktuell umfasst die Betreuung das Monitoring und anschließend das Jungvogeltraining, damit die Jungvögel der Kolonie beringt und besendert werden können. Das ist sehr wichtig, damit wir ihre Herbstmigration verfolgen können und nicht ausschließlich auf Sichtmeldungen angewiesen sind, welche aber weiterhin sehr wichtig für uns sind“, berichtet Schmalstieg. Wann der Moment kommt, in dem der Waldrapp in Überlingen als wieder angesiedelt gilt, ist unklar. „Es wird auch zukünftig ein Monitoring stattfinden, da aktuell noch nicht die Anzahl einer selbst erhaltenden Population erreicht ist“, sagt die Biologin.