Draußen peitscht der Regen, der Sturm fegt über den Bodensee. Bei Nacht sind die beiden in Wallhausen aufgebrochen. In einem kleinen Ruderboot über den See gepaddelt, weil die „Seegold“ ausgefallen ist. Nikolaus dirigierte, Knecht Ruprecht ruderte – und das erklärt, warum der Begleiter an diesem Freitagmorgen etwas mürrisch dreinblickt.
Das zumindest ist die Geschichte, die Nikolaus und Knecht Ruprecht den Mitarbeitenden des Helios-Spitals erzählen. All die Strapazen haben sie auf sich genommen, um dem Klinikpersonal eine Freude zu machen. Egal ob Pflegekräfte, Ärzte, Verwaltungsangestellte oder Techniker – niemand bleibt heute ohne Schoko-Nikolaus und Mandarine.
Hinter dem Bart steckt ein bekanntes Gesicht
Wer genau hinschaut, entdeckt unter Nikolaus‘ imposantem Bart ein vertrautes Gesicht. Es gehört Ortwin Engel-Klemm, Religionspädagoge und evangelischer Klinikseelsorger. Sein Partner in düsterer Kutte ist Martin Blume, katholischer Klinikseelsorger. Seit 2021 ziehen sie gemeinsam über die Flure des Helios-Spitals.
„Seelsorge am Kranken gibt es länger, als es Kliniken gibt“, erklärt Engel-Klemm, der auch die Überlinger Hospizgruppe leitet. „Es ist eine urchristliche Idee, sich um die Kranken zu kümmern.“ Martin Blume ergänzt: „Krankheit ist immer eine Grenzsituation, die das Leben durcheinanderwirft.“ Mit ihrem Besuch wollen sie diesen Momenten etwas Leichtigkeit entgegenstellen.
An diesem Nikolaustag sind die beiden jedoch nicht für die Patienten gekommen, sondern für das Personal. „Wir sind Klinikseelsorger, nicht ausschließlich Patientenseelsorger“, sagt Blume. Ortwin Engel-Klemm macht darauf aufmerksam, dass die Arbeit mit Kranken auch herausfordernd sein kann: „Die Mitarbeitenden haben auch immer eine gewisse Last mitzutragen.“
Freude auf Station Süd 0
„Was rennst du denn so?“, ruft Nikolaus, als Knecht Ruprecht schnellen Schrittes auf die nächste Station zusteuert. „Der Sack ist schwer“, erwidert dieser. Wenig später wird er jedoch ein wenig leichter. Lily Henning, Auszubildende zur Pflegefachfrau, nimmt ihre erste Nikolausüberraschung entgegen. „Das versüßt einem den Tag“, sagt sie.
Aber nicht nur die Pflegenden schätzen die Geste. Für Haustechniker Jens Köllmann gehört der Nikolausbesuch schon fast zur Vorweihnachtsroutine. Ob Knecht Ruprecht je jemanden bestrafen musste? „Nein“, bekräftigt Köllmann. Nikolaus Engel-Klemm ergänzt: „Seine Rute habe ich im Osterfeuer verbrannt.“
Einen Gang weiter, auf dem Weg zum Andachtsraum, läuft das Duo Wolfgang Reumüller in die Arme. „Die beiden waren noch nicht meine Patienten“, stellt der Leitende Oberarzt der Urologie fest und versichert: „Aber der Urologe kümmert sich auch um die Gesundheit des Nikolaus und Ruprecht.“
Eine Tradition mit Humor und Herz
Obwohl an diesem Tag viel gelacht wird, gehe ihre Arbeit natürlich über den Spaß hinaus, wie die Seelsorger betonen. Ihre Gespräche mit den Menschen seien vielfältig: mal traurig, mal nachdenklich. Es geht um das Leben, Krankheit, manchmal um den Tod. Ihr Ziel sei es doch stets, eine positive Einstellung zum Leben zu vermitteln, sagt Martin Blume.
Der Nikolaus-Besuch habe dabei mehr eine symbolische Bedeutung. „Wir können nicht in so kurzer Zeit schwere Dinge aufarbeiten“, sagt Ortwin Engel-Klemm. Für intensiveren Rat und Seelsorge stehen die beiden aber auf Zuruf zur Verfügung.
Doch die Nikolausaktion ist längst nicht die einzige Tradition, die das Duo pflegt. An Ostern und Weihnachten besuchen sie das Krankenhaus in Zivil, an Fastnacht im Mönchsgewand. Ob humorvoll oder ernst: Ihre Mission bleibt die gleiche – Seelsorge leisten und den Menschen zeigen, dass sie nicht allein sind.